Der Ur-Smart war klein, wendig, pfiffig. Und zunächst ein Zweisitzer. Damit hat der Smart #1 sowohl optisch als auch bei der Parklücken-Wahl gebrochen. Ebenso wie bei der Preisgestaltung. Ob das vollelektrische Kompakt-SUV aus schwäbisch-chinesischer Koproduktion trotzdem smart ist, erfahrt ihr in diesem Test.

#1 klingt irgendwie nach Nummer 1 oder Erstlingswerk. Tatsächlich kann man das neue Elektro-Kompakt-SUV von Smart als Neuanfang sehen. So wenig er mit seinen namensgebenden Vorgängern aus dem Schwabenland zu tun hat, so sehr begründet der #1 eine neue Ära an Elektro-Autos mit dem Smart-Logo. Es ist das erste Fahrzeug seit dem Smart-Restart im Rahmen des 2019 gegründeten 50:50-Joint Ventures der Mercedes-Benz-Gruppe und Geely – seines Zeichens chinesischer Autokonzern und größter Einzelaktionär der Daimler AG. Doch auch wenn die Design-Entwicklung noch im schwäbischen Sindelfingen erfolgt, handelt es sich beim #1 de facto um ein Fahrzeug aus chinesischer Produktion. Wir hatten die Gelegenheit, den Smart #1 in der knapp 45.000 € teuren Premium-Ausstattung ausgiebig zu fahren und zu erfahren.

Smart #1 Premium | 200 kW | 66-kWh-Akku | 440 km | 4-Türer | ab 42.490 € | Testwagenpreis 44.990 € | Hersteller-Website

Von Pro+ bis BRABUS – Basic gibt es beim Smart #1 nicht!

Gute Konzepte sind oft zu gut für die reale Welt. Echte Innovationen wie der VW Lupo 3L oder der Audi A2 sind schneller vom Markt verschwunden, als ihre Entwicklungszeit gedauert hat – und heute sind sie als Gebrauchte unter Kennern immer noch heiß begehrt. Aber für die Konzerne passt bei diesen innovativ sparsamen Fahrzeugen oft die Marge nicht. Auch der Smart, quasi die Blaupause für einen modernen Klein(st)wagen, hat viele Freunde gefunden. Richtig viel Geld verdient hat Mercedes damit allerdings nie. Und jetzt der Neustart mit dem #1 und neuem Partner aus Fernost. Das erste Elektroauto des neu gegründeten Joint-Ventures ist kein Kleinwagen mehr. Zumindest nach den Vorstellungen von uns hier in Zentraleuropa.

Gerade hier würden uns die kleinen Autos mit smarten Lösungen helfen, um die verstopften Innenstädte zu entlasten, weniger Parkraum zu beanspruchen und um uns ressourcenschonender mobil zu halten. Doch genau das Gegenteil passiert: SUVs sind mehr im Trend denn je. Und gefühlt, wie faktisch werden die meisten Autos von Generation zu Generation größer, schwerer und leistungsstärker. Das gilt auch für den #1:

Er ist weder klein noch günstig. Allein steht Smart damit allerdings nicht da: Bei VW werden die Fahrzeuge unterhalb des ID.3 ebenso stiefmütterlich behandelt wie Elektro-Kleinwagen bei Audi, BMW und Co. Ein Trend, den wir nicht willkommen heißen und darauf hoffen müssen, dass andere Hersteller – vermutlich fernöstlicher Herkunft – hier in die Bresche springen.

Vielleicht müssen wir in Zentraleuropa auch unser Verständnis eines Kleinwagens überdenken. Schließlich dreht sich die Welt schon lange nicht mehr um uns, sondern Absatzmärkte wie China sind viel wichtiger. Dort – und noch deutlicher wird das in den USA – ist der Smart #1 nach wie vor ein Kleinwagen und wirkt inmitten von großen SUVs und Pickups noch immer schnuckelig. Größe ist eben doch auch eine Sache der Perspektive.

