BYD bringt mit dem HAN den rollenden E-Chefsessel auf Europas Straßen. Eckdaten und Verarbeitung versprechen echtes Oberklasse-Feeling. Müssen sich die German Brands jetzt warm anziehen oder schmeckt der Schampus im BYD hinten rechts doch nicht so gut? Wir haben die große E-Limousine intensiv getestet.
Build Your Dreams – der Slogan ist beim chinesischen E-Auto-Konzern Programm und zeugt vom Selbstbewusstsein und Selbstverständnis, mit dem BYD seine Elektroauto-Flotte nicht nur auf dem heimischen Markt positioniert. Die Flotte wächst stetig und hält schon heute in nahezu jeder Fahrzeugklasse ein Modell bereit. Dennoch wird die Marke BYD vielen noch nicht allzu häufig begegnet sein. Betrachtet man jedoch die Historie des Konzerns, ist es keine große Kunst, dessen Zukunft auch auf den europäischen und amerikanischen Märkten vorauszusagen. Bereits 2015 war BYD der größte Elektroauto-Hersteller der Welt, bis ihm zunächst Nissan und später – was sich bis heute nicht geändert hat – Tesla den Rang abgelaufen haben. Doch während der Musk-Konzern seinen Absatz in 2022 um satte 40 % steigern konnte, stellt die Verdreifachung des weltweiten Verkaufs bei BYD die Tesla-Zahlen absolut in den Schatten.
Beispiel Deutschland: Zum Testzeitpunkt gibt es 12 BYD-Autohäuser – u. a. über die Torpedo Gruppe, die unser Testfahrzeug zur Verfügung gestellt hat – bis 2025 sollen es bundesweit über 100 werden. Zu den bereits erhältlichen Modellen ATTO 3, TANG und HAN sollen sich 2023 noch zwei weitere Modelle namens DOLPHIN und SEAL gesellen, um die Palette im unteren Preissegment abzurunden. Dazu kommen 2024 noch der SEAL U und weitere Ausstattungsvarianten des DOLPHIN.
Was BYD und Tesla gemeinsam haben, ist die hauseigene Batterieproduktion. Doch während der Musk-Konzern auf verschiedenste Lithium-Ionen-Zellen setzt, konzentriert sich BYD bei seiner Blade Battery voll auf die Lithium-Eisen-Phosphat-Technologie (LFP). Auf die spezifischen Vor- und Nachteile kommen wir im Kapitel „Reichweite, Laden und Verbrauch“ zu sprechen. Auch Tesla arbeitet an neuen Batterien, wie der Lithium-Mangan-Eisenphosphat-Technik, die im kommenden Basismodell des Model 3 zum Einsatz kommen soll.
Bei unserem Testfahrzeug handelt es sich um das Oberklasse-Modell HAN – benannt nach der Han-Dynastie, einer frühen Hochzeit der chinesischen Kultur. Die klassische Limousine ist mit ihren fast 5 Metern Länge sehr stattlich und lässt bei der Ausstattung nahezu keine Wahl: Es gibt nur volle Hütte, und das zu einem Preis ab 70.805 €, wovon zumindest in Deutschland noch der aktuell gültige Umweltbonus abgezogen werden kann.
Der BYD HAN im Detail – bezahlbarer Luxus auf Rädern
Groß und stattlich – diese beiden Attribute beschreiben den BYD HAN bei der ersten Begegnung ziemlich gut. Die klassische Viertürer-Limousine misst 5 m in der Länge und satte 2,13 m in der Breite. Ein echter Straßenkreuzer also? Nicht unbedingt, denn trotz der üppigen Außenmaße steht der HAN sportlich da – sicher auch ein Verdienst der vergleichsweise geringen Höhe von nur 1,5 m und der recht aggressiv gestalteten Front, die ein wenig an den KIA EV6 erinnert. Überhaupt zeigt der Oberklasse-Wagen aus China gewisse Anleihen bereits bekannter Modelle. Ein bisschen Porsche Taycan am Heck, gepaart mit ein wenig Mustang an der C-Säule – unterm Strich hat der HAN sich dennoch seine Eigenständigkeit bewahrt und überzeugt mit einem gelungenen Design. Besondere Erwähnung haben die Scheinwerfer – BYD nennt sie Streamer – und das Heckleuchtenband verdient, die den HAN besonders nachts optisch noch ein wenig mehr in die Breite ziehen und ihm einen sportlicheren Auftritt verleihen als bei Tageslicht.
