135.000.000 US-Dollar – diese Summe hat Elon Musk angeblich bei der Präsentation des Tesla Model 3 im März 2016 durch Vorbestellungen eingesammelt. Dann dauerte es noch fast drei Jahre, bis das erste Model 3 auf deutsche Straßen rollte. Auch wenn nicht alle Vorbesteller zugeschlagen haben, ist das Model 3 eine Erfolgsgeschichte. Ob zurecht, haben wir für euch geklärt.
35.000 US-Dollar war die von Elon Musk erdachte magische Grenze, die ein modernes Elektroauto kosten darf, um massentauglich zu sein. In den USA, wo Preise für gewöhnlich ohne Steuern angegeben werden, hat Tesla sein Model 3 auch tatsächlich für diesen Preis auf den Markt gebracht – allerdings erst deutlich nach Markteinführung als abgespecktes Basismodell. In Deutschland starteten die Preise bei rund 44.000 €, was zum Zeitpunkt der Markteinführung im Februar 2019 für ein Elektroauto dieser Größe und Leistungsklasse konkurrenzlos günstig war.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr in unserem großen E-Auto-Test mit Kaufberatung – Was ist das beste E-Auto 2023?
Seitdem ist die Preisempfehlung für das bis dato kleinste Tesla-Modell mehrfach rauf und runter gegangen. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, Elon Musk würde die Preise geradezu würfeln. Wenn man sich die Historie aber genauer ansieht, gab es oft nachvollziehbare Gründe für die teils massiven Preisschwankungen: Lieferengpässe während Corona, schlechte Prognosen der Analysten, bevorstehende Quartalsberichte, Absatz-Ankurbelung des auch in Deutschland produzierten Model Y. In jüngerer Vergangenheit haben erst die stark gestiegenen Preise für Fracht und Rohstoffe und dann die Inflation die Preise explodieren lassen… nur um sie dann zum Jahreswechsel 2022/23 wegen geringer Nachfrage wieder kräftig purzeln zu lassen. Derzeit ist das Basismodell für 43.990 € zu haben. Unser Testwagen, das Model 3 LR mit Dual Motor, geht für 53.990 € (jeweils 3.000 € netto Herstelleranteil am aktuell gültigen Umweltbonus eingerechnet) über die virtuelle Ladentheke. Noch zum Ende des Jahres 2022 waren für das identische Fahrzeug fast 60.000 € fällig.
Tesla Model 3 – Ist der ganze Hype um Tesla gerechtfertigt?
So sehr die Preise und Absatzzahlen des Tesla Model 3 in den vergangenen 7 Jahren geschwankt haben, so wenig hat sich das Auto selbst verändert. Den meisten würden die äußerlichen Veränderungen kaum auffallen. Am markantesten sind noch die jetzt in Schwarz gehaltenen Applikationen wie Türgriffe und Fenstereinfassungen, die in den ersten Modelljahren chromfarben funkelten. Oder die etwas anders gestalteten Scheinwerfer. Deutlich mehr hat sich unter der Haube bzw. unter dem Fahrzeug getan: Akkus wurden größer, die Ladeleistung höher. Hinzu kamen neue Ausstattungsmerkmale wie ein beheizbares Lenkrad oder die elektrische Kofferraumklappe – und natürlich wurde die Software stetig weiterentwickelt und neue, nicht immer sinnvolle Features eingeführt.
Doch genau hier steckt eines der Geheimnisse um Tesla: Es geht oft nicht um die Qualität des Fahrzeugs und seiner Funktionen, sondern um die Frage „Will ich Tesla fahren oder ein anderes Auto?“ Und das muss man Elon Musk zugestehen: Er hat die Elektromobilität vorangetrieben wie kein Zweiter und hat es geschafft, dass sich viele E-Auto-Interessierte zuerst fragen, ob es ein Tesla oder eine andere Marke sein soll. Und nicht, welches Auto wohl am besten zu ihnen passt. Denn ist die Entscheidung für Tesla erst einmal gefallen, nehmen viele Kompromisse in Kauf, die sie bei anderen Autoherstellern vielleicht nicht eingehen müssten. Aber Tesla ist eben kein Autohersteller. Tesla ist – für viele – eine Lebenseinstellung.
