Bei Dolce Vita, Gelato und Ferrari denkt jeder sofort an Italien – das gilt genauso auch für den Fiat 500. Mit dem neuen Fiat 500e 3+1 wollen die Turiner eine Legende nicht nur elektrifizieren, sondern auch neu interpretieren und greifen dafür tief in die Trickkiste. Ob das gelingt und warum der Fiat 500e 3+1 ICON Opern-Gene besitzt, erfahrt ihr in unserem Test!

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Fiat 500e 3+1 ICON | 87 kW | 42 kWh | 190-320 km | 3+1 Türer | ab 36.990,00 € | Testwagenpreis 42.990,00 € | Hersteller-Website

Wie Pizza, Pasta und Gelato – der Fiat 500e ist bei den Italienern genauso beliebt und daher das meistverkaufte Elektroauto im Stiefelstaat. Kaum verwunderlich, denn die schnuckelige Knutschkugel prägt seit eh und je das Straßenbild Italiens. Das erste 500er-Modell erblickte bereits 1957 das Licht der Welt – simple Technik, Platz für bis zu 4 Erwachsene und das auf weniger als 3 Metern Länge. Bis 1977 wurden fast 4 Millionen Exemplare hergestellt und sicherlich zum Mobilitätsgaranten für so manchen Italiener. Nach 30 Jahren Pause wurde der Fiat 500 im Jahre 2007 wieder neu aufgelegt und in die Moderne geholt. 2020 machten die Turiner den Schritt in die Elektrifizierung, damit ist der neue Fiat 500e das erste Elektroauto von Fiat. Mit seinem benzingetriebenen Pendant hat er außer der knuffigen Optik nichts gemeinsam, denn er steht auf seiner eigenen, gänzlich neu entwickelten Plattform und ist ab 27.710 € zu haben. Doch nicht so schnell – wie passt das neue Elektro-Zeitalter mit dem Charme eines Kleinstwagens aus den 50ern zusammen? Fiat musste schon sehr tief in die Trickkiste greifen, um dem Elektrogefährt italienisches Flair und Lebensgefühl einzuhauchen.

Back to the 50’s – das Design des Fiat 500e 3+1 ICON

Auch wenn der Fiat 500e vollkommen neu ist, katapultiert er uns zurück ins Jahr 1957 – zumindest teilweise. Die Designer haben es beim Fiat 500e 3+1 geschafft, den Charme des Kultautos durch Design-Elemente in die Moderne zu transportieren. So prägen – wie auch schon in den Anfängen – geschwungene Linien die Karosserieform, obgleich sie insgesamt etwas gewachsen ist. Unser Testwagen in der Ausstattungsvariante ICON für 36.990 € kommt in dezentem himmelblau und ist in vielen weiteren von der Natur inspirierten Farben erhältlich. Das Style-Paket für 2.000 € wertet das Auto durch verchromte Zierleisten und größere 17”-Leichtmetallfelgen nochmals auf. Dass der Fiat 500e nicht zu sehr in der Vergangenheit hängen geblieben ist, zeigt das Tech-Paket für weitere 2.000 €, das dem Italo-Stromer eine Vielzahl an Sicherheits- und Komfort-Features spendiert. Neben unserer Ausstattungsvariante ICON sind noch zwei weitere Varianten, RED und La Prima by Bocelli, erhältlich. Der Fiat 500e RED kommt, wie der Name schon vermuten lässt, in einer roten Außenlackierung und einem Innenraum mit roten Akzenten. Das Top-Modell La Prima by Bocelli zeichnet sich vor allem durch ein JBL-Audiosystem aus, das mit dem (Opern-)Sänger, Songwriter und Produzent Andrea Bocelli abgestimmt wurde.

Wohin man auch blickt, sind am Fiat 500e viele Chrom-Applikationen zu finden.
Die 17“-Leichtmetallfelgen werten die Optik zusätzlich auf.

Aber nicht nur das Klangerlebnis im Innenraum ist ein wichtiges Thema, auch der E-Sound ist für die Wertwahrnehmung wichtig. Summen die meisten Elektroautos wie Raumschiffe (cool!) oder Golfcarts (lame!) durch die Straßen, geht der Fiat 500e einen anderen Weg. Er legt einen filmreifen Auftritt hin und könnte es sogar mit manchen Opernsängern aufnehmen, denn er spielt beim ersten losfahren nach dem Motorstart eine arien-artige Melodie. Doch so toll diese Arie anmutet, so ernüchternd – und nicht zu Ende gedacht – ist das restliche Sound-Erlebnis des italienischen Stadtflitzers. Der Antriebs-Sound des Motors ist innen wie außen sehr dezent, fast schon schüchtern. Ganz und gar nicht filmreif ist zudem die Betriebssystem-Melodie beim Starten des Elektroautos, hier fühlt man sich eher wie im Fahrstuhl als in der Oper.