Beim Blick ins Innere – nachdem man die spacig aussehenden, ausfahrbaren Türgriffe benutzt hat – fallen unweigerlich der riesige zentrale Bildschirm und der für ein Elektroauto gewaltige „Getriebetunnel“ ins Auge. Womit wir wieder beim Thema Selbstverständnis und Selbstbewusstsein wären … Bei genauerem Hinsehen offenbart sich ein überaus gediegenes Interieur, das perfekt zum Oberklasse-Anspruch passt. Feines braunes Nappa-Leder, wohin das Auge reicht. Dazu schön gemachtes, fast schwarzes, kratzunempfindliches Holzimitat – eine gelungene Farbkombination, die sich im Dunklen dank der Ambientebeleuchtung noch „fein-tunen“ lässt. Die große Klavierlack-Fläche auf dem Beifahrer-Airbag sieht nur im Neuzustand edel aus – Achtung: Fingerabdruckmagnet! Und natürlich gibt es auch ein wenig billigen Kunststoff, der sich aber gut im unteren Teil der Türen und in den Fußräumen versteckt. Im sichtbaren Bereich versprüht der BYD HAN mehr als nur einen Hauch von Luxus und Eleganz. Rundumsicht und Übersichtlichkeit leiden indes unter der schieren Größe des Wagens. Als Fahrschulauto eignet er sich wohl eher nicht 😉
Die Oberklasse-Limousine von BYD macht aber nicht nur optisch was her. Auch bei der Verarbeitungsqualität gibt sich der chinesische E-Autokonzern keine Blöße und erreicht hier ein Niveau, wie man es sonst nur von den deutschen Premium-Herstellern wie Audi, BMW und Mercedes kennt. Vor allem durch das Design und die Haptik kommt im Innenraum fast schon so etwas wie „Nobelkarossen-Feeling“ à la Bentley oder Maybach auf. Der HAN ist wie eine rollende Trutzburg gegen die renommierten Premium-Marken dieser Welt.
Die Ausstattung des BYD HAN: Einmal mit alles!
Aufpreis kosten beim BYD HAN lediglich die beiden Farben Emperor red und Al blue. Davon abgesehen gibt es zwei Editionen. Unser Testwagen kommt in der Version Executive, daneben gibt es noch die Emerald-Edition für 74.375 €, die sich aber nur in drei Punkten von unserem Testfahrzeug unterscheidet: Sitzbezüge aus grünem Velours und Leder sowie Zierelementen aus grünem Carbon. Hinzu kommt, dass die induktiven Smartphone-Ladeschalen 50 statt nur 15 W Leistung liefern.
Die sportlich ausgeformten Frontsitze sind vollelektrisch und bieten beiderseits eine Lordosenstütze. Selbst die Rückenlehnen der Fondsitze lassen sich elektrisch in der Neigung verstellen. Heizung und Kühlung gibt es auf allen vier Sitzen. Dass sich die Gurte auf den Vordersitzen nach dem Anschnallen elektrisch straffen, fühlt sich irgendwie sicher und gut an. Für Menschen ab etwa 175 cm Körpergröße ist das Gestühl sehr komfortabel und bietet reichlich Seitenhalt. Kleinere und zierlichere Personen können aber in unangenehmen Kontakt mit den Sitzwangen kommen, sodass diese auf Oberarme und Schultern drücken. Beim Panorama-Schiebedach geht hingegen kaum mehr. Die große Öffnung lässt eure Haare wirklich im Wind wehen, das Sonnenrollo schützt an besonders sonnigen Tagen. Ebenfalls an Bord ist eine Wärmepumpe, die den Mehrverbrauch bei Kälte zumindest ein wenig erträglicher machen soll.
Auch beim Infotainment macht BYD keine halben Sachen. Für den Fahrer gibt es ein 12,3” großes TFT-Instrumenten-Display sowie ein Head-Up-Display. Hinzu kommt der 15,6” messende zentrale Touchscreen, der sich durch Rotation sowohl im Hoch- als auch im Querformat nutzen lässt. Selbst im Fond finden sich noch zwei Bildschirme. Hier sorgen die Fondpassagiere quasi autark für bestes Feng-Shui, indem sie Sitzverstellung, Schiebedach und Umgebungslicht sowie Temperatur, Luftstrom und eigentlich das ganze Infotainment an ihre Vorlieben anpassen können. Dank der beiden IsoFix-Befestigungen hinten können das sogar schon die Allerkleinsten – oder das Display vollsabbern 😉
Zwei Ablageflächen zum kabellosen Laden von Smartphones mit je 15 W Leistung finden sich vor und unterhalb der Mittelarmlehne vorne, dazu insgesamt 4 USB-Anschlüsse vorne und 2 hinten. Die einzige USB-C-Buchse davon bleibt den Vornesitzenden vorbehalten. Den Hotspot des serienmäßig verbauten 4G-Moduls können indes alle Passagiere nutzen.