Tesla war der erste und lange Zeit der einzige Elektroauto-Hersteller, der eine eigene Ladeinfrastruktur betrieben hat. Und auch wenn selbst die neueste Supercharger-Generation nicht ganz mit den modernsten Hyperchargern anderer Betreiber mithalten kann, werden das nahezu flächendeckende Netz und das unkomplizierte „Ladeerlebnis“ für viele der Grund sein, der letztlich zum Kauf eines Tesla führt.
Tesla denkt und lebt Elektromobilität kompromissloser als das Gros der etablierten Autobauer. Dieser ganzheitliche Ansatz spiegelt sich auch in den Autos wider. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass Tesla als Autobauer und noch viel mehr Elon Musk als oft sture Identifikationsfigur stark polarisieren und politisieren. Der Streit mit dem ehemaligen Zulieferer Mobileye etwa führte dazu, dass es bis ins Jahr 2023 dauerte, bis Tesla-Fahrzeuge endlich eine brauchbar funktionierende Verkehrszeichenerkennung erhalten haben – ein Feature, das bei den meisten Autoherstellern seit mindestens 10 Jahren ab der Mittelklasse einfach vorhanden ist und weitestgehend zuverlässig seinen Dienst verrichtet. Nicht so bei Tesla. Trotz zahlreicher Kameras, die ja auch Basis für den „Autopiloten“ sind, haben die Fahrzeuge der Kalifornier noch bis Anfang 2023 gerne mal 100 km/h in Ortschaften angezeigt oder auf der Autobahn auf ein 30er-Schild aufmerksam gemacht. Wer sich auf die Verkehrszeichenerkennung verlassen hat, war buchstäblich verlassen. Ein Unding – für viele Tesla-Fahrer aber wohl ebenso verzeihlich wie die ein oder andere Phantombremsung.
Tesla Model 3 Dual Motor Long Range Exterieur – Ein Model 3 bleibt ein Model 3 bleibt ein …?
Der cW-Wert stand offensichtlich Pate beim Design des Tesla Model 3. Während die Mittelklasse-Limousine im Profil sehr sportlich daherkommt und auch einen recht strammen Hintern sein Eigen nennt, sieht die Front ein wenig nach geducktem Frosch aus. Die Haube ist zwischen den LED-Frontscheinwerfern sehr weit nach unten gezogen und verleiht dem Model 3 etwas Spielzeughaftes. Das große dunkle Glasdach, das sich bis über die hintere Sitzreihe zieht, verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Doch weil es das Model 3 mittlerweile seit gut 7 Jahren gibt, haben sich viele an diesen speziellen Anblick gewöhnt, zumal Tesla sein Volumenmodell seit dessen Einführung nur äußerst behutsam geliftet hat. Und der cW-Wert ist mit 0,23 in der Tat sehr gut. Dazu tragen auch die bündig in die Seitentüren eingelassenen Türgriffe bei, die bei Erstkontakt oft zu sichtbaren Fragezeichen im Gesicht eines „Tesla-Neulings“ führen.
Die in den ersten Jahren oft bemängelte Verarbeitungsqualität können wir bei unserem Testwagen nicht bestätigen. Die Spaltmaße sind völlig ok, die Lackierung ebenfalls frei von störenden Lacknasen oder Blasen. Die sichtbare „Blechdecke“ bei geöffneter Kofferraumklappe ist dennoch alles andere als Premium. Der Funktion tut dies jedoch keinen Abbruch. Da stört die etwas flache Luke des doch an sich geräumigen Kofferraums schon mehr. Echten Mehrwert bringen der große Frunk und die ebenfalls großzügige Mulde unter dem Kofferraumboden. Für eine viertürige Limousine geht das Model 3 fast als Lademeister durch und taugt damit durchaus auch für den Familienurlaub. Um den vorhandenen Stauraum optimal zu nutzen, empfehlen sich allerdings formbare Reisetaschen eher als Hartschalenkoffer.
