Picasso auf Pedalen: Das Voltaire Legendre-City-Bike mit Retro-Look im Test

Kein Wein, Baguette oder Käse, sondern ein City-E-Bike der Franzosen. Der Hersteller Voltaire präsentiert sein neues Stadtrad im Portfolio: das Voltaire Legendre. Eine Hommage an die Vergangenheit, gepaart mit moderner Technik. Das Legendre vermittelt einen Retro-Look, doch fährt es sich auch wie ein Rad aus vergangenen Zeiten?

Hört man den Namen des Herstellers Voltaire, ruft das in der Regel Assoziationen mit dem französischen Schriftsteller aus dem 18. Jahrhundert hervor und nicht unbedingt mit dem 2019 gegründeten Fahrradunternehmen aus der gleichen Region. Der junge Hersteller aus der Hauptstadt des Landes ist zwar nicht so bekannt wie sein historischer Namensvetter, spielt dafür aber seit neuestem in der Bike-Branche groß mit. Passend zum Modellnamen hat das Voltaire-Office seinen Sitz natürlich auch in der „Rue Legendre“ in Paris – wo sonst? Das Start-up erweitert mit dem Legendre die Produktpalette, die zuvor aus den beiden Tiefeinsteiger-Modellen Bellecour und Courcelles bestand. Bereits jetzt wird deutlich, dass das Etikett der Franzosen sorgfältig gewählt ist und Voltaire auf kulturelle Ästhetik setzt. Das spiegelt sich auch im Legendre wider, denn äußerlich beeindruckt das elektrifizierte Stadtrad mit seinem Retro-Look und versucht dabei, moderne Technik geschickt zu integrieren. Der MIVICE M070-Nabenmotor, moderne Scheibenbremsen und ein wartungsarmer Riemenantrieb stehen stellvertretend für den technologischen Fortschritt am zeitlosen Legendre. Das stilvolle City-E-Bike gibt es in der von uns getesteten Variante bereits für 2.390 € und bringt ein Gesamtgewicht von 21,3 kg auf die Waage.

Der Picasso unter den City-Bikes? Was macht das Voltaire Legendre so besonders?

Die Pariser bringen mit dem Legendre ihr erstes City-E-Bike mit Diamantrahmen heraus, der ebenso wie die Starrgabel aus geschweißtem Aluminium gefertigt ist. Die Proportionen des Rades sind durchdacht und die von uns gewählte Graphite-Grey-Lackierung verleiht dem City-E-Bike eine zeitlos-elegante Retro-Optik. Besonders auffällig sind die glänzenden Chromdetails, darunter Bremshebel, Sattelklemme, Schutzbleche, Felgen und sogar der Nabenmotor, die in Kombination mit dem Leder-Dekor das schicke Design unterstreichen. Der Retro-Stil wird dadurch gekonnt betont und das Fahrrad erinnert an eine vergangene Ära mit modernen Akzenten. Allerdings gibt es auch Aspekte, die Raum für Verbesserung bieten. Die Kabelverlegung schmälert die schöne Optik, denn die ist am Legendre noch etwas unaufgeräumt. Insbesondere das offene Sitzrohr am Tretlager, das ohne Abdeckung auskommt, erscheint als kleine Designlücke. Hier wäre eine durchdachte Lösung wünschenswert, um die Gesamtoptik abzurunden. Generell fällt das kräftige Sitzrohr am City-E-Bike sofort ins Auge. Vorteilhaft wäre, es besser mit dem Gesamtdesign harmonieren zu lassen. In der Umsetzung gestaltet sich das aber schwierig, denn das Team von Voltaire versteckt den Akku, wie an all seinen Bikes, im Inneren des Sitzrohrs.

