Das junge Unternehmen Ampler produziert minimalistische E-Bikes, die sich optisch kaum von gewöhnlichen Rädern unterscheiden lassen. Können sich die Esten mit diesem Konzept an die Spitze unseres Pendler-Bike-Vergleichstests setzen oder birgt es eher Nachteile? Wir sind das Ampler Stout gefahren und verraten euch, wie es sich schlägt.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Bike 2021 – Die 19 spannendsten Konzepte für den Alltag
Ihr schlängelt euch auf dem Bike durch die Seitengassen der Innenstadt, um den Menschenmassen auf der Shoppingmeile zu entgehen. Vor dem Schaufenster einer neuen Fast Fashion Boutique kommt ihr zum Stehen und denkt daran, dass hier früher mal ein Geschäft für Musikinstrumente war. Ihr fragt euch: „Warum muss heute alles so aussehen, als würde es von morgen stammen? Ist es der Geschmack der Leute, der sich so schnell verändert, oder gibt es bloß keine Alternativen mit zeitlosem Design?“ Euch gefällt nichts, was im Schaufenster angeboten wird, und ihr steigt wieder in die Pedale. Vielleicht wäre die Begegnung anders abgelaufen, wenn ihr an einem Ampler-Store vorbeigekommen wärt? Wir haben das minimalistische City-E-Bike Stout aus Estland auf seine Allround-Qualitäten im Alltag und in der Freizeit getestet!
Die Ausstattung des Ampler Stout im Detail
Das Ampler Stout ist nicht einfach nur minimalistisch oder schlicht, es wird gerade durch die Konzentration aufs Wesentliche sexy. Dieser Eindruck entsteht bereits beim Auspacken aus dem Karton: Dem Lieferumfang liegt eine aus Holz zusammengesteckte Werkzeugbox in Form einer Zigarrenschachtel bei. Die geraden, mattgrün lackierten Alu-Rahmenrohre verleihen dem E-Bike eine solide und wertige Anmutung. Die Züge für Schaltung und Bremsen verlaufen außerhalb des Rahmens, elektrische Leitungen für ein Display oder eine Lenkerremote gibt es nicht. Man hat den Eindruck, man hätte es beim Ampler Stout mit einem gewöhnlichen City-Bike zu tun. Ungewöhnlich ist das in den Rahmen geklemmte Tretlager, das auch den Drehmomentsensor beherbergt. Alltags- und stadttauglich wird es durch die in Rahmenfarbe lackierten, klapperfreien Schutzbleche, das Busch + Müller-Frontlicht und das in die Sattelstütze integrierte LightSKIN-Rücklicht, durch den soliden Ständer und den Heckgepäckträger. Der Gepäckträger ist für 18 kg Gepäck freigegeben und verfügt über einen elastischen Spanngurt. Im Rahmendreieck besitzt das Stout noch einen Anschraubpunkt für einen Trinkflaschenhalter oder anderes Zubehör. Für 25 € Aufpreis lässt sich ein Anhänger-Adapter mitbestellen. Ohne den Adapter kostet das Ampler Stout attraktive 2.490 € und wiegt 16,80 kg.
Die Motorsteuerung über eine einzige Taste gestaltet sich ungefähr so intuitiv wie das Morsen mit einem Telegrafen. Zum Glück findet man alle Funktionen auch in der App.
Ampler Stout
2.490 €
Ausstattung
Motor Ampler 50 Nm
Akku LG Li-ion Akku 336 Wh
Display -
Fork -
Bremsen Shimano DEORE M6000 160/160 mm
Schaltung MicroSHIFT ADVENT 1x9
Vorbau Ampler 80 mm
Lenker Ampler 640 mm
Reifen Continental Top CONTACT II 28 x 1,6"
Technische Daten
Größe M L
Gewicht 16,8 kg
Besonderheiten
LightSKIN-Lichtanlage hinten
Busch + Müller IQ2EYC-Scheinwerfer
Werkzeug im Lieferumfang
Smartphone-App ersetzt das Display
Größe | M | L |
---|---|---|
Sattelrohr | 550 mm | 590 mm |
Oberrohr | 597 mm | 602 mm |
Steuerrohr | 153 mm | 166 mm |
Lenkwinkel | 71,0° | 71,4° |
Sitzwinkel | 72,0° | 72,0° |
Kettenstrebe | 452 mm | 452 mm |
Radstand | 1.078 mm | 1.080 mm |
Der E-Antrieb des Ampler Stout im Detail
Wenn man es nicht wüsste, würde man es auch nicht rausfinden: Das Ampler Stout wird durch den unscheinbaren Hinterradnabenmotor zum E-Bike. Der Motor bietet mit 50 Nm auf dem Papier genauso viel Drehmoment wie z. B. der Mittelmotor des Diamant Juna Deluxe+, die Kraft entfaltet sich auf dem Stout jedoch deutlich später. Bei niedrigen Trittfrequenzen, an Anstiegen oder bei Fahrten mit Gepäck ist viel Körpereinsatz gefragt. Der 336-Wh-Akku sitzt fest im Unterrohr integriert und wird ausschließlich im Rahmen geladen. Darum sollte euer Abstellplatz über eine Steckdose verfügen. Außerdem müsst ihr darauf achten, dass sich beim Laden das Ladekabel und die Kurbel nicht in die Quere kommen.