Allein die Bezeichnungen der Ausstattungslinien zeigt, wo es beim Smart #1 hingeht: weg vom Thema Alltags-Pragmatismus, hin zu Luxus und Leistung. Von Pro+ bis BRABUS – alles nur mehr Premium, so wie der Name unseres Testwagens. Und dazu gibt es mindestens 200 kW Leistung. Und wer noch mehr will, bekommt auch das: In der BRABUS-Version mit Dual-Motor und Allrad-Antrieb stecken satte 315 kW – und in der Preisliste ebenso satte 48.990 €. Nach alter Petrolhead-Rechnung sind das 428 PS. Doch wo ist das Einstiegsmodell mit sinnvoller, aufs Wesentliche reduzierter Ausstattung zu einem fairen Preis? Apropos Preis: Den neuen Smart #1 gibt es ab 42.490 € – nicht gerade günstig.

Design und Dimensionen – Viel Luft im Smart

„Den hab’ ich doch schon mal gesehen!“, könnte einem beim ersten Zusammentreffen mit dem im Straßenbild noch extrem seltenen Smart #1 spontan rausrutschen. Denn auch, wenn das „schwebende“ Halo-Dach dem Elektro-SUV eine persönliche Note gibt, fehlt es ihm letztlich doch an der unverkennbaren Eigenständigkeit des Ur-Smarts. Das Design wirkt rundgelutscht, und von schräg vorne hat der #1 ein leichtes Froschgesicht. Mit seinem auf Wunsch farblich abgesetzten Dach und den vorne wie hinten durchgehenden Lichtleisten sieht der neue E-Smart dennoch pfiffig aus.

Den Kleinstwagen-Schuhen ist der Smart in seiner jüngsten Version deutlich entwachsen. Selbst seinen Vorgänger, den EQ Forfour, überragt der #1 mit 4,27 m Länge um fast 80 cm und ist damit endgültig in der Kompaktklasse angekommen, vergleichbar mit einem VW ID.3, den er in der Höhe immerhin noch um 7 cm übertrifft. Dennoch wirkt das kompakte E-SUV alles andere als klobig, was man auch beim Fahren positiv spürt. Da ähnelt er sogar eher dem 40 cm kürzeren Honda e. Aber dazu später mehr …

Kaum etwas gibt es an der Verarbeitung auszusetzen. Auch wenn wir beim Smart nicht mehr von Made in Germany sprechen können, weiß der chinesische Partner Geely offenbar, worauf es bei den äußeren und den inneren Werten ankommt. Das Blechkleid ist tadellos gearbeitet, die Spalte gleichmäßig, der Lackauftrag einwandfrei. Schön gelöst sind die in der Außenhaut versenkten Türgriffe mit eingraviertem Smart-Logo: chic und windschlüpfrig. Trotz der SUV-Gene wirkt der #1 nicht zuletzt wegen seiner 19-Zoll-Räder im Rotor-Design recht aerodynamisch. Das Heck ist im Vergleich etwas pummeliger, macht den Wagen aber irgendwie sympathisch. Und dieser Eindruck setzt sich im Innenraum nahtlos fort. Obwohl die Bezeichnung des Interieurs namens Dark Matter auf eine dunkle Höhle schließen lässt, geht es sehr freundlich zu im Innern des Kompakt-SUVs. Der Kontrast aus dunklen Sitzen mit hellen Akzenten und dem hellen Dachhimmel sorgen zusammen mit dem großzügigen Panorama-Glasdach für ein luftiges Raumgefühl. Die sichtbaren, vielerorts mit Kunstleder bezogenen Oberflächen fassen sich zudem hochwertig an. An versteckten Stellen wie auch im Kofferraum fiel die Wahl dann aber auf einfacheren Kunststoff.