Wer noch mehr Platz für seine Lieben und das Gepäck braucht, landet fast unweigerlich beim großen Bruder. Das Model Y sieht dem 3er zum Verwechseln ähnlich, ist aber in jeder Hinsicht größer. Auch die Vermutung, es stünde auf derselben Plattform wie das Model 3, trifft nicht zu. Dennoch haben die beiden Volumenmodelle im Tesla-Portfolio sehr viel gemeinsam. Das gesamte Interieur ist identisch, auch bei der Technik gibt es keine relevanten Unterschiede. Tesla „erlaubt“ dem Model Y in allen Modellen etwas weniger Leistung, was sicher dem höheren Verbrauch aufgrund des Mehrgewichts und -Volumens zuzuschreiben ist. Das Kofferraumvolumen fällt mit 600 Litern dafür auch deutlich größer aus als die 425 Liter beim kleinen Bruder. Und dank der weit oben angeschlagenen Heckklappe gelingt der Zugang auch deutlich einfacher. Eine Anhängerkupplung gibt es für beide Modelle, allerdings nicht für die Performance-Ausführungen. Das Model Y darf damit bis zu 1.600 kg an den Haken nehmen, das Model 3 nur 1.000 kg.
Tesla Model 3 Dual Motor Long Range Interieur – Reduce to the max?
Fast jeder jenseits der 40 kennt diesen Slogan: Erstmals genutzt wurde „Reduce to the max“ schon im Jahr 1997 im … Automobilbereich. Der Miniflitzer Smart wurde seinerzeit von Mercedes-Benz so beworben. Auch auf den Innenraum des Tesla Model 3 passt der Slogan wie die Faust aufs Auge. Cockpit? Fehlanzeige! Rundinstrumente? Nicht vorhanden! Head-Up-Display? Vielleicht irgendwann mal! Taster und Schalter? Nur, wo es sich gar nicht vermeiden lässt! Im Gegenzug: Ein 15 Zoll großes Tablet mitten auf dem puristischen Armaturenbrett. Unzählige Fingerabdrücke gibt es gratis dazu. Ist die Bedienung des Model 3 also kompliziert oder unergonomisch? Nicht unbedingt, eher ungewohnt. Aber dazu später mehr.
Die Materialauswahl liegt auf einem angenehm hohen Niveau, die meisten Oberflächen sind glatt und fassen sich recht hochwertig an. Die Türverkleidungen haben sich aber als kratzempfindlich gezeigt. Überzeugen konnte uns das Gestühl. Die elektrisch verstellbaren Sitze mit Memory-Funktion und Lordosenstütze sind erstaunlich bequem und langstreckentauglich. Das vegane Kunstleder neigt allerdings zum Knarzen und lässt einen bei sommerlichen Temperaturen schnell am Rücken schwitzen. Eine Sitzlüftung gibt es leider nicht für Geld und gute Worte. Das gilt im Übrigen auch für Matrix-LED-Scheinwerfer. Was in USA nicht erlaubt ist, braucht auch im Rest der Welt keiner – zumindest, wenn es nach dem Tesla-Chef geht.
Die weite Fläche hinter der Windschutzscheibe und das riesige Glasdach erzeugen ein derart luftiges Raumgefühl, wie man es von der Außenansicht der doch recht schnittigen Karosse niemals erwarten würde. Tatsächlich haben große Menschen vorne mehr als genug Platz, und auch auf der Rückbank fühlen sich „1,80-Meter-Riesen“ noch pudelwohl. Kleinere Kinder haben in jedem Fall Platz satt. Nur die Knie sind aufgrund der Batterie im Unterboden etwas stärker angewinkelt als in einem Verbrennerfahrzeug. Ablagefächer sind ausreichend vorhanden, im Mitteltunnel und der Armlehne lässt sich so allerhand verstauen. Zwei Smartphones laden zudem kabellos induktiv, weitere Geräte lassen sich vorne wie hinten per USB-C anschließen. Die rahmenlosen Seitenscheiben – mittlerweile vorne auch doppelt verglast – sehen schick aus und verleihen dem Model 3 ein wenig Coupe-Flair. Sie sind allerdings auch anfällig für Windgeräusche. In unserem Testwagen hielt sich das in Grenzen. In vielen Foreneinträgen wird das jedoch bemängelt. Ein Besuch in der Werkstatt oder vom Ranger – ja, so nennt Tesla seine mobilen Mechatroniker – kann hier dauerhaft Abhilfe schaffen.