Die Ladebuchse und die Motorsteuerung wurden nämlich außerhalb der Fahrerperspektive am Sattelrohr angebracht. Das bedeutet auch, dass man während der Fahrt nicht schnell zwischen den zwei Unterstützungsstufen umschalten kann. Die gesamte Steuerung des Motors wie Ein- und Ausschalten, das Wechseln zwischen den Support-Stufen und das Betätigen des Lichts läuft über eine einzige Taste. Ähnlich wie beim Morsecode auf einem Telegrafen muss man die Tastenabfolgen in speziellen zeitlichen Abständen erlernen. Der farbliche LED-Ring um die Taste hilft bei der vergleichsweise wenig intuitiven Bedienung und gibt durch einen Farbverlauf von Grün zu Rot Auskunft über den Akkustand. Das passt zwar in das minimalistische Design und die Steuerung ist nach dem Set-and-Forget-Prinzip ausgelegt, leider vermisst man trotzdem in vielen Situationen eine echte Lenker-Remote. Einfacher wird die Bedienung, wenn man die durchdachte Ampler-App auf dem Smartphone mit dem E-Bike koppelt. Dann hat man abgesehen vom Ein- und Ausschalten all diese Funktionen auf dem Smartphone zur Hand. Außerdem kann die App alle Motordaten während der Fahrt anzeigen, zum Navigieren benutzt werden, Fahrten mit den entsprechenden E-Bike-Daten aufzeichnen und sogar die Motorcharakteristik anpassen.
Das Ampler Stout im Test
Für den Test des Ampler Stout hatten die kleineren Leute aus unserer Test-Crew Pause. Das Stout wird nur in den Größen M und L angeboten und besitzt bereits in der kleineren Größe M eine hohe Überstandshöhe und eine relativ hohe Sitzposition aufgrund des langen Sattelrohrs. Ampler empfiehlt das Stout erst ab einer Körpergröße von 175 cm und noch wichtiger ab einer Schrittlänge von 85 cm, und auch wir können das Stout niemand Kleinerem guten Gewissens empfehlen. Die Lenkerenden sind stark nach hinten gekrümmt, wodurch man eine kompakte Sitzposition einnimmt und sich Knie und Hände in engen Kurven nah kommen können. Die Front reagiert agil und direkt selbst auf kleine Lenkimpulse und macht das E-Bike besonders wendig. Das sorgt bei Sportaffinen mit Rennrad-Erfahrung für Fahrspaß, weil sie das Stout mit geschulter Hand um Hindernisse zirkeln können.
Tuning-Tipp: Smartphonehalterung für die einfache Nutzung der Ampler-App
Fahrneulinge müssen sich an das Lenkverhalten erst mal gewöhnen, dazu gehört auch der Umgang mit dem großen Toe-Overlap: Hat man den kurvenäußeren Fuß zu weit vorne auf dem Pedal, schleifen die Fußspitzen häufig am Vorderrad beim Pedalieren. Weder die schmalen Reifen mit 28 x 1,6” noch der ungefederte Rahmen bauen während der Fahrt ausreichend Komfort auf, um das Stout bequem auf langen Strecken oder auch nur kurz auf ruppigen Untergründen zu bewegen. Dafür glänzt es bei kurzen Sprints und lässt sich in der Ebene selbst aus eigener Kraft leicht über die 25-km/h-Schwelle beschleunigen. Der Motor verhält sich sogar im stärkeren Boost-Modus unaufdringlich und nimmt einem nie die Aufgabe ab, selbst für Vortrieb zu sorgen. Wer weniger aktiv fährt, wird an steilen Rampen unter Umständen absteigen und schieben müssen. Die MicroSHIFT ADVENT-9-Gang-Schaltung bietet in Kombination mit dem 42-Zähne-Kettenblatt vorne für steile Stücke keine passende Übersetzung an.