Der Ur-Smart war noch nie berühmt für seinen großen Kofferraum. Auch der Smart #1 bekleckert sich nicht mit Ruhm: Mit 313 L fällt der Kofferraum des riesigen Kleinstwagen nicht gerade üppig aus.

Apropos Kofferraum: Mit 313 l fällt der nicht gerade üppig aus, in der Pro+-Version sind es immerhin noch 10 l mehr. Ergänzend gibt es unter der Motorhaube einen Frunk – oder besser gesagt ein „Frünkchen”. Bei den mickrigen 15 l Fassungsvermögen geht nicht mal das Ladekabel rein. Da passt mehr in so manche Handtasche. Wobei … das wäre die Idee: Ein Griff am Frunk und man könnte ihn direkt als Einkaufskorb mit in den Supermarkt nehmen. An Ablagemöglichkeiten im Innenraum mangelt es indes nicht. Ärgerlich: Das große Fach in der Mittelkonsole springt von alleine auf, wenn man mit dem Ellbogen den großen Knopf erwischt.

Wenn ihr auf ein gelungenes Lichtdesign steht, seid ihr beim neuen Smart absolut richtig – sogar die Begrüßungs-Lightshow beim Entriegeln lässt sich einstellen. Das ansonsten kantenlose, wenig auffällige Äußere können die Lightbars vorn und hinten dennoch nicht kaschieren. Das klappt im Innenraum schon besser: Die Ambientebeleuchtung ändert sich in Abhängigkeit vom Fahrmodus oder lässt sich frei konfigurieren, auf Wunsch sogar in zwei verschiedenen Farben an den Luftauslässen und dem restlichen Interieur. Zudem blinken die Beats-Hochtöner in den A-Säulen im Takt der Musik und fungieren als Warnlicht beim unbeabsichtigten Verlassen der Fahrspur. In dem Fall leuchtet die entsprechende Kalotte rot auf. Das Ganze passt perfekt zum leicht verspielten Innenraum-Design mit vielen flach-ovalen Elementen wie die Luftausströmer oder die Kopfstützeneinfassungen. Und an Anschlussmöglichkeiten für Smartphone und Co. fehlt es obendrein nicht: Vorne gibt es, in der Premium Ausstattung, ein – leider fummelig zu erreichendes – Induktiv-Ladepad und 2 USB-C-Anschlüsse, im Fond je einen USB-A- und USB-C-Port.

Smart #1 – Unser Testwagen in der Premium-Line

Derzeit gibt es den Smart #1 in drei Ausstattungsvarianten, Lines genannt. Unser Testfahrzeug kommt im Premium-Trimm, quasi der mittleren Line. Darunter rangiert das aktuelle Einstiegsmodell namens Pro+ und darüber der „Krawallbruder“ von Haus-Tuner BRABUS. Die zur Markteinführung auf 1.000 Stück limitierte Launch Edition dürfte mittlerweile vergriffen sein. Bis auf das BRABUS-Modell, der mit zwei Motoren und Allrad-Antrieb satte 315 kW Leistung bringt und für den 0–100-km/h-Sprint nur 3,9 s benötigen soll, kommen alle aktuell bestellbaren Lines mit einem Heckantrieb und ebenfalls strammen 200 kW, das macht in Pferdestärken immerhin 272. Preislich beginnt der Wagen bei 42.490 € für den Pro+. Unser Testfahrzeug in der Premium-Ausstattung liegt bei 44.990 €, der BRABUS bringt es auf 48.990 €. Ab Mitte 2023 sollen noch die Ausstattungsvarianten Pure, Pro, Pure+ und Pulse nachgeschoben werden, die zumindest in der Namensgebung an die zweisitzigen Vorgänger erinnern.

Der Smart #1 summt leise vor sich hin, egal in welchem Modus. Jenseits der 160 km/h treten Windgeräusche störend in den Vordergrund und bei 180 km/h ist dann eh Schluss.

