Ein riesiger Akku, ein für die Ebene perfekt abgestimmter Motor und breite 27,5”-Reifen: Das FLYER Upstreet6 7.10 HS hat das Potenzial, im großen Pendler-Bike-Vergleichstest richtig abzuräumen. Gelingt dem S-Pedelec der große Wurf oder lässt das Rad auf dem Weg zur Arbeit Federn? All das erfahrt ihr hier.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Bike 2021 – Die 19 spannendsten Konzepte für den Alltag
Dem täglichen Berufsverkehr entfliehen, der euch vor und nach der Arbeit wertvolle Minuten vom ohnehin immer kleiner werdenden Freizeitkuchen abknabbert. Den erbitterten Kampf um den letzten freien Parkplatz anderen überlassen und die Erhöhung des Stresslevels einfach gegen erfrischenden Fahrtwind tauschen, der euch durch die Haare weht: All das verspricht FLYER mit dem Upstreet6 7.10 HS, einem von drei S-Pedelecs in unserem großen E-Bike-Vergleichstest. Die Schweizer setzen dabei entgegen dem Mittelmotor-Trend auf einen Heckantrieb – üblich auch aus dem Bereich der Sportwagen, so treiben z. B. Porsche oder Jaguar die Hinterräder an, um ein agileres Handling zu ermöglichen. Ob auch das Upstreet davon profitiert, haben wir für euch herausgefunden.
Wer beim FLYER Upstreet auch optisch das Schweizer Qualitätsversprechen erwartet, wird bei der Frontansicht leider enttäuscht sein. Hier tummeln sich zu viele Kabel und es herrscht ein wildes Chaos.
Die Ausstattung des FLYER Upstreet6 7.10 HS im Detail
Form follows function – das muss bei der Entwicklung des 5.099 € teuren FLYER Upstreet der Leitspruch gewesen sein. Der massive und mit Verstrebungen ausgestattete Rahmen, die wuchtigen Schweißnähte und die fetten Kettenstreben sollen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass das Upstreet problemlos mit allen Kräften umgehen kann, die auf ein S-Pedelec bei 45 km/h wirken. Und so ist es auch in der Praxis: Der Alu-Rahmen des FLYER-Bikes ist ausgesprochen steif und zeigt sich selbst bei maximaler Zuladung von 116 kg absolut unbeeindruckt. Am Cockpit herrscht leider totales Chaos, hier wurde die Ergonomie- und Kabelverlegungsexpertise der Schweizer Marke offensichtlich von der italienischen Küche inspiriert und versprüht dementsprechend eher Spaghetti-Flair. Das auf dem Oberrohr prangende Schweizer Qualitätsversprechen könnte in keinem größeren Kontrast zur Front des FLYER-Bikes stehen, wo sich zahlreiche Kabel wild kreuzen und das Thema Integration ad absurdum führen. Da können der einstellbare Vorbau und die solide Montagelösung für das FIT D1-Display nur bedingt für Schadensbegrenzung sorgen. Anders dann am Rahmen und im hinteren Bereich des E-Bikes: Hier verlaufen alle Kabel und Leitungen aufgeräumt durch das Innere. Ungewöhnlich ist bei einem S-Pedelec der Verzicht auf eine Vierkolben-Bremsanlage und die damit verbundenen Reserven – wir hatten während des Tests im hügeligen Terrain damit jedoch keine Probleme. Bei langen Abfahrten, die sich in der bergigen Schweiz häufen wie die Netflix-Abos in Pandemiezeiten, können die MAGURA MT4e-Bremsen jedoch an ihr Limit kommen – alleine das Bike kommt schon auf ein Gewicht von stattlichen 32 kg.