Eleganz trifft auf Technik – der Innenraum des Fiat 500e 3+1

Auch wenn die meisten Autos in ihren Außenmaßen immer weiter wachsen, ist der Fiat 500e mit seinen Abmessungen von 3,6 x 1,7 x 1,5 m trotzdem relativ klein, bietet aber genug Platz für zwei Erwachsene, zumindest vorne. Dazu trägt unter anderem die neu designte Mittelkonsole bei, die für ein geräumig-großzügiges Raumgefühl sorgt und viel Stauraum bietet. Im Innenraum trifft Eleganz auf Technik, denn die geschwungene Karosserieform von außen wird im Innenraum durch in Wagenfarbe lackierte Kunststoffschwünge weitergeführt. Zentral im Armaturenbrett ist ein induktives Ladefach für Smartphones integriert. Die Insassen nehmen auf Sitzen mit Stoffbezügen Platz, die laut Fiat zum Teil aus recycelten Materialien hergestellt wurden.

Call the Pizza-Blitz? No, mit dem Fiat 500e 3+1 ICON düst man auch gerne selbst los, um eine leckere Pizza abzuholen – und erntet Street-Credibility-Punkte beim Pizzabäcker des Vertrauens.
Dank des im Armaturenbrett integrierten induktiven Ladefachs muss man beim Aussteigen nicht lange nach dem Smartphone suchen
Die Stoffbezüge der Innenausstattung sollen zum Teil aus recyceltem Material hergestellt worden sein.

Wer im Innenraum nach dem Türgriff sucht, greift ins Leere. Auch der Spruch „Sesam öffne dich“ bewirkt nichts. Die Tür lässt sich nämlich nur über einen elektrischen Knopf an der Türverkleidung öffnen. Sollte die Elektrik doch mal ausfallen, kann die Türe immerhin über einen Notgriff geöffnet werden.

Überhaupt fallen beim Umherschweifen immer wieder besondere Details auf, wie etwa ein kleines, in der Armlehne verstecktes Fiat 500-Relief des Ur-Modells . Den Fiat 500 gibt es in verschiedenen Karosserie-Varianten: normaler 3-Türer, Cabrio und – wie unser Testfahrzeug – als 3+1-Modell. Das +1 steht für die Halbtüre, die sich hinter der Beifahrertür befindet und das Einsteigen in den Fond erleichtert. Leider bringt das leichte Einsteigen kaum etwas, denn große Mitfahrer haben hinten nur sehr wenig Platz. Da die hintere Sitzbank eher als Notsitz dient, taugt der Fiat 500e nicht zum waschechten Viersitzer. Dafür haben vorne auch große Fahrer reichlich Platz, das abgewinkelte Lenkrad generiert zusätzlich Beinfreiheit, da es beim Einlenken nicht an den Beinen anstößt. Für den Großeinkauf im Getränkemarkt bietet der 185 Liter große Kofferraum zwar nicht genug Platz, aber zwei Kisten für den gemütlichen Grillabend zu zweit passen rein. Falls dann doch noch mehr mit soll, können die Rücksitze umgeklappt und der Laderaum auf 550 Liter erweitert werden. Leider schwindet das Kofferraumvolumen durch das Ladekabel, das im Kofferraum verstaut werden muss. Praktischer Frunk? – Fehlanzeige!

Die Halbtüre erleichtert zwar das Einsteigen in den Fond enorm, leider haben große Mitfahrer auf der Rücksitzbank trotzdem sehr wenig Platz.
Auf einen Türgriff verzichtet der Turiner, die Tür wird durch Drücken eines elektrischen Knopfes entriegelt.
Der Kofferraum bietet mit seinen 185 Litern Ladevolumen gerade genug Platz für das Nötigste. Leider hat der Fiat 500e keinen Frunk, so muss das Ladekabel im Kofferraum verstaut werden.