Unser Testwagen in trendigem Weiß – genauer gesagt Digital White Metallic – kommt in der Premium-Ausstattung. Gegenüber der Basis-Version Pro+ gibt es einige markante Unterschiede: unter anderem eine Wärmepumpe und einen 22-kW-Onboard-Lader. Vor allem letzterer ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal und an nahezu keinem aktuellen E-Fahrzeug mehr zu finden. Mit 22 kW soll der leere Akku auch innerstädtisch schon nach 3 Stunden wieder voll sein – so entgeht man den teuren Blockiergebühren der Ladestromanbieter. Für die Pro+-Line wird der 22-kW-Lader in Kürze optional angeboten. Bisher kommt die Einstiegsvariante mit einem einphasigen Lader, was absolut nicht mehr zeitgemäß ist. Vorbildlich hingegen ist die Möglichkeit, Isofix-Kindersitze nicht nur auf der Rückbank, sondern auch auf dem Beifahrersitz nutzen zu können.

Alle #1-Modelle sind mit LED-Scheinwerfern ausgerüstet, das adaptive Matrix-LED-Fernlicht und die dynamischen Heck-LEDs gibt es allerdings erst ab der Premium-Line. Ebenso wie die Ledersitze – sonst ist es Kunstleder –, das Beats-Soundsystem, das 10 Zoll große Head-Up-Display und den Parkassistenten mit 12 Sensoren. Darüber freuen sich alle Transportwütigen und Heimwerker. Und natürlich alle Biker, die ihr Rad auf dem Träger transportieren wollen. Alle Modelle sind für eine Anhängerkupplung vorbereitet, die satte 1.600 kg ziehen darf und eine Stützlast von 75 kg vertragen soll.

Die Assistenzsysteme im Smart #1 – Was ist noch (nicht) smart am Smart?

Beim ersten Blick in den Innenraum fällt einem direkt der große, mittig angeordnete Bildschirm auf, der ein wenig an das Model 3 erinnert. Im Gegensatz zu Tesla setzen die Smart-Ingenieure allerdings nicht nur auf das 12,8” querformatige Zentral-Display, sondern stellen diesem noch einem breitformatigen Tachostreifen mit 9,2” und – ab Premium-Line – ein 10” großes Head-up-Display zur Seite. Gerade letzteres ist eine enorme Unterstützung beim Fahren und hilft dabei, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Das Zentral-Display dient in erster Linie dazu, alle nötigen Einstellungen vorzunehmen, Routen zu planen oder die Klimaanlage zu bedienen. Das eigens entwickelte Software-System wirkt auf den ersten Blick sehr verspielt, lässt sich aber weitgehend intuitiv bedienen. Die je nach Fahrmodus unterschiedlichen Weltkugeln – etwa ein Rummelplatz für „Sport“ oder eine grüne Wiese voll Solar- und Windkraftanlagen für „Eco“ – sind liebevoll gestaltet, der rote Fuchs als digitaler Assistent gibt dem Ganzen etwas Persönliches. Er beherrscht auch einige Sprachbefehle, über die sich etwa die Klimaautomatik, die Fensterheber oder das Dachrollo bedienen lassen. Die spielerischen Animationen des Fuchs laufen leider nicht immer ruckelfrei, zudem lenken seine Bewegungen teilweise etwas vom Verkehrsgeschehen ab.