Nahezu alles passiert im Tesla Model 3 über den zentralen Bildschirm, ein im Querformat platziertes Tablet mit 15 Zoll großem Touchscreen. Taster, Regler und Schalter sucht man weitestgehend vergeblich. Das Konzept hat Vor- und Nachteile. Einerseits muss man nicht lange überlegen, worüber man die Einstellungen vornimmt – der Finger wandert fast schon automatisch zum Riesenbildschirm. Andererseits sind viele Funktionen und Einstellungen nicht mit einem Fingertip oder einer Geste direkt erreichbar. Für die Lüftungssteuerung beispielsweise muss im Screen erst einmal auf das Temperatursymbol gedrückt werden, bevor das gewünschte Menü erscheint. Die dort angezeigte Visualisierung der Luftströme, die aus unsichtbaren Lüftungsschlitzen im Armaturenträger austreten, hat wiederum was für sich. Sieht einfach spacig und irgendwie new school aus. Um das Handschuhfach zu öffnen, sind ebenfalls mindestens zwei Eingaben auf dem Screen erforderlich – wenn man es nicht zusätzlich per Pin gesichert hat. Während der Fahrt sollte man das also tunlichst vermeiden. Genauso wie die zahllosen Entertainment-Funktionen, vor allem die Spiele und Video-Apps. Diese lassen sich aber sowieso nur im Stand nutzen. Doch das Angebot sucht hier seinesgleichen: Netflix, Disney+, YouTube und Twitch stehen unter anderem für die Videounterhaltung zur Verfügung. Hinzu kommen zahlreiche Spiele und natürlich Musik-Apps wie Spotify, Apple Music und Tidal. Zur „barrierefreien“ Nutzung empfiehlt sich die Premium-Konnektivität von Tesla. Das ist nichts anderes als ein im Fahrzeug integrierter LTE-Zugang, der für 10 € im Monat genutzt werden kann. Wer sich das Abo sparen will, kann auch den Hotspot seines Smartphones verwenden. Bis auf Kleinigkeiten stehen so auch alle Entertainment- und Navigationsfunktionen zur Verfügung.
Die Bedienung im Tesla Model 3 mit ihrer zentralen Position im großen Touch-Display erfordert sicher eine gewisse Umstellung. Dennoch gewöhnt man sich schnell daran, zumal sie sehr intuitiv gelöst ist. Hinzu kommen die beiden 5-Wege-Lenkradwalzen, die per Dreh- und Drückfunktion viele wichtige Dinge wie Lautstärkeregelung, Titelwahl und Tempomat steuern. Und nicht zu vergessen: die Spracheingabe. Diese funktioniert hervorragend und erlaubt die komfortable Steuerung vieler Funktionen.
Tesla Model 3 Dual Motor Long Range Assistenzsysteme – Besser als der Autopilot des Mars Rovers?
Moderne Assistenzsysteme kommen in nahezu jedem aktuellen Fahrzeug – ob Elektroauto oder Verbrenner – zum Einsatz. Das Schlagwort „Autopilot“ nimmt allerdings einzig Tesla in den Mund … und verspricht damit mehr, als man in der Realität bekommt. Autopilot suggeriert die Möglichkeit des vollautonomen Fahrens: Ziel eingeben, zurücklehnen und ankommen. Wie von Geisterhand. Davon ist das Tesla Model 3 genauso weit entfernt wie seine versammelte Konkurrenz. In manchen Teilen mehr, in anderen weniger. Grundsätzlich ist aber erstmal alles Wichtige an elektronischen Helferlein an Bord: Lenk-Assistent, Abstands-Tempomat, Notbremsfunktion. Das Besondere bei Tesla: Standardmäßig gibt es nur Magerkost, quasi „Autopilot light“. Für einen Extra-Obulus, der auch nach dem Kauf noch per App entrichtet werden kann, sind dann noch mehr Features zu kriegen. So kostet der Enhanced Autopilot 3.800 €, und für schlappe 7.500 € bekommt das Model 3 dann „Volles Potenzial für autonomes Fahren“. Was das im Detail bedeutet, könnt ihr ausführlich bei Tesla selbst nachlesen. Unser Testfahrzeug kam lediglich mit dem Grundpaket.