Bitte Platz nehmen! Am besten rechts hinten. BYD hat den HAN als sportlichen Chauffeurwagen konzipiert: Rechts hinten spielt die Musik. Zwar bietet die Limousine auf allen Plätzen ein luftiges Raumgefühl, richtig großzügig ist es allerdings im Fond. Die Beinfreiheit sucht ihresgleichen, und die Sitze sind bequem und fühlen sich sehr hochwertig an. Wer rechts hinten sitzt, genießt zudem den Komfort, die Kontrolle über den Beifahrersitz zu haben. Bedienelemente an der Rückenlehne des Vordersitzes erlauben es, diesen „aus dem Weg“ zu räumen und sich noch mehr Fußraum zu verschaffen. Die riesige Beinfreiheit kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die im Unterboden verbaute Batterie zulasten der Oberschenkelauflage geht, weil man die Knie stark anwinkeln muss.
Was gibt es nicht im BYD-Schlachtschiff? Eine Anhängerkupplung und einen angemessen großen Kofferraum. Während ersteres in einer großen Limousine wohl in den meisten Fällen verschmerzbar ist, schränkt letzteres den Nutzwert des Wagens erheblich ein. An einen Familienurlaub mit 4 oder gar 5 Personen ist bei 410 l Ladevolumen kaum zu denken. Zudem gibt es keinen Frunk. Das flache Fach unter dem Kofferraumboden reicht nicht einmal für das Ladekabel.
Assistenzsysteme des BYD HAN – Hier geht noch was.
Über einen Mangel an Display-Fläche kann man sich im BYD HAN nicht beklagen. Daraus resultiert leider nicht ein ebenso mannigfaltiges Angebot an Assistenzsystemen. Sicher, es ist mit Notbremsassistent, Lane Change Assist (LCA), Rear Collision Warning (RCW), Rear Cross-Traffic Alert System (RCTA) und je 4 Parksensoren vorne wie hinten alles Nötige und einiges darüber hinaus an Bord. Einen veritablen Autopiloten sucht man allerdings vergeblich. Zudem arbeitet der Lenkassistent sehr nervös und greift stellenweise ruppig ein, was durchaus zu brenzligen Situationen führen kann. Ein wenig besser macht es die ICC (Intelligent Cruise Control), aber auch nur bei gut erkennbaren Begrenzungslinien und klarer Sicht. Im Gegenzug arbeitet der Abstandstempomat sehr feinfühlig, stellenweise sogar zu zurückhaltend, um im flotten Verkehr mitzuschwimmen. Hier würden wir uns mehr Einstellmöglichkeiten wünschen als nur den Abstand zum Vorausfahrenden. Insgesamt agieren die Assistenten empfindlich und warnen sehr früh vor etwaigen Gefahren. Die meisten Alarme lassen sich aber auch deaktivieren.
Überhaupt machen das Infotainment und die darunter liegende Software noch einen unfertigen Eindruck. Der Bootvorgang nach dem Einsteigen dauert gefühlt eine volle Minute. Andere Fahrzeuge sind da schon beim Öffnen der Tür voll einsatzbereit, die Musik läuft, und das Handy ist gekoppelt. Ist das System aber mal hochgefahren, zeigt es sich in nahezu allen Situationen von seiner flotten und reaktiven Seite. Lediglich das Anzeigen der Reichweitenkarte – ein echt nützliches Feature – erfordert Geduld. Das Navi arbeitet hingegen sehr flott, der große Bildschirm liefert die beste Übersicht im Hochformat, zumal im Landscape-Modus der linke Rand des Displays schon teilweise vom Lenkrad bzw. der rechten Hand verdeckt wird. Ladestationen entlang der Route lassen sich manuell anzeigen und direkt als Ziel anwählen – ein sehr nützliches Feature. Wird ein zusätzlicher Ladestopp nötig, etwa weil das Wetter sich verschlechtert hat oder man schneller gefahren ist als geplant, rechnet das Navi diesen nicht automatisch in die Route ein. Auch die Anzeige der Navi-Befehle im Head-Up-Display funktionierte in unserem Fahrzeug noch nicht. Dafür klappte die Verkehrszeichenerkennung – abgesehen von Schilderbrücken – schon sehr zuverlässig. Eine Übernahme des Tempolimits in den Tempomaten gibt es indes nicht. Noch nicht?