FLYER Upstreet6 7.10 HS
5.099 €
Ausstattung
Motor TDCM HCA45 37 Nm
Akku FLYER FIB-810 810 Wh
Display FIT D1
Fork SR Suntour MOBIE45 60 mm
Sattelstütze FLYER Alu 31,6 mm
Bremsen MAGURA MT4e 203/180 mm
Schaltung Shimano DEORE 1x10
Vorbau FLYER Integrated Stem 95 mm
Lenker SATORI Wien 640 mm
Laufradsatz FLYER Disc
Reifen Continental CONTACT Plus City 27,5 x 2,2"
Technische Daten
Größe S M L XL
Gewicht 32,24 kg
Besonderheiten
Akku-Rekuperation
FIT D1-Display
ABUS SHIELD 5650L-Rahmenschloss
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 440 mm | 480 mm | 520 mm | 560 mm |
Oberrohr | 565 mm | 590 mm | 615 mm | 640 mm |
Steuerrohr | 130 mm | 150 mm | 170 mm | 190 mm |
Lenkwinkel | 70,5° | 70,5° | 70,5° | 70,5° |
Sitzwinkel | 73,0° | 73,0° | 73,0° | 73,0° |
Kettenstrebe | 480 mm | 480 mm | 480 mm | 480 mm |
Tretlagerabsenkung | 45 mm | 45 mm | 45 mm | 45 mm |
Radstand | 1.104 mm | 1.130 mm | 1.156 mm | 1.182 mm |
Reach | 384 mm | 403 mm | 423 mm | 442 mm |
Stack | 591 mm | 610 mm | 629 mm | 648 mm |
Der TDCM-Heckmotor des FLYER Upstreet: Vorwärts mit Gebrüll?
Beim Antrieb setzt FLYER auf einen Heckantrieb. Der verbaute Nabenmotor stammt vom taiwanesischen Hersteller TDCM und schiebt das Upstreet mit vergleichsweise geringen 37 Nm an. Gespeist wird der TDCM HCA5-Motor von einem der größten Akkus im Test, dem FLYER FIB mit 810 Wh Kapazität. Im Vergleich zu vielen anderen Akkus, die im Unterrohr versteckt sind, kann er seitlich entnommen werden, was das Laden in der Praxis deutlich angenehmer macht. Im Test wechseln sich beim TDCM-Motor Licht und Schatten ab – leider mit einem Plus auf der Seite der Finsternis. Der Motor schiebt das Bike milde an und zeigt sich dabei wenig aggressiv. Dadurch ist das FLYER Upstreet6 auch für Neulinge ohne große Eingewöhnung einfach beherrschbar. Beschleunigung und Durchzugsstärke im mittleren Bereich sind absolut okay und man kann mit dem FLYER Upstreet6 7.10 HS in der Ebene, ohne selbst ins Schwitzen zu kommen, konstant 45 km/h fahren. Das ist z. B. mit dem Riese & Müller Homage nur unter deutlich höherer Kraftanstrengung möglich. Kommt jedoch ein Hügel in Sicht, dann heißt es: Schwung holen, so viel wie nur möglich. Sinkt die Geschwindigkeit und ihr tretet am Berg mit gezwungenermaßen niedriger Kadenz in die Pedale, schwindet die Unterstützung des Motors rapide und ihr seid am steilen Anstieg fast komplett auf euch allein gestellt. Auch ein Anfahren am Berg ist mit dem FLYER Upstreet nahezu unmöglich.
Die im Vergleich zum Mittelmotor geringere Power ist ein bauartbedingtes Manko und eint zahlreiche Nabenmotoren. In Kombination mit dem vergleichsweise geringen Drehmoment kann das FLYER in diesen Fahrsituationen schlicht nicht mit der Konkurrenz mithalten. Erschwerend kommt die geringe Schubkraft der Schiebehilfe hinzu, die sich an Stufenrampen regelmäßig überfordert zeigt und obendrein mit mehreren Ausfällen und Motorfehlern auf dem Display negativ aufgefallen ist.
Ihr wollt mit 45 km/h über die Ebene fliegen und den Fahrtwind durch eure Haare wehen lassen? Das FLYER Upstreet6 7.10 HS ist euer Bike!
Habt ihr es geschafft, einen Berg zu erklimmen, kommt ihr in der folgenden Abfahrt in den Genuss des Rekuperationsmodus. Durch eine verbaute Motorbremse ist es möglich, Energie in den Akku zurückzuspeisen und ihn während der Fahrt zu laden. Das funktioniert leider nur bei niedrigen Geschwindigkeiten für eine längere Zeit, ab 40 km/h schaltet das System zum Schutz des Akkus recht schnell ab. Auch die Handhabung der Rekuperationsmodi mit dem Joystick der Lenker-Remote ist nicht wirklich gelungen. Einer der wenigen Lichtpunkte des E-Antriebs ist das große und übersichtliche FIT D1-Display, das ihr mit eurem Smartphone und Apps wie bspw. Komoot koppeln und euch Abbiegehinweise anzeigen lassen könnt – für eine komplette Kartendarstellung wie beim Bosch Nyon-Display hat es leider nicht gereicht.