Unser Fazit zum Ampler Stout
Das Ampler Stout verfolgt mit seinem Minimalismus ein mutiges Konzept und bietet es zu einem attraktiven Preis an. Wer aus einer Stadt mit einer ähnlichen Topografie wie Berlin, Tallinn oder Köln stammt und im Umkreis von 15 Minuten jeden Bedarf des täglichen Lebens abdeckt, findet mit dem Ampler Stout ein E-City-Bike mit sportlichen Zügen im erfrischend zeitlosen Design. Für lange Touren fehlt es dem E-Bike an Komfort, es wird dort von der Konkurrenz aus dem Testfeld überflügelt.
Tops
- unsichtbare Integration des E-Antriebs
- gelungenes minimalistisches Design
- hohe Agilität für alle Leute mit Übung im Fahren
Flops
- mangelnder Fahrkomfort
- Toe-Overlap
Fahrertyp
6Mehr Informationen findet ihr unter amplerbikes.com
Das Testfeld
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… oder auch: die regelmäßigen Langstreckenpendler*innen. Die übliche Pendelstrecke beträgt hier über 15 km pro Richtung und der Alltagsnutzung steht dabei klar im Vordergrund. Das E-Bike kommt als Fortbewegungsmittel, als echte Alternative zum Zweitwagen oder zum ÖPNV zum Einsatz. Praktikabilität, Zuverlässigkeit und ein hoher Nutzwert schlägt bei diesem E-Biker*innen-Typ den ultimativen Bling-Faktor, denn das E-Bike wird in weiten Teilen aus Überzeugung genutzt.↩
Dieser E-Biker*innen-Typ vereint E-Bike-Profis und Early-Adopter*innen sowohl aus der Fashion- als auch aus der Tech-Szene. Als hippe Trendsetter*innen wissen sie genau, wie man mit viel Style unterwegs ist. Sci-Fi, Hi-Fi, Wi-Fi – hier blicken sie genau durch und bespielen die digitale Klaviatur problemlos im Halbschlaf. Mit einem leichten Hang zum exzentrischen Ausleben ihrer Passionen stehen emotionale Entscheidungen vor den rationalen.↩
Mal eben die Kids in den Kindergarten, danach auf den Wochenmarkt und später noch im Getränkemarkt einen Kasten Selters holen – für diesen E-Biker*innen-Typ alles kein Problem und das auch ohne Auto. Wer sich hier wiederfindet, liebt es zu kombinieren: Rationale und emotionale Beweggründe gehen Hand in Hand, denn es wird aus Überzeugung und mit einer klaren Vision und Mission in ein passendes Gefährt investiert.↩
… wohnen in einer sogenannten 15-Minuten-Stadt wie beispielsweise Paris. Das heißt, dass alle Dinge des täglichen Bedarfs in einem Radius von 15 Minuten per Fuß oder E-Bike erreichbar sind. Für kurze Strecken unter 2 km scheuen sie sich nicht davor, auch einfach mal zu laufen. Bei mittelweiten Distanzen bis zu 10 km steigen sie selbstverständlich aufs Bike. Alle Strecken, die weiter sind, erledigen sie spielerisch mit dem Mobilitätsmix aus ÖPNV und Bike. Kurzstrecken-Biker*innen sind aktive, sportliche Menschen, die sich nie festlegen wollen, einen flexiblen Lebensstil pflegen und sich gerne von Impulsen inspirieren lassen. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse haben sie häufig kein Auto und wenn doch, kommt es überwiegend für den Genuss zum Einsatz.↩
Sie sind die E-Biker*innen mit der größten Bike-Erfahrung und kommen häufig aus dem sportiven Bike-Bereich. Wir fassen hier alle Mountainbiker*innen und Trailshredder*innen zusammen sowie Rennrad-Fans, Strava-Held*innen und Hobby-Touren-Fans mit Vorliebe für (ländliche) Ausflügen ins Umland und vor die Stadttore. Für den täglichen Weg zur Arbeit ziehen sie sich in Sportbekleidung um, denn der Commute wird direkt mit der Fitness-Einheit kombiniert – geduscht wird dann am Zielort. Ihr Bike muss sowohl unter der Woche fürs Pendeln herhalten als auch für die Touren am Wochenende und ist somit Fortbewegungs- und Transportmittel sowie Sportgerät in einem.↩
In diesem Artikel erfährst du mehr zu den verschiedenen Fahrertypen: Hier klicken! ↩
Words: Rudolf Fischer Photos: Valentin Rühl, Benjamin Topf