So hektisch wie ein Fahranfänger – teilautonomes Fahren und weitere Assistenzsysteme im Fiat 500e 3+1 ICON

Kultauto hin oder her, auch Fiat geht mit der Zeit und spendiert dem neuen 500e einige elektronische Helferlein. Das Tech-Paket für 2.000 € beinhaltet Spurhalteassistent, Abstandstempomat sowie Schildererkennung. Heutzutage sind Assistenzsysteme aus Autos nicht mehr wegzudenken, dennoch gibt es große Unterschiede in der Funktionsweise. Die Assistenz- und Sicherheitssysteme sollen die Fahrt stressfreier und vor allem sicherer machen, aber beim Fiat 500e hat man eher das Gefühl, mit einem hektisch-aufgeregten Fahranfänger mitzufahren (Softwarestand: FCA-MY21.R17.101-PROD). Der Spurhalteassistent und der Abstandstempomat regeln sehr grob und unpräzise: Der Spurhalteassistent nähert sich dem Fahrbahnrand stark an und erkennt gerade in Baustellen bei mehreren Fahrbahnmarkierungen die Spuren nicht. Der Abstandstempomat steigt bei knapp einscherenden Fahrzeugen unsanft auf die Bremse, und im zäh fließenden Berufsverkehr muss man selber anfahren, da der Fiat keine Stop and Go-Funktion besitzt. Die Helfer greifen nur in Extremfällen ein und überraschen dann fast schon, aber im Vergleich zum fast doppelt so teuren KIA EV6 GT-Line greifen sie zumindest zuverlässig ein, sodass man bei unachtsamer Fahrweise tatsächlich eine Art digitalen Schutzengel auf der Schulter beziehungsweise im Auto sitzen hat.

Auch wenn der Spurhalteassistent und der Abstandstempomat relativ grob regeln und man das Gefühl hat, bei einem Fahranfänger mitzufahren, greifen die Assistenzsysteme in Extremfällen ein. So hat man bei unachtsamer Fahrweise immer einen Schutzengel dabei.

Bedient wird fast alles über das zentral angebrachte Touch-Display am Armaturenbrett. Das Display ist recht vollgepackt mit zahlreichen Icons, die einen ähnlich schnell überfordern wie eine zu große Auswahl an Eissorten bei der Gelateria. Zudem sind die Icons sehr klein, und man muss genau zielen, um den richtigen Menüpunkt zu treffen. Gerade, wenn man ohne Beifahrer unterwegs ist, kann die Bedienung ablenken und gefährlich sein. Aber nicht alles muss über den Touch-Bildschirm bedient werden, denn der Fiat bietet einen guten Mix aus analogen Direktwahltasten und Touch-Flächen. Für die Klima- und Lüftungsanlage sind zentral angeordnete Schalter unter dem Armaturenbrett zu finden, die ein fummeliges Suchen in den Tiefen der Menüs verhindern. Auch die Lautstärke der Sound-Anlage lässt sich entweder über einen Drehregler oder per Tasten am Lenkrad einstellen. Egal, ob Apple oder Android, der 500e bietet für beide Systeme eine Unterstützung durch Apple CarPlay und Android Auto an. Im Vergleich zum KIA EV6 GT-Line oder dem Polestar 2 ist kein Kabel nötig, und das automatische Verbinden klappt auch beim Wiedereinsteigen einwandfrei.

Reichweite, Laden und Navigation – das kann der Fiat 500e 3+1

Der elektrifizierte 500 soll laut Fiat bis zu 320 km (WLTP) bei einem Verbrauch von 15,6 kWh pro 100 km schaffen. Ist der 42 kWh-Akku dann leer, sollen laut Hersteller 50 km in einer Ladezeit von nur 5 Minuten realisierbar sein. Maximal kann der Akku mit bis zu 85 kW geladen werden. Das entspricht aber nur der Spitzenleistung, die der Akku in einem kleinen Zeitraum aufnehmen kann. Um den Stromspeicher zu schonen und möglichst viele Ladezyklen zu ermöglichen, ist die durchschnittliche Ladeleistung um ein Vielfaches niedriger. Ab circa 30 % SoC (state of charge) wird die Leistung schrittweise reduziert. So braucht er laut Hersteller bis 80 % rund 35 Minuten, bis 100 % in Summe eine knappe Stunde. Wer zu Hause eine Wallbox sein Eigen nennt, kann den Italiener mit bis zu 11 kW laden. Dann dauert eine Vollladung etwas über 4 Stunden.

Steht eine längere Etappe bevor, weist das Navigationssystem darauf hin, dass die Akkuladung dafür nicht ausreicht. Allerdings werden dann nur Ladesäulen in der näheren Umgebung vorgeschlagen. Hier wünschen wir uns eine smartere Software, die einen Schritt weiter denkt und eine Ladesäule entlang der Route sucht, damit die volle Reichweite wirklich ausgenutzt werden kann. Für weniger Ablenkung kann das Navi nicht nur am großen Hauptdisplay, sondern auch im Tachoinstrument angezeigt werden. Ziele werden über die gute Sprachsteuerung sofort erkannt, lediglich das wiederholt nötige Bestätigen von Befehlen kann nicht nur nervig sein, sondern auch ablenken.