Optisch begleitet werden die Assistenten durch die Anzeige der Fahrbahn, Verkehrszeichen, Ampeln, anderer Verkehrsteilnehmer und eventueller Hindernisse in der linken Hälfte des Displays. Das schafft unterbewusst Vertrauen in das System, das weitgehend zuverlässig funktioniert. Mit einem Tippen des rechten Lenkstockhebels nach unten wird der Tempomat aktiviert, über die rechte 5-Wege-Walze auf dem Lenkrad lässt sich die Geschwindigkeit in 1er- oder 5er-Schritten anpassen. Ein Doppeltippen am Hebel startet den Autopiloten, sprich: Der Lenkassistent kommt hinzu bzw. weitere freigeschaltete Features wie Spurwechsel-Assistent und das automatische Navigieren durch Autobahnkreuze. Im Alltag gewöhnt man sich schnell an die Bedienung. Dass der Autopilot allerdings bei jedem Spurwechsel ausgeht, nervt auf Dauer schon sehr. Erst recht, weil Aktivieren und Deaktivieren stets von einem nervigen zweitönigen Gepiepe begleitet wird. Im Gegenzug arbeiten Lenk-Assistent und Abstands-Tempomat angenehm unauffällig und smooth. Das Losfahren an Ampeln dürfte allerdings etwas zügiger vonstatten gehen. Und dann sind da noch die viel diskutierten Phantombremsungen – ein Phänomen, das mehr oder weniger alle Fahrzeuge mit teilautonomen Fahrassistenten betrifft. Beim Model 3 treten diese abrupten, unnötigen Bremsvorgänge vor allem auf Autobahnen auf, meist bei schlechter Sicht oder wenn ein auf der Nebenspur vorausfahrendes Auto recht nah am Rand seiner Fahrbahn fährt. Unser DOWNTOWN-Autor Patrick fährt selbst seit gut zwei Jahren privat ein Tesla Model 3. Seiner Erfahrung nach hat sich das Verhalten des Autopiloten über die Jahre bis heute deutlich verbessert. Perfekt ist es aber noch lange nicht – genauso wenig wie der Regensensor, der sich nicht zwischen hektischer Betriebsamkeit und phlegmatischer Zurückhaltung entscheiden kann. Zumindest trägt die Abblendautomatik seit dem letzten Update ihren Namen auch zurecht. Zuvor war es eher eine Art rhythmus-befreite Discokugel. Das hat der Funktion auch den Spitznamen „Blendautomatik“ eingebrockt.
Während die ersten Modelljahre des Model 3 noch mit einer Kombination aus radar- und kameragestützten Assistenten ausgestattet waren, hat Tesla im Jahr 2021 auf ein reines Kamerasystem umgestellt, was Elon Musk laut eigenen Aussagen schon immer favorisiert hat. Auch bei älteren Fahrzeugen setzt Tesla mittlerweile auf das als Vision bezeichnete Erkennungssystem und hat in diesem Zug die vorhandenen Radarsensoren abgeschaltet. In einem nächsten Schritt müssen dann auch die Ultraschallsensoren dran glauben. Für Besitzer älterer Fahrzeuge hatte die Umstellung auf Tesla Vision sofort spürbare Folgen. Zum einen wurde die maximale Geschwindigkeit für den Autopiloten von 150 auf 140 km/h gesenkt. Zum anderen gab es direkt nach dem entsprechenden Update bei vielen Autos Probleme bei schlechter Sicht durch Nebel oder Regen: Die Autos fuhren mit Tempomat teils nur noch 50 km/h. Dieser „Bug“ wurde jedoch schnell behoben. Apropos Update: Es vergeht kaum ein Monat, in dem Tesla nicht eine neue Software für seine Fahrzeuge als OTA-Update herausbringt. Dabei geht es häufig nur um kleine Verbesserungen oder das Hinzufügen neuer Systemsprachen. Doch um die Weihnachtszeit rum kommt für gewöhnlich immer ein Major Release mit zuvor in vielen Foren ausführlich diskutierten möglichen neuen Features und Funktionen. Dabei kommen dann auch manchmal so sinnvolle Funktionen wie das „Lichtspektakel“ raus – eine unbestritten sehenswerte, wenn auch völlig sinnbefreite Licht- und Musikshow, bei der das Model 3 den Tesla-Schriftzug an die Wand projiziert, mit den Flügeln aka Spiegel schlägt und basslastige Musik dazu spielt. Fehlt nur noch, dass es mit dem Hintern wackelt.