Die Bedienung und Logik des Systems sind weitgehend intuitiv. Dennoch mussten wir vor allem auf tieferen Menüebenen immer wieder überlegen, wie wir etwa zur Navi- oder Entertainment-Ansicht zurückkehren können. Denn der Weg zurück ist nicht immer derselbe, was unsere Aufmerksamkeit das ein oder andere Mal zu lange von der Straße abgelenkt hat.
Kurios: So tadellos die Verarbeitung des BYD HAN, so unfertig wirkt das Infotainment an manchen Stellen. Da sind ganz neue Wortschöpfungen und astreines Denglisch zu finden. Die besten Übersetzungen sind „Warmer Tipp“, „Zellulare Daten“, „Neue Energie“ und „Intensität der Energierückmeldung“. Und auch wenn sich die Information dahinter leicht aus dem Kontext erschließen lässt – wer sich in der Oberklasse positionieren will, dem dürfen solche Lapsus nicht unterlaufen. Die Sprachsteuerung funktionierte in unserem Testwagen nur auf Englisch, ein Ausweichen auf Android Auto oder Apple CarPlay ist mangels Unterstützung ebenfalls (noch?) nicht möglich.
Überzeugen konnte uns hingegen die Soundanlage von Dynaudio: Hier lässt es sich im Chefsessel auch bei klassischen Klängen kaiserlich entspannen. Dagegen klingen die fast schon Spielzeugauto-artigen Blinkertöne, die irgendwo aus Richtung des linken Außenspiegels kommen, fast schon peinlich.
Die zahlreichen Kameraansichten entschärfen die Größe des Wagens, insbesondere beim Einparken. Dabei ist die Vogelperspektive besonders hilfreich, die auch einen Transparenz-Modus besitzt. Das nimmt nicht nur fiesen Bordsteinkanten den Schrecken.
BYD HAN – Reichweite, Laden und Verbrauch
Mit seiner knapp 86 kWh großen Batterie kann der BYD HAN nicht ganz mit den deutschen Mitbewerbern in der Oberklasse mithalten. Bei der Zellchemie setzt BYD mit seiner Blade Battery voll auf die bereits angesprochene Lithium-Eisen-Phosphat-Technologie, kurz LiFePo oder LFP. Diese Unterart der Li-Ionen-Technik weist spezifische Vorteile auf wie etwa eine geringe Anfälligkeit für thermische Instabilität und Überhitzung, was die Brandgefahr minimieren soll. Außerdem verspricht sie eine lange Lebensdauer von über 2.000 Ladezyklen. BYD bewirbt seine Blade Battery sogar mit bis zu 5.000 Ladezyklen und unterstreicht das mit einer 8-jährigen Garantie bzw. 160.000 km Fahrleistung auf die Batterie – das ist üppig!
Ein wichtiges Thema bei Elektroautos – erst recht bei einer Reise-Limousine – ist die Ladeleistung. Und hier muss der BYD HAN gleich in mehrerlei Hinsicht Federn lassen. 120 kW ist das Maximum an DC – und das trotz 800-V-Technik. Eine Akkuvorheizung konnten wir weder im Menü finden noch war zu erkennen, ob diese beim Navigieren zu einer Ladesäule automatisch erfolgt. So hatten wir trotz hochsommerlicher Temperaturen einen wilden Mix aus verschiedensten Ladeleistungen. Oft wurden die kolportierten 120 kW nur für wenige Minuten erreicht, teils auch gar nicht.