Tuning-Tipp: Wer stärkere Bremsen findet, die optisch in das Konzept des Bikes passen, kann die Bremsperformance upgraden

Das Motorsystem des Voltaire Legendre

Voltaire setzt am Legendre auf den chinesischen Motorenhersteller MIVICE, dessen M070-Motor im City-Bike Verwendung findet. Der Nabenmotor mit nominal 35 Nm soll sich laut Voltaire aber wie 65 Nm anfühlen. Ein Drehmomentsensor in der Kurbelgarnitur misst, mit wie viel Kraft man in die Pedale tritt, und teilt dem Motor mit, wie viel Kraft er beizusteuern hat. Der Belt Toptrans System-Riemenantrieb reicht die Kraft anschließend weiter an das 85 Zähne große Kettenblatt vorne und an das einzige Kettenblatt hinten. Voltaire verzichtet am Legendre somit auf eine klassische Gangschaltung. Stattdessen setzt der Hersteller auf ein Singlespeed-Konzept, das dank verbautem Riemenantrieb eine wartungsarme Handhabung verspricht und gleichzeitig eine sehr hohe Übersetzung besitzt.

Gespeist wird der Motor vom eigenentwickelten Voltaire-Akku, der sich im Sitzrohr des City-Bikes versteckt und in Summe 360 Wh Kapazität aufweist. Vergleicht man die Kapazität des Legendre mit anderen City-Bike-Akkus, wie dem von uns getesteten SIMPLON Kagu Pinion, das doppelt so viel Kapazität besitzt, ist das vergleichsweise wenig Kapazität. Je nach Fahrweise, vor allem in hügeligen Gegenden mit voller Leistung, muss also mit einem Ladestopp vor der Abendröte gerechnet werden. Vorteilhaft wäre hier ein Range-Extender, um die Reichweite zu erhöhen. Will man den Akku wieder aufladen, kann das entweder im verbauten Zustand erfolgen oder man löst den Hebel unter dem Sattel und öffnet so die Akkuabdeckung. Zieht man nun an der zum Vorschein kommenden Schlaufe, lässt sich der Akku aus dem Sitzrohr bequem entnehmen. Um den Akkustand im Blick zu behalten, montiert der Hersteller das 1,3″ große MIVICE OLED-Display, das gleichzeitig auch als Remote dient. Das auf den ersten Blick einer Apple Watch ähnelnde Display ist in seiner Qualität scharf, gut ablesbar und wirkt hochwertig. Auch der beim Einschalten erscheinende Voltaire-Schriftzug gefällt uns sehr. Mit zwei Tasten am Displayrand können die Einstellungen konfiguriert und geändert werden. Mit der verbauten Remote lassen sich die Unterstützungsstufen wählen, die in Stufe 1, Stufe 2 und in die Maximalstufe gegliedert sind und den Fahrer selbst entscheiden lassen, wie viel Kraft der Motor zusteuern soll. Unauffällig, und in Form eines an einen Lichtschalter erinnerndes Bedienungskonzepts, sitzt die Remote direkt unterhalb des Displays.

Wer sich alle Fahrinformationen, wie Gesamtkilometer oder verbrannte Kalorien anzeigen lassen will, kann sich zusätzlich die Voltaire-App herunterladen und mit dem Rad koppeln. Wir hatten leider Verbindungsprobleme beim Einrichten der App. Auch das Sperren des Motors soll über die App funktionieren. Zusätzlich erhält man eine Benachrichtigung, wenn das City-E-Bike ohne eigenes Wissen bewegt wird, so der Hersteller.

Stilvoll durch die Stadt? – Die Ausstattung des Voltaire Legendre

Bevor man sich mit dem Voltaire Legendre in den hitzigen Stadtverkehr begibt, wirft man einen Blick auf die Kleiderordnung des eleganten City-E-Bikes. Auf der Hersteller-Website stößt man auf eine einzige Rahmengröße, die für Fahrer von 1,70 m bis 2,00 m geeignet ist. Die Grundausstattung ist bewusst einfach gehalten und ab 2.390 € erhältlich. Doch keine Sorge bezüglich der Ausstattung – der Hersteller bietet einen Konfigurator, mit dessen Hilfe man das Bike mit weiteren Anbauteilen ausstatten kann.