Tesla Model 3 Dual Motor Long Range Laden und Reichweite – 600 km von Supercharger zu Supercharger?
Lange hat’s gedauert, aber seit einigen Monaten hat das Model 3 die Schallmauer von 600 km WLTP-Reichweite durchbrochen. Grund dafür ist sicher die immer weiter verbesserte Akkutechnologie – ebenso wie die genauso optimierte Rechenweise bei Tesla 😉 Aber der Wert macht sich halt gut auf jedem Werbeplakat, hat mit der Realität dennoch meist wenig zu tun. Wie bei allen E-Autos wirken sich Fahrstil und Temperatur stark auf die Reichweite aus. Zugutehalten muss man Tesla, dass die Werksangabe von gut 600 km bei sommerlichen Temperaturen und überwiegend Stadt- und Überlandfahrten tatsächlich zu erreichen ist. Unter Normalbedingungen sind immer noch knapp 500 km drin, selbst reine Autobahnfahrten mit 120 km/h im Schnitt hält das Tesla Model 3 zwischen 300 und 400 km lang durch – je nach Außentemperatur. Da kommt derzeit kein anderes Elektroauto ran. Wenn, dann nur auf dem Papier. Effizienter war lediglich die erste Generation des Hyundai IONIQ, der aus seinem für heutige Verhältnisse winzigen 28-kWh-Akku bis zu 280 km Reichweite quetschte – ein wenig Askese vorausgesetzt.
Neben der vergleichsweise hohen Reichweite trägt auch die perfekte Integration der hauseigenen Supercharger zum entspannten Reisen bei. Ziel eingeben – am besten per Spracheingabe –, kurz warten und schon ist die Routenplanung auf Basis von Google Maps mit Ladestopps fertig. Das klappte im Testalltag so zuverlässig, dass wir schon nach wenigen Tagen nicht mehr über das Thema Routenplanung nachdachten … bis wir uns dazu entschieden, auch mal markenfremde Schnellader anzusteuern. Denn so schön die Integration der Supercharger auch ist, preislich sind sie nicht überall attraktiv und sie liegen meist in Autobahnnähe. Nun hat Tesla mittlerweile schon seit einiger Zeit auch andere Hypercharger in seinem Navi hinterlegt, die sich auch recht komfortabel ansteuern lassen. Sogar die automatische Akkuvorheizung funktioniert bei den im Navi verzeichneten Schnelladern zuverlässig – im Winter ein absolutes Muss. Warum das System diese Ladepunkte allerdings in seiner Ladestopp-Planung nicht berücksichtigt, weiß wohl nur Elon himself. So kommt es durchaus zu der grotesken Situation, dass das Model 3 nur wenige Kilometer nach dem geplanten Stopp an einer fremden Ladesäule einen völlig überflüssigen Supercharger-Aufenthalt in die Route einbaut. Von der theoretisch höheren Ladeleistung moderner Hypercharger profitiert das Model 3 im Übrigen nicht. Tesla setzt nach wie vor auf die 400-V-Technik, die zwar beim Model 3 bis zu 250 kW Output ermöglicht. Die Ladeleistung lässt aber schon ab etwa 10–15 % SoC deutlich nach. Bei halb gefülltem Akku liegen unter guten Bedingungen nur mehr rund 100 kW an. Was die 800-V-Technik da an Potenzial bietet, zeigen Fahrzeuge wie Audi E-Tron, Porsche Taycan und die aktuellen Autos aus dem Hyundai-Konzern: Ladeleistungen jenseits der 150 kW bis zu einem SoC von 80 % sind da keine Seltenheit. Und am Ende ist die Reisegeschwindigkeit auf Langstrecke immer auch das Produkt aus Reichweite und Ladeleistung.