Testbericht Fiat 500e 3+1 ICON – was kann der italienische Charmeur auf der Straße?

Der Fiat 500e hat Charme, keine Frage. Doch wie schlägt er sich auf der Straße? Bevor es auf die Piste geht, muss der Fiat über einen Startknopf eingeschaltet werden. Allerdings lässt uns das Auto im Ungewissen, ob man jetzt wirklich losfahren kann, da der Knopf 1 bis 2 mal gedrückt werden muss, bis das Fahrzeug startet. Dasselbe gilt für die Feststellbremse, die manuell vor dem Losfahren gelöst werden möchte. Somit sind viele Schritte notwendig, bis man überhaupt losfahren kann – bei anderen Elektroautos reicht oft nur Aufschließen, schon ist es fahrbereit. Gerade im hektischen italienischen Stadtverkehr möchte man es möglichst schnell in die kleine Lücke des Kreisverkehrs schaffen. Gut, dass wenigstens der 87 kW starke Synchronmotor flink reagiert. Auch die Gangwahlknöpfe sind direkt im Sichtbereich platziert, was ein schnelles Wechseln der Gänge und ein zügiges Ein- und Ausparken ermöglicht.

Mit dem e-Mode-Schalter an der Mittelkonsole hat man die Macht über die verschiedenen Fahrmodi: Normal, Sherpa, Turtle und Range. Während sich unter Normal wohl jeder etwas vorstellen kann, bedürfen Sherpa und Range hingegen einer genaueren Erklärung. Der Sherpa-Modus aktiviert nicht etwa plötzlich die Fähigkeit, mit dem Fiat 500e den Mount Everest bezwingen zu können, sondern ist darauf ausgelegt, maximal Akku zu sparen, wenn dessen Kapazität zur Neige geht und regelt dafür die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herunter und deaktiviert stromhungrige Verbraucher wie Sitzheizung oder Klimaanlage. Der Turtle-Modus wird automatisch aktiviert, wenn die Restreichweite weniger als 24 km beträgt und fährt dabei schrittweise immer mehr Verbraucher runter, um Akku zu sparen. Der Range-Modus ist etwas gewöhnungsbedürftig durch die starke Rekuperation, aber nach einer kurzen Eingewöhnungsphase kann man den Stromer im One-Pedal-Drive doch sehr intuitiv fahren.

Man könnte meinen, dass durch die geringe Größe des E-Flitzers eigentlich ein Go-Kart-Feeling aufkommen müsste – tut es aber durch die weiche Lenkung nicht, da sie kein Feedback vom Untergrund liefert. Auch Übersichtlichkeit zählt nicht zu den Stärken des Italieners, denn die dicke B-Säule schränkt die Sicht gerade beim Schulterblick oder Rangieren ein. Dafür ist er für italienische Straßen gemacht! Wankt etwas schneller als ein Smart EQ Forfour, punktet aber insgesamt mit einem komfortablen und weichen Setup – perfekt für den Tanz in italienischen Innenstädten!

Fazit

Fiat hat es geschafft, den 500er mit viel Charme in die Moderne zu transportieren, macht dabei vieles richtig, schafft aber keine stringente Umsetzung aller Details. Das ist beim inkonsequenten Sound-Konzept genauso der Fall wie bei den Assistenzsystemen, die zwar zuverlässig, aber hektisch funktionieren. Dennoch: Mit dem Fiat hat man stets einen Schutzengel dabei. Wer einen sportlichen Kleinwagen mit Go-Kart-Feeling erwartet, wird enttäuscht. Leute, die auf Design, Kult und Italo-Affinität stehen und durch enge Gassen flitzen wollen, finden indes den richtigen Partner!

Tops

  • cooles Design
  • Klassiker gekonnt in die Moderne gebracht
  • flink und wendig
  • ausreichend Reichweite für suburbanen Raum
  • Arie für filmreifen Auftritt

Flops

  • Assistenzsysteme regeln grob und teils hektisch
  • kein Frunk für Ladekabel
  • inkonsequentes Sound-Konzept
  • wenig Sitzplatz im Fond trotz cooler Halbtür

Alle getesteten E-Autos: City Transformer Prototyp | Fiat 500e | Honda e | KIA EV6 | Opel Rocks E | Polestar 2 | Porsche Taycan | Smart EQ Forfour | Tesla Model 3 Dual Motor Long Range | VW ID.3 | VW ID.BUZZ

Words: Mike Hunger Photos: Peter Walker