An Fahrassistenten ist so ziemlich alles an Bord, was derzeit Rang und Namen hat: Abstandsregeltempomat, Spurhalte- und Spurwechselassistent, automatische Einparkhilfe mit 360°-Kamera und Zentimeterangaben statt reinem Gepiepse. Das schafft zusätzliches Vertrauen, was bei der knappen Gangart des Einparkassistenten auch echt nötig ist. Weniger vertrauensbildend ist das Verhalten des Lenkassistenten, der uns gefühlt 2 Minuten lang „frei Hand“ lässt, bevor er sich deaktiviert. Alle wichtigen Infos der Assistenten und des Navis werden ins Head-Up-Display projiziert und sind auch bei Gegenlicht noch gut lesbar. An die Bedienung der Fahrerassistenzsysteme haben wir uns im Test recht schnell gewöhnt. Ebenso wie an den sehr prominenten Aufmerksamkeitswarner, der schon bei etwas längerem Blinzeln anschlägt und mit zusätzlichen Warnhinweisen auf dem Display beispielsweise die Navigationshinweise überdeckt. Er lässt sich zwar auch deaktivieren, im Sinne der Sicherheit ist er dennoch ein sehr sinnvolles Feature und nach jedem Neustart wieder aktiv.

Nicht überzeugen kann uns das Navigationssystem: Man merkt dem System seinen frühen Software-Stand (Version 20.33.10.223662.30212) an vielen Stellen noch deutlich an. So schlägt es nicht immer die sinnvollste Route vor und ist bei der Ankunftszeit viel zu optimistisch. Gegenüber Google Maps geht der Smart #1 von einer etwa 20 % kürzeren Fahrzeit aus – wohlgemerkt inklusive eingerechneter Ladestopps. 1,5 h schneller als ein Verbrenner inkl. dreier Ladestopps? Nicht in diesem Elektro-Leben! Beim Navi zeigt sich also noch reichlich Potenzial für Verbesserungen. Zwar werden Ladestopps auf Wunsch in die Route eingeplant, allerdings nicht dynamisch angepasst, falls erforderlich. Bei der manuellen Suche entlang der Route zeigt das System auch Ladesäulen an, die man bereits passiert hat bzw. entgegen der Fahrtrichtung lägen. Eine Einstellung, mit welchem Ladestand man mindestens an der Ladesäule oder am Ziel ankommen will, sucht man obendrein vergeblich. Bei einem E-Auto der neuesten Generation erwarten wir solche Features. Ortsschilder erkennt das System mitunter nicht, gibt aber im Gegenzug auf der unbegrenzten Autobahn stellenweise Landstraßentempo vor. Eine Live-Traffic-Funktion scheint noch nicht dauerhaft zu existieren, oder unser Testwagen war nicht permanent online. Immerhin: Die Zieleingabe per Sprache klappt meist problemlos.

Die Sharing-Technologie ist ein nettes Zusatz-Feature. Dank eines digitalen Schlüssels könnt ihr den Smart #1 mit anderen teilen, indem ihr den Zugang zum Fahrzeug einfach per App freigebt und bestimmte Funktionen freischaltet. Das Ganze basiert auf der Peer-2-Peer-Technik. Beim Pet-Mode hat sich Smart ein wenig Inspiration bei Teslas Hundemodus geholt. Aber warum auch nicht? Gute Ideen schreien nach Nachahmung – und der Hund freut sich über angenehme Temperaturen im Innenraum, während die Hundeliebhaber shoppen sind.

SharingTechnologie ist ein nettes Feature. Mit einem digitalen Schlüssel könnt ihr den Smart #1 per App teilen und Funktionen freischalten.

Smart #1 – Reichweite, Laden und Verbrauch

Ein E-Auto, das 2023 auf die Straßen rollt, muss einfach auf dem neuesten Stand sein, wenn es um die elektro-spezifischen Details geht, um sich von den etablierten Fahrzeugen abzuheben. Und auch wenn der Smart #1 hier auf den ersten Blick nur Standardkost zu bieten hat, lohnt sich ein genauerer Blick. Mit seiner 66-kWh-Batterie bietet der #1 in der Kompaktklasse vergleichsweise viel Kapazität, auch wenn real nur zwischen 62 und 64 kWh nutzbar sind, was für immerhin 440 km Reichweite nach WLTP sorgen soll. Noch wichtiger als die Reichweite ist allerdings die Ladegeschwindigkeit. Und hier gibt sich der Smart gleich in doppelter Hinsicht selbstbewusst: Bis 150 kW an Schnellladern und maximal 22 kW an heimischen und innerstädtischen AC-Ladern – das macht dem #1 in der Kompaktklasse so schnell keiner nach.