In der von uns getesteten Long Range-Ausführung ist das Tesla Model 3 trotz der schnell abfallenden Ladekurve sehr gut für lange Strecken geeignet. Ladestopps dauern meist nicht länger als 15–20 Minuten (eben wegen der Ladekurve). Damit lässt sich eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von gut 100 km/h auch auf sehr langen Strecken realisieren – zumindest auf deutschen Autobahnen. Mit Dachaufbauten oder dem E-Bike auf dem Kupplungsträger sieht die E-Welt allerdings deutlich düsterer aus: Mit einer Verdoppelung des Autobahnverbrauchs müsst ihr dann schon rechnen! Und wenn es an der Ladesäule doch mal länger dauert, checkt einfach währenddessen in unsere Ladeweile-Story rein. Hilfreich bei der Kalkulation der Reichweite ist die sehr ausführliche Energieanzeige des Model 3. Hier wird nahezu in Echtzeit berechnet, wie sich die aktuelle Fahrweise, Witterung und sonstige Umstände auf den zu erwartenden Verbrauch auswirken. Und man erhält sogar Empfehlungen, in welchem Geschwindigkeitsbereich der Sweet Spot liegt, um möglichst effizient unterwegs zu sein. Tesla ist hier für deutsche Verhältnisse allerdings recht zurückhaltend und empfiehlt eine Geschwindigkeit von rund 100 km/h.
Tesla Model 3 Dual Motor Long Range im Alltag – Reiselimousine und Spaßmobil in einem?
Elektroautos sind gemeinhin bekannt für ihren spurtstarken, unvermittelten Antritt, den „Elektro-Wumms“. Tesla setzt hier aber nochmal einen drauf: Zwar geben die Kalifornier die Leistung ihrer Fahrzeuge meist nicht exakt an, und auch für das Model 3 Long Range variieren die Angaben je nach Quelle. Die Maximalleistung dürfte aber um die 340–366 kW liegen, was nach guter alter Verbrenner-Nomenklatur irgendwas zwischen 460 und knapp 500 PS bedeutet. Und so fühlt sich das auch an. Für E-Auto-Neulinge empfiehlt sich daher der Fahrmodus „Lässig“, um sich an das krasse Beschleunigungsverhalten heranzutasten. Dank Allradantrieb kriegt das Model 3 die schiere Leistung zumindest bei trockenen Verhältnissen auch auf die Straße. Immer wieder ein großer Spaß, wenn unbedarfte Beifahrer das zum ersten Mal erleben „dürfen“. 3,3 Sekunden von 0 auf 100 bekommen nicht jedem Magen gut. Und wem das nicht reicht, der kann für 1.800 € in der Tesla-App quasi in Echtzeit nochmal eine halbe Sekunde und wahrscheinlich rund 50–70 PS mehr aus den beiden E-Motoren herauskitzeln. Wer jetzt aber einen waschechten Sportwagen erwartet, wird sicher enttäuscht sein. Denn das Tesla Model 3 ist letztendlich nur eine extrem stark motorisierte Limousine. Das spiegelt auch das Fahrverhalten wider. So brachial der Wagen auf gerader Strecke beschleunigt, so bieder gibt er sich in schnell gefahrenen Kurven: braves Untersteuern statt hecklastige Kurvenhatz. Was auf der Rennstrecke hinderlich wäre, kommt dem Wagen im Alltag aber sehr zugute. Gut gefallen haben uns die verschiedenen Modi der Lenkung von leicht über straff bis hin zu sportlich. Das Tesla Model 3 fährt sich gutmütig, hat mit den serienmäßigen 19-Zöllern einen ordentlichen Geradeauslauf und ein harmonisches Fahrwerk, das nur bei größeren Schlägen ins Stuckern gerät.
Unterm Strich ist das Model 3 daher viel mehr komfortable Reiselimousine als Spaßmobil. Den ein oder anderen Drängler im V8-Sportwagen kann man aber doch mal mit einem beherzten Gasstoß am nicht vorhandenen Auspuff schnuppern lassen. Jenseits der 100-km/h-Marke sollte man dann aber Platz machen. Da geht dem Model 3 nämlich schon langsam die Puste aus – zumindest wenn es um die Sportwagen-Manieren geht. Lange Reisen, Stadtverkehr, Urlaub mit der Familie – all das bewältigt das „Kassengestell“ der Kalifornier klaglos und nicht schlechter als ein vergleichbarer Verbrenner.