Im Konfigurator stehen vier dezente Farben zur Auswahl, die ohne zusätzliche Kosten verfügbar sind. Wer das City-E-Bike ordentlich vollpacken will, braucht Staufläche. Ein Front-Gepäckträger für 95 € mit einer maximalen Zuladung von 10 kg und einen hinteren Gepäckträger für 199 € mit einer Zuladung von 27 kg bieten genug Platz für Stauraum. Wer seinem Kind die Fahrt auf dem Voltaire Legendre nicht vorenthalten will, kann für 99 € einen extra Kindersitz auswählen. Ein Zusatz-Akku – im Konfigurator für 449 € zu haben – kann als Wechsel-Akku dienen, falls dem Legendre der Strom ausgeht. Als Range-Extender dient dieser jedoch nicht und der 2,5 kg schwere Akku müsste Platz im Rucksack finden, da es keine Halterung am Rahmen für die Integration eines zusätzlichen Akkus gibt. Ein Versicherungspaket kann für 1 Jahr (209 €), 2 Jahre (409 €) oder 3 Jahre (539 €) erworben werden und bietet innerhalb der ersten beiden Jahre nicht nur Entschädigung in Höhe des Kaufwerts , sondern greift auch bei Diebstahl und Rahmenbruch – gegen eine minimaler Selbstbeteiligung.

Betrachtet man das Legendre, fällt sofort auf, dass die Franzosen viel Wert darauf gelegt haben, die Ausstattung optisch rund zu gestalten. Die TEKTRO-Bremsen in passendem Chrom, kombiniert mit 160-mm-Bremsscheiben, sollen nicht nur sicherheitsbewusst wirken, sondern auch stilvoll glänzen. Die Mach1-Felgen mit 28 Zoll in derselben Farbnuance harmonieren mit den 1,75 Zoll Schwalbe Road Cruiser Plus-Reifen und den edlen Ledergriffen sowie dem lederfarbenen Sattel. Die PARAFANGHI BASTIA-Schutzbleche in Chrom integrieren geschickt das 4-Punkt-LED-Rücklicht, während der LED-Scheinwerfer an der Front mit 100 Lux für eine blendfreie Beleuchtung sorgt. Abgerundet wird die Vollausstattung durch den AtranVelo-Zweibeinständer und die Crane-Klingel aus Japan, die als schickes Detail am Lenker hervorsticht.

Blickfang auf den Boulevards! Doch wie performt das Legendre auf der Asphaltbühne?

Die glänzende Optik des Voltaire Legendre verspricht einen ebenso glänzenden Praxiseinsatz – doch wie fährt es sich im hektischen Stadtverkehr? Das City-E-Bike mit seiner aufrechten und kompakten Sitzposition bietet nicht nur eine stilvolle Fortbewegung, sondern auch eine gute Übersicht im Verkehrsgeschehen. In der aufrechten Sitzposition lastet zwar mehr Gewicht auf dem Sattel, der durch seine breite Auflagefläche jedoch ein komfortables Fahren ermöglicht. Die 1,75″ breiten Schwalbe Road Cruiser-Reifen schaffen es, mit dem Cockpit und der Starrgabel zusätzlich kleine Unebenheiten auszumerzen. Schlaglöcher und hohe Bordsteinkanten sollten mit dem Voltaire Legendre aber vermieden werden und an Gravel- und Schotterstraßen-Touren ist hier gar nicht erst zu denken. Auch der 600 mm breite Lenker mindert den Fahrkomfort etwas, denn der ist für manche Fahrer schlichtweg zu schmal. Der Lenker bietet zudem nur einen kurzen Hebel, sorgt zusammen mit der etwas schwammigen Front dennoch für ein recht präzises Fahrverhalten. Die PARAFANGHI BASTIA-Schutzbleche bieten nur begrenzt Reifenfreiheit, und wer beispielsweise Rollsplitt von der Fahrbahn aufsammelt, muss sofort mit nervigen Schleifgeräuschen rechnen – au revoir zu einer ruhigen Ausfahrt.