An der Schnellladesäule erreicht der Smart #1 das Maximum von 150 kW bei einstelligem Akkustand und warmer Batterie recht schnell, die Ladekurve beginnt aber schon bei niedrigem zweistelligem SoC wieder zu sinken – typisch für ein 400-Volt-System. Das Versprechen des Herstellers, in 30 Minuten von 10 auf 80 % zu laden, ist aber realistisch und in der Praxis erreichbar. Bei einem „erfahrenen“ Verbrauch von rund 17–20 kWh/100 km lassen sich also in einer halben Stunde etwa 235–280 Kilometer Reichweite nachladen. Respekt! Die Werksangabe von 440 km im WLTP-Zyklus ist sicher nur bei warmen Temperaturen und gemütlicher Fahrt abseits der Autobahn möglich. An der für europäische Straßen sinnlos hinten links platzierten Ladeklappe ändert das freilich nichts.

Gut gelöst haben die Smart-Ingenieure hingegen das Thema Rekuperation. Wo andere Hersteller gar keine Optionen bieten (Tesla: nur One-Pedal-Driving) oder gleich mehrere Stufen (z. B. KIA), geht der #1 den goldenen Mittelweg. Ihr könnt zwischen starker und schwacher Motorbremse wählen und das One-Pedal-Driving auf Wunsch on top aktivieren. Besser geht’s kaum.

Smart #1 im Test – So smart fährt sich der #1

Reichlich smarte Technik also. Doch wie smart ist der Smart #1 auf der Straße? Zunächst einmal vermittelt er nicht das typische SUV-Gefühl. Trotz seiner Höhe liegt er satt auf der Straße, der Heckantrieb verhindert Antriebseinflüsse auf die Lenkung und verleiht dem #1 sogar einen sportlichen Charakter. Dazu tragen auch die bequemen, gut ausgeformten Sitze bei, die selbst (Wdhlg) in schnell durchfahrenen Kurven genug Seitenhalt bieten. Beide Frontsitze sind elektrisch einstellbar und verfügen über eine per Luftkissen anpassbare Lordosenstütze. Die Easy-Entry-Funktion erleichtert das Ein- und Aussteigen. Das trotz der rahmenlosen Türen angenehm niedrige Geräuschniveau erhöht den insgesamt hohen Fahrkomfort noch zusätzlich. Erst jenseits der 160 km/h treten die Windgeräusche störend in den Vordergrund. Bei 180 km/h ist dann eh Schluss, der Smart #1 hat hier seine Höchstgeschwindigkeit. Aus unserer Sicht ist das voll in Ordnung: Der #1 ist kein Sportwagen, und aufgrund seiner SUV-Gene steigt der Verbrauch bei hohen Geschwindigkeiten überproportional an – etwa im Vergleich zum sehr effizienten Tesla Model 3. So viele Gedanken sich Smart beim Licht-Design gemacht hat, so einfallslos ist der Sound geworden. Der Wagen summt stets leise vor sich, egal, welchen Modus wir aktiviert haben. Das sorgt nicht gerade für Emotionen.

Die Rekuperation ist in zwei Stufen einstellbar. Dabei entspricht die schwächere Stufe fast einem Segeln, die etwas stärkere fühlt sich wie eine normale Motorbremse an. Echtes E-Feeling kommt allerdings erst im Modus „E-Pedal“ auf. Hierbei handelt es sich um echtes One-Pedal-Driving mit starker Verzögerung bis zum Stillstand, bei der auch die Bremslichter angehen. Gerade im Stadtverkehr ein enormer Komfortgewinn, bei vorausschauender Fahrweise nicht Tango zwischen den Pedalen tanzen zu müssen.