Die kurvigen Straßen rund um das ehemalige Fischerdorf Cadaqués an der katalanischen Costa Brava haben wir im Winter fast für uns allein und damit alle Möglichkeiten, das Model 3 ausführlich zu fahren und zu erfahren. Dabei müssen wir uns zunächst an die recht starke, nicht konfigurierbare Rekuperation gewöhnen, wodurch man bei stärkeren Bremsungen das Gefühl hat, die Bremse wäre eher schwach. Das liegt aber letztlich daran, dass man die mechanische Bremse nahezu nie benötigt. Zudem vermissen wir den bei den meisten Fahrzeugen üblichen Leerweg. Im Model 3 ist schon am Anfang ein recht starker Druckpunkt zu spüren. Die Beschleunigung macht auf den engen und kurvigen Straßen einen Riesenspaß, der straßenbahnähnliche Sound passt da leider nicht dazu. Hier würden wir uns eine – wenn nötig aufpreispflichtige – Klangkulisse wie etwa im Porsche Taycan wünschen. Ebenfalls nicht berauschend, vor allem in engen Kehren, ist der doch recht große Wendekreis. Auf deutschen Straßen fällt das meist nicht so Gewicht, in mediterranen Küstenregionen geht es schon mal etwas enger zu. In engen Kehren und beim Abbiegen erweisen sich auch die vielen Kameras des Tesla Model 3 als sehr hilfreich. Bei aktivem Blinker lässt sich zudem das Bild der seitlich nach hinten gerichteten Kamera ins Display einblenden, das im Gegensatz zum Spiegel keinen toten Winkel hat. Es ist zwar zunächst etwas verwirrend, beim Abbiegen aufs Display statt in den Seitenspiegel zu schauen, bringt aber einen deutlichen Sicherheitsgewinn.
Nach einer Workation – einer reizvollen Verbindung aus Autotest und Landschaftsgenuss – in einer wunderschönen, pittoresken Umgebung können wir dem Tesla Model 3 eine hohe Alltagstauglichkeit attestieren. Trotz einiger Tagesausflüge mussten wir genau ein einziges Mal laden, was natürlich auch den milden Temperaturen geschuldet ist. Aber auch davon abgesehen, gab sich das Tesla Volumenmodell unkompliziert und stressfrei.
Unser Fazit zum Tesla Model 3 Long Range Dual Motor
Ist das Tesla Model 3 das beste Elektroauto auf dem Markt? Ja und nein. Ja, weil kein anderer Hersteller so kompromisslos auf E setzt wie die Kalifornier und man diese Philosophie an zahllosen Stellen im Model 3 wiederfindet. Und nein, weil diese Kompromisslosigkeit – auch die von Elon Musk – Kompromissbereitschaft von den potenziellen Kunden erfordert. In puncto Reichweite, Ladeverhalten und Reisekomfort konnte uns das Model 3 auf ganzer Linie überzeugen. Zu einem modernen Auto gehören aber auch moderne Features wie Head-Up-Display, Matrix-LED und zumindest eine kleine Auswahl an zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen. Hoffen wir, dass Elon Musk ein Einsehen hat. Denn die Alltagstauglichkeit der Elektromobilität hat er mit dem Model 3 längst bewiesen.
Tops
- Elektromobilität konsequent umgesetzt
- sehr gute Effizienz trotz enorm hoher Leistung
- perfekte Integration der Ladestopps in Navi-Route
Flops
- Autopilot mit Schwächen
- kaum Ausstattungsoptionen und fehlende moderne Features
Alle getesteten E-Autos: City Transformer Prototyp | Fiat 500e | Honda e | KIA EV6 | Opel Rocks E | Polestar 2 | Porsche Taycan | Smart EQ Forfour | Tesla Model 3 Dual Motor Long Range | VW ID.3 | VW ID.BUZZ
Words: Patrick Gruber Photos: Robin Schmitt