Trotzdem hat man auf dem Voltaire Legendre ordentlich Fahrspaß, vor allem durch die Performance des Motors. Denn der MIVICE M070-Motor verleiht dem City-Bike einen spritzigen Fahrstil und eine angenehme Leichtigkeit. Mit 21 kg Gesamtgewicht bewegt sich das Legendre agil und erreicht auf der Geraden oft die 25 km/h-Grenze. Obwohl die versprochenen 65 Nm nicht spürbar sind, schiebt der Motor kraftvoll über Hügel und gleicht die hohe Übersetzung des Singlespeed-Antriebs, die ohne Unterstützung viel Kraft benötigen würde, gut aus. Das nicht ganz so natürliche Nachschieben des Motors beim Nachlauf ist zwar spürbar, stört im Betrieb jedoch kaum. Besonders erfreulich ist die Maximalstufe des Motors, in der man am meisten Fahrspaß erhält, während die ersten beiden Unterstützungsmodi etwas schwach sind.

Fahrspaß wird auf dem Voltaire Legendre nicht nur durch den Motor vermittelt, denn eine Fahrt gleicht hier einem Akt der Selbstinszenierung. Das City-E-Bike wird zum künstlerischen Ausdruck, vergleichbar mit Picassos kreativer Meisterschaft, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mit dem Legendre geht es nicht allein darum, von A nach B zu gelangen, sondern vielmehr darum, inmitten des städtischen Geschehens als Kunstwerk zu glänzen. Stylische Fortbewegung im urbanen Raum, die sich gekonnt in die Tradition großer künstlerischer Statements einreiht!

Die verbauten Vorder- und Rückleuchten sind für den Stadtverkehr ausreichend, bieten aber keine hohe Leuchtstärke für Nachtfahrten auf unbefestigten Straßen. Das Handling des Legendre ist leicht schwammig und indirekt und daher nichts für den schnellen Stop-and-go-Verkehr. Bei schnellen Kurvenfahrten und sportlichem Fahrstil stößt das City-E-Bike dann an seine Grenzen. Insbesondere das Einlenken erfordert Aufmerksamkeit, denn Fahrer mit großen Füßen bleiben schnell am Schutzblech des Vorderreifens hängen.

Die Bedienung des Stadtrads ist einfach, es etabliert sich schnell ein Hop-on-Hop-off-Gefühl. Der Riemenantrieb ermöglicht eine wartungsfreundliche Bedienung und der Doppelständer erleichtert das Aufsitzen von Kindern auf den optional erhältlichen Kindersitz. Zudem empfiehlt es sich, den Gepäckträger im Konfigurator für größere Einkäufe einzuplanen.
Die begrenzte Akku-Kapazität reduziert die Reichweite des City-E-Bikes merklich, besonders bei voller Beladung und in der Maximalstufe. Ein Einkauf bis in die nächste Ortschaft ist damit wohl nicht drin und es reicht nur bis zum örtlichen Supermarkt.

Für wen ist das Voltaire Legendre das richtige City-E-Bike?

Voltaire richtet sich mit dem Legendre an Fahrer, die viel Style für kleines Geld bekommen wollen und großen Wert auf Stil und Ausdruck legen. Junge Kunst- und Architekturstudenten in großen Metropolen oder auch urbane Liebhaber finden im Legendre einen schicken Begleiter, der ein sorgloses Konzept mit sich bringt.

Das Fazit zum Voltaire Legendre

Das Voltaire wirkt durch sein durchgestyltes und ansprechendes Design auch auf Asphalt vielversprechend. Den hohen Erwartungen kann es in der Praxis aber nicht ganz gerecht werden, denn mit zu schwachen Bremsen, schleifenden Schutzblechen und schwammigem Handling kann es in puncto Performance nicht abliefern. Wer aber an schönen Tagen eine stilvollen Begleiter sucht, kann das Retro-Bike unter der Einschränkung auf geteerten Straßen ausführen. Das Voltaire Legendre ist aufgrund des fairen Preises zwar kein Statussymbol, durch den edlen Look aber trotzdem ein Statement, das nach außen getragen wird.

Für mehr Infos besucht Voltaire.bike

Words: Benedikt Schmidt Photos: Antonia Feder