Ladestopps für E-Autos sind lästige Zeitverschwendung? Dann habt ihr noch nicht das ungeahnte Potenzial erkannt! Denn die Ladepausen sind die ideale Gelegenheit, um Zeit zu gewinnen, Neues zu lernen oder Dinge zu tun, die im durchgetakteten Alltag viel zu kurz kommen. Also, jammern wir nicht und freuen uns auf die nächste Ladung Zeit.
Zeit scheint heutzutage ein knappes Gut zu sein. Alle beklagen sich, dass sie keine Zeit für sich haben, dass sie zum Beispiel überfällige Anrufe nicht erledigen können – kurzum: dass sie mal wieder zu nichts gekommen sind. Aber stimmt das wirklich oder sind es nur faule Ausreden? Oder wissen die meisten gar nicht, wie viel Zeit sie eigentlich wirklich haben und wie man sie sinnvoll nutzen kann?
Zeit kann man nicht verlieren, man kann sie nur verschwenden. Doch mit ein paar cleveren Tricks und Tipps kann man sie sogar für sich gewinnen! An der Schnellladesäule verbringen wir mindestens 15 Minuten mit Warten, je nachdem, wie viel unser E-Auto aufnehmen kann. Was also können wir gerade auf Langstreckenfahrten mit dieser geschenkten Zeit anfangen? Ja, ihr lest richtig: Es ist wie bei einem Dialog zwischen dem emeritierten Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus in dem Film “Two Popes”: Darf man während dem Beten rauchen? Nein. Darf man während dem Rauchen beten? Ja, klar!
Was lernen wir daraus? Alles ist eine Frage der Perspektive und wenn wir die (Lade-)Zeit als Gewinn sehen, dann erst können wir sie auch sinnvoll nutzen.
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen. – Lucius Annaeus Seneca
Wir sind der Überzeugung: Bei Ladestopps sieht man gerne die Probleme, aber nicht die Möglichkeiten, die sich uns auf einmal anbieten. In einer auf Effizienz getrimmten Welt, muss alles immer schneller und zeitsparender geschehen, getreu dem Motto „Wer rastet, der rostet.“ … Bullshit! Zählt nicht vielmehr der Genuss am Reisen, die bewusste Zeit, die man sich dafür nehmen sollte? Anstatt mit Maximalgeschwindigkeit und mit möglichst wenig Pausen über die Autobahn (oder durchs Leben) zu rasen, könnte man sich doch einfach mal Zeit lassen – hat man aber nie gemacht, schließlich war es fast schon ein Statussymbol, in 4 ½ Stunden von Stuttgart nach Mailand zu fahren. Aber wäre es nicht schöner, sich später an Dinge zu erinnern, die man auf seinen Reisen erlebt hat? Gespräche, die man geführt und verrückte Dinge, die man getan hat? Wir haben in rund 7 Jahren regelmäßiger Elektroauto-Ladezeit schon so einiges erlebt: Paraglider-Starts auf der Wiese hinter der Ladestation beobachtet, auf dem Camping-Stuhl im Schatten Karten gespielt, ein Nickerchen im Dachzelt gemacht, oder ein Kaltgetränk getrunken, weil man, bis das Auto voll war, eh schon wieder nüchtern war… (ja, das war die Zeit vor HPC!)…
Eine zentrale Frage, die man sich stellen sollte: Was würdest du machen, wenn du eine halbe oder eine ganze Stunde an freier Zeit hättest? Man könnte z. B. 10 Minuten am Tag Vokabeln lernen. Apropos, die erste Vokabel fällt uns da gerade ein:: „Warten“ heißt auf Spanisch „esperar“. Und das hat gleich zwei Bedeutungen, denn es kann auch mit „auf etwas hoffen“ übersetzt werden. Wenn das kein Omen ist …
Willkommen in der neuen Welt – So geht Elektroauto laden richtig!
Am Anfang war alles noch aufregend und neu: Bei den ersten Ladeversuchen standen die E-Novizen noch andächtig vor dem großen Ladescreen und ließen die Ladekurve kaum aus den Augen, um ja nichts zu verpassen. Mit der Anschaffung eines E-Autos war man quasi über Nacht Mitglied in einem exklusiven Club der Kilowattstunden-Analytiker geworden und die Adrenalinkurve schoss synchron zur Ladeleistung in die Höhe. Tempi passati – gerade bei Langstreckenfahrten mit mehreren Ladestopps können viele das Burger-Menü und den Fastfood-Coffee-to-Go spätestens beim dritten Nachladen nicht mehr sehen und es stellt sich schnell eine lange Ladeweile ein. Was man dagegen tun kann? Start-ups arbeiten schon längst an Ideen, wie man die Zeit an der Ladesäule mehr oder weniger sinnvoll verbringen kann – in Shanghai soll man den Lademonitor parallel zum Karaoke singen nutzen können. Aber anstatt auf verheißungsvolle zukünftige Technologien zu hoffen, können wir unsere Zeit auch selbst in die Hand nehmen und wirklich sinnvolle Dinge tun.
1. Beim Elektroauto-Laden die eigenen Batterien aufladen
Take a break, nicht nur fürs Auto, sondern auch für sich selbst. Yoga ist ideal. Es muss ja nicht gleich der Adler sein, Anfänger können gerne mit dem Baum oder dem Dreieck starten. Für Business-Menschen auf dem Weg ins entscheidende Meeting empfiehlt sich der Krieger, um den Körper mit Energie aufzuladen. Kostenlose Yoga-Apps gibt es inzwischen mehr als Yoga-Positionen und wer möchte, darf sich natürlich an Qigong oder Stretching versuchen. Ommmmmmmm.