Das FLYER Upstreet6 7.10 HS im Test
Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, ist das FLYER-Bike in der Ebene leicht auf hoher Geschwindigkeit zu halten, darf jedoch als S-Pedelec rechtlich in Deutschland nicht auf Fahrrad-, Forst- und Waldwegen gefahren werden, was einem beim Kauf eines Speed-Pedelecs klar sein sollte (zum S-Pedelec-Special). Das Upstreet ist durch den Heckmotor bauartbedingt vorne leichter als hinten, was sowohl das Fahrgefühl als auch das Komfortverhalten beeinflusst. So schiebt das Gewicht von hinten an Bodenwellen merklich nach. Trotz des steifen Rahmendreiecks ist das Rad nicht unkomfortabel per se, sondern kann in Kombination mit den Continental-Reifen in der Größe 27,5 x 2,20” eine solide Eigendämpfung aufbauen. Feine Vibrationen werden sehr gut gedämpft, große Schläge jedoch nahezu ungefiltert an die Fahrenden weitergegeben. Die SR Suntour-Federgabel ist speziell auf 45-km/h-Bikes ausgelegt und kann für einen Aufpreis von 250 CHF anstelle der Starrgabel verbaut werden – dazu raten wir auch, denn sie ist ihr Geld wert und glänzt mit einer guten Dämpfung.
Tuning-Tipp: Tipp an den Hersteller: Bitte verbaut in Zukunft eine kleinere Übersetzung, die der vergleichsweise geringen Motorenpower gerecht wird.
Das FLYER Upstreet reagiert sehr bereitwillig auf Lenkimpulse und verlangt in bestimmten Situation nach einer gewissen Fahrerfahrung. Bei hoher Geschwindigkeit will das feinfühlige Bike mit viel Gespür eingelenkt und durch die Kurven geführt werden. Bei niedriger Geschwindigkeit hingegen lässt sich das Upstreet auch für Einsteigerinnen und Einsteiger ohne Weiteres intuitiv fahren. Bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten, sprich im Stand oder schiebend, ist neben der mangelhaften Schiebehilfe auch die restliche Handhabung des Bikes vergleichsweise schwierig. Durch das hohe Gewicht von 32 kg und die hecklastige Verteilung ist es im Alltag alles andere als handlich. Das FLYER Upstreet6 7.10 HS eignet sich ausschließlich dann, wenn ihr auf dem Weg zur Arbeit kaum Anstiege bezwingen müsst, ohnehin nie offroad fahrt und ein Bike mit großem Akku zum Pendeln sucht, das in der Ebene Tempo machen kann.
Unser Fazit zum FLYER Upstreet6 7.10 HS
Das FLYER Upstreet6 7.10 HS ist mit dem großen Akku und Heckmotor prädestiniert für lange Fahrten in der Ebene und hält dort ohne Anstrengung die Reisegeschwindigkeit von 45 km/h. Bei Hügeln wird das S-Pedelec aber schnell verlegen und tritt an Bergen fast komplett in den Streik. Zudem lässt es sich nur störrig schieben und die Kabelverlegung an der Front fällt chaotisch aus. Dadurch kann das Upstreet6 nur in einem vergleichsweise spitzen Einsatzbereich punkten und hat in unserem Test leider enttäuscht.