Einen Sicherheitsgewinn stellt die 360°-Kamera dar, die nicht nur den Abstand zu Objekten in cm anzeigt, sondern auch eine Totwinkelansicht von schräg vorne ausgibt. Die Draufsicht ist hingegen eher eine nette Spielerei. Zur Spielerei, leider zu einer nervigen, kann sich auch die Spiegelverstellung auswachsen. Knöpfe sind da leider Fehlanzeige, und die entsprechenden Einstellungen gut in den Tiefen des Menüs versteckt. Mit einem kleinen Kniff geht es aber auch deutlich einfacher: Beim Tippen auf die Sitzverstellung an der Sitzseite poppt gleichzeitig die Spiegelverstellung im Zentral-Display auf, die sich dann über die gut bedienbaren Lenkradtasten vornehmen lässt.

Zu wem passt der neue Smart #1? Zu wem nicht?

Beim Ur-Smart war diese Frage einfach zu beantworten: Er war für all jene, die ihrer Zeit voraus, vorwiegend im Stadtverkehr unterwegs und natürlich höchstens zu zweit waren Die Zielgruppe des #1 ist da ungleich größer – und auch wieder nicht. Denn wo der erste Smart zur Jahrtausendwende noch ein klares Profil zeigte, ist das aktuelle Modell weichgespült, austauschbar, indifferent. So gesehen passt der Smart #1 irgendwie zu jedem und genauso zu niemandem. Für den reinen Stadtverkehr ist er etwas groß geraten, als Langstreckenfahrzeug taugt er aufgrund seiner nicht ganz so großen Batterie und der nicht kompromisslos hohen Ladegeschwindigkeit auch nicht so richtig. Der Fahrkomfort hingegen ist tadellos. Trotz des geräumigen Innenraums, in dem auch 4 Erwachsene bequem Platz finden, passt in den Kofferraum dann nur das Handgepäck. Urlaub zu viert klappt dann nur mit einem leichten Hang zur Askese. ABER: Wer Elektroauto fahren will, muss auch 2023 noch bei jedem Fahrzeug Kompromisse eingehen. Smart schafft es, diese beim #1 in den meisten Bereichen akzeptabel zu gestalten. So passt der Wagen dann am Ende gut in die Vorstadt, taugt für gelegentliche Reisen – trotz enttäuschender Navigation – und dürfte vielen damit als Erstfahrzeug reichen. Und das ist doch, was wir uns von der Elektromobilität wünschen. Die Welt werden wir mit einem Auto sicher nicht retten. Für wen der Smart #1 nicht das passende Auto ist: Für all jene, die ein wirklich smartes E-Auto suchen, mit pfiffigen Lösungen, kompakten Abmessungen und einem eigenständigen Design. Sagen wir’s, wie es ist: Der Smart ist im Mainstream angekommen – mit allen Vor- und Nachteilen. Und günstig ist er auch nicht mehr.

Fazit Smart #1

Der Ur-Smart war nicht nur klein, wendig und pfiffig, sondern auch besonders. Der neue Smart #1 ist nichts mehr von alledem, vielmehr ein komfortables, sicheres und souveränes Auto für die Vorstädte und gelegentliche Langdistanzen, das weitgehend in der Masse aktueller E-Autos verschwindet. Der 44.990 € teure Smart #1 Premium macht vieles gut, doch gerade bei den Assistenzsystemen und vor allem beim Navi fehlt ihm die Smartness.

Tops

  • souveränes Fahrgefühl
  • hohe Reichweite
  • guter Sprachassistent

Flops

  • glattgelutschtes Design ohne Ecken und Kanten
  • austauschbarer E-Sound
  • schlechte Tempolimit-Erkennung
  • übermütige Navi-Ankunftszeiten und schlechte Ladestopp Planung
  • kleiner Frunk

Words: Patrick Gruber Photos: Peter Walker, Robin Schmitt