Nach einer etwa 2,5-stündigen Autobahnfahrt hatten wir den schnellsten Ladevorgang während des Tests mit 120 kW bis zu einem SoC von 60 %. Realistisch lädt der BYD HAN im Sommer also mit durchschnittlich 70–80 kW – viel zu wenig, um als langstreckentauglich durchzugehen. Doch auch im Nahbereich leistet sich das Oberklasse-Modell einen Fauxpas, der im Jahr 2023 keinem ernstzunehmenden E-Auto mehr passieren darf: Er lädt an Wallboxen und öffentlichen AC-Ladern nur einphasig. Über Nacht lässt sich so der Ladestand um gerade einmal rund 50 % erhöhen. Das geht gar nicht. Überzeugen kann der BYD HAN hingegen bei der prognostizierten und tatsächlichen Reichweite. Der sehr niedrige cw-Wert von 0,23 hat daran sicher großen Anteil. Auf einer längeren Autobahnetappe mit Tempomat 125 pendelte sich der Verbrauch bei nur etwa 17 kWh/100 km ein, was einer theoretischen Reichweite von ziemlich genau 500 km entspricht und den WLTP-Wert von 521 km fast exakt trifft. Bei zurückhaltender Fahrweise mit geringem Autobahnanteil sollten im Sommer auch 600 km machbar sein. Im Winter dann wohl eher 400.
Für Chefs und Vielfahrer: Trutzburg auf Rädern
Souverän beschreibt das Fahrverhalten des BYD HAN sicher am trefflichsten. Trotz der Größe des Wagens nimmt man gut integriert hinter dem eleganten, wenn auch etwas überfrachteten, Lenkrad Platz und findet dank der vielen Verstellmöglichkeiten auch schnell eine bequeme Sitzposition. Außer man ist eher klein gewachsen, dann können die Sitze auch zum Problem werden. Die Straßenlage ist nicht nur aufgrund des hohen Gewichts von 2.250 kg sehr satt, zudem wankt der Wagen dank des definierten, aber noch komfortablen Fahrwerks auch in schnell durchfahrenen Kurven kaum. Auf Querfugen neigt der HAN allerdings zum Stuckern, was auf längeren schlechten Straßenabschnitten durchaus nervig sein kann und nicht recht zum Chauffeur-Image passen will. Das tut hingegen die sanfte, aber überlegene Art der Kraftentfaltung: So bringt das kaiserliche Schlachtschiff seine schiere Kraft von 380 kW – beim guten alten Auto-Quartett hätte man bei 517 PS außer einer Handvoll Supersportwagen sicher wenig Konkurrenz gefunden – über den permanenten Allrad-Antrieb jederzeit zuverlässig auf die Straße, schiebt aber nicht so brachial an wie etwa ein Tesla Model 3 oder KIA EV6. Wer aus dem Verbrenner-Lager kommt, wird dennoch anfangs ein Dauergrinsen im Gesicht haben. Für E-Auto-Kenner allerdings mutet der BYD schwächer an, als es das Datenblatt vermuten ließe. Das minimale Untersteuern fügt sich gut in die Sicherheit vermittelnden Fahreigenschaften der großen Limousine ein. Und wer doch lieber selber fährt, wechselt mittels des Schalters in der Mittelkonsole auf „Sport“, denn dann spricht das Strompedal viel direkter an und das 5-Meter-Schiff zeigt, was es kann: unterbrechungsfreien Durchzug bis zur Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h – natürlich elektronisch abgeregelt und im Vergleich zur deutschen Oberklasse fast schon lächerlich langsam. Und dennoch vernünftig, erst recht für ein E-Auto. Zum einen hält das den Verbrauch auch bei flott gefahrenen Etappen in erträglichen Grenzen, zum anderen ist die angenehm niedrige Geräuschkulisse im Innern des Fahrzeugs nie ernsthaft in Gefahr. Klappern, Zittern, Knirschen oder Windgeräusche? Gibt es nicht in dieser rollenden Trutzburg.
Fazit BYD HAN
Toll verarbeitet, souverän auf der Straße, mit teils nur schwer verzeihlichen Schwächen – so präsentiert sich der BYD HAN. Die Oberklasse-Limousine macht als großer Chauffeurwagen vieles richtig gut, kombiniert eine tadellose Qualitätsanmutung mit luxuriösem Innenraum und souveränen Fahrleistungen. Dem hohen Anspruch kann BYD aber an anderen Stellen nicht gerecht werden. Das Infotainment ist unausgereift, der Kofferraum zu klein, und die Patzer bei der Ladeleistung dürfen einfach nicht sein.
Tops
- tadellose Verarbeitung auf Top-Niveau
- großzügiges Raumgefühl
- moderne Design- und Formensprache
- souveräne Straßenlage
Flops
- fehlender Autopilot und ruppiger Lenkassistent
- flacher, nicht sehr großer Kofferraum
- schwache Ladeleistung (DC und AC)
- unfertige Software (Übersetzungen)
Words: Patrick Gruber Photos: Julian Schwede