Tops
- einer der größten Akkus im Test
- sehr gute Motorenabstimmung für die Ebene
- übersichtliches FIT D1-Display mit Komoot-Einbindung
Flops
- schwaches Ansprechverhalten bei niedriger Kadenz oder aus dem Stand heraus
- schwierige Handhabung im Stand und beim Schieben
- chaotische Zug- und Kabelverlegung in der Front
- zu geringe Bandbreite der Gangschaltung für das gegebene Drehmoment
- vergleichsweise spitzer Einsatzbereich
Fahrertyp
6Mehr Informationen findet ihr unter flyer-bikes.com
Das Testfeld
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Alle Bikes im Test: Ampler Stout (Zum Test) | Brompton M6L Cloud Blue (Zum Test) | Cannondale Topstone Neo Carbon Lefty LE (Zum Test) | Canyon Commuter:ON 7 (Zum Test) | Diamant Juna Deluxe+ (Zum Test) | FEDDZ E-Moped (Zum Test) | FLYER Upstreet6 7.10 HS | Haibike Trekking 9 (Zum Test) | Kalkhoff Endeavour 5.B Excite+ (Zum Test) | MERIDA eBIG.TOUR 700 EQ (Zum Test) | MERIDA eONE SIXTY 10K (Zum Test) | Moustache Samedi 27 Xroad FS 7 (Zum Test) | Movea Modo 20” (Zum Test) | Riese & Müller Homage GT Rohloff HS mit DualBattery (Zum Test) | Riese & Müller Packster 70 Vario (Zum Test) | Riese & Müller Roadster Touring (Zum Test) | Schindelhauer Arthur VI/IX (Zum Test) | Specialized Turbo Vado SL 5.0 EQ (Zum Test) | VanMoof X3 (Zum Test)
… oder auch: die regelmäßigen Langstreckenpendler*innen. Die übliche Pendelstrecke beträgt hier über 15 km pro Richtung und der Alltagsnutzung steht dabei klar im Vordergrund. Das E-Bike kommt als Fortbewegungsmittel, als echte Alternative zum Zweitwagen oder zum ÖPNV zum Einsatz. Praktikabilität, Zuverlässigkeit und ein hoher Nutzwert schlägt bei diesem E-Biker*innen-Typ den ultimativen Bling-Faktor, denn das E-Bike wird in weiten Teilen aus Überzeugung genutzt.↩
Dieser E-Biker*innen-Typ vereint E-Bike-Profis und Early-Adopter*innen sowohl aus der Fashion- als auch aus der Tech-Szene. Als hippe Trendsetter*innen wissen sie genau, wie man mit viel Style unterwegs ist. Sci-Fi, Hi-Fi, Wi-Fi – hier blicken sie genau durch und bespielen die digitale Klaviatur problemlos im Halbschlaf. Mit einem leichten Hang zum exzentrischen Ausleben ihrer Passionen stehen emotionale Entscheidungen vor den rationalen.↩
Mal eben die Kids in den Kindergarten, danach auf den Wochenmarkt und später noch im Getränkemarkt einen Kasten Selters holen – für diesen E-Biker*innen-Typ alles kein Problem und das auch ohne Auto. Wer sich hier wiederfindet, liebt es zu kombinieren: Rationale und emotionale Beweggründe gehen Hand in Hand, denn es wird aus Überzeugung und mit einer klaren Vision und Mission in ein passendes Gefährt investiert.↩
… wohnen in einer sogenannten 15-Minuten-Stadt wie beispielsweise Paris. Das heißt, dass alle Dinge des täglichen Bedarfs in einem Radius von 15 Minuten per Fuß oder E-Bike erreichbar sind. Für kurze Strecken unter 2 km scheuen sie sich nicht davor, auch einfach mal zu laufen. Bei mittelweiten Distanzen bis zu 10 km steigen sie selbstverständlich aufs Bike. Alle Strecken, die weiter sind, erledigen sie spielerisch mit dem Mobilitätsmix aus ÖPNV und Bike. Kurzstrecken-Biker*innen sind aktive, sportliche Menschen, die sich nie festlegen wollen, einen flexiblen Lebensstil pflegen und sich gerne von Impulsen inspirieren lassen. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse haben sie häufig kein Auto und wenn doch, kommt es überwiegend für den Genuss zum Einsatz.↩
Sie sind die E-Biker*innen mit der größten Bike-Erfahrung und kommen häufig aus dem sportiven Bike-Bereich. Wir fassen hier alle Mountainbiker*innen und Trailshredder*innen zusammen sowie Rennrad-Fans, Strava-Held*innen und Hobby-Touren-Fans mit Vorliebe für (ländliche) Ausflügen ins Umland und vor die Stadttore. Für den täglichen Weg zur Arbeit ziehen sie sich in Sportbekleidung um, denn der Commute wird direkt mit der Fitness-Einheit kombiniert – geduscht wird dann am Zielort. Ihr Bike muss sowohl unter der Woche fürs Pendeln herhalten als auch für die Touren am Wochenende und ist somit Fortbewegungs- und Transportmittel sowie Sportgerät in einem.↩
In diesem Artikel erfährst du mehr zu den verschiedenen Fahrertypen: Hier klicken! ↩
Words: Aaron Steinke Photos: Valentin Rühl