Und da wären wir auch schon bei der Meditation, dem eigentlichen Ziel beim Yoga. Zugegeben, die Grenze zwischen Meditation und Schlafen ist gerade bei Anfängern fließend. Aber egal, wie man es nennt, sich mal eine Viertelstunde Zeit für sich zu nehmen, ist für die meisten hektischen Zeitgenossen eine echte Herausforderung. Es gibt nichts Schwierigeres, als sich darauf zu konzentrieren, an nichts zu denken und die Gedanken frei zu lassen. Auch hier gibt es Apps, die den Einstieg erleichtern. Alternativ einfach mal ohne App die Seele baumeln lassen, das Treiben auf dem Parkplatz begutachten und sich auf die eigene Atmung oder den Moment konzentrieren. Oder: Die Augen auf der Bank im Schatten unterm Baum schließen – ein richtiger Powernap will geübt sein, ist aber ein wahrer Energie-Boost!
2. Healthy Gourmet statt Fast Food
Das hat man früher schon gemacht – und ist heute noch genauso gut: Die alt bekannte Vesperpause und das klassische Picknick sind naheliegend und eine gute Alternative für alle, die Wert auf eine gute Ernährung legen. Punkt.
Szenenwechsel. Wir bestellen das Fast-Food-Menü an der Autobahnraststätte hoch und runter und sind froh, dass uns dabei keiner auf die Finger klopft. Doch der Überkonsum von Burger, Fritten und Donuts der benachbarten Fast-Food-Location führt zwangsläufig zu dicken Bäuchen, Gewissensbissen, Reue oder Diäten im Anschluss, mit denen man sich herumschlagen muss. Unser Cholesterinspiegel wird es uns danken, wenn wir für längere Fahrten Obst, Gemüse und Müsli einstecken. Ladepausen-Profis gehen da noch einen Schritt weiter und kümmern sich um gewisse Details.
Hier einige Tipps:
- Sonnenschirm und Liegestuhl
- Picknick-Decke für ein Nickerchen.
- Bereitet euch etwas Leckeres vor, dann habt ihr schon die Vorfreude auf den nächsten Ladestopp.
- Spiele für die Kids: Fußball, Badminton oder Hüpfseile immer parat haben!
- Spielt ihr lieber Golf? Dann nehmt euch doch Schläger und eine Putting-Green-Matte mit. Lieber mal was Neues probieren?
3. Lade dein Elektroauto dort, wo auch was geht!
Es gibt mittlerweile viele spannende Ladespots, die in unmittelbarer Umgebung so einiges zu bieten haben. Da man ohnehin laden muss, lohnt es sich, ein paar coole Lade-Spots vorab herauszusuchen und sie aktiv in die Reiseplanung mit aufzunehmen. So wird das Laden zum High- statt zum Lowlight. Checkt mal rund um den geplanten Stopp die Besonderheiten aus:
Hier einige Tipps:
- Gibt es einen Badesee um die Ecke? Ein Brompton-Faltrad ist euer Get-away für kürzere Distanzen 😉
- Lohnt es sich, in einer kleinen Stadt zu laden und dort eine Kurzbesichtigung mitzunehmen?
- Gibt es eine kleine Freizeitanlage, auf der ihr eine schnelle Runde Minigolf spielen könnt? (wie z. B. bei uns in Rutesheim:))
4. Telefonieren
Nein, wir meinen jetzt nicht die täglichen Business- und Wohlfühl-Telefonate, sondern die Anrufe und Gespräche, die wir immer hinausschieben, weil gerade keine Zeit ist oder man sich schlichtweg davor drücken möchte. Das kann das Gespräch mit den Eltern oder der Oma sein, das mal wieder dringend nötig wäre, oder einfach der Anruf beim Arzt, um den nächsten Vorsorgetermin für die Darmspiegelung auszumachen. Keine Ausreden mehr – ihr habt jetzt Zeit! Außerdem kann man den Pflichtanruf nach kurzer Zeit wieder beenden, mit dem Hinweis, dass ihr das Auto abstöpseln müsst. Ein mega Vorteil, vor allem, wenn eure Liebsten oder euer Chef so richtige Quasselstrippen sind!
5. Buch, Hörbuch, Podcast
Ja, ihr habt richtig gelesen: Es gibt immer noch auf Papier gedruckte Bücher – keine Angst, sie beißen nicht. Eine super Möglichkeit, mal für 15 Minuten das Smartphone auszuschalten und in ganz neue oder auch vergessene Welten einzutauchen. Egal, ob ihr zu den 13½ Leben des Käpt’n Blaubär von Walter Moers greift, dem kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry oder lieber zu unserem Klassiker, dem DOWNTOWN Jahresmagazin. Hauptsache ihr fangt damit an. Also, Buch ins Handschuhfach und los geht’s! Für alle, die mit gedruckten Buchstaben nichts anfangen können, wurden die Hörbücher und Podcasts erfunden. Klar kann man sie auch während der Fahrt anhören, aber da verliert man bei den „Nebenaktivitäten“ des Autofahrens sehr schnell den Faden. Beim Ladestopp kann man bei spannenden Themen viel bewusster zuhören. Damit wird der Ladestopp wie ein Autokino für die Ohren: mit – pardon, jetzt auch mal weniger gesund – Popcorn reinsetzen und John Sinclair oder True Crime Podcasts lauschen – und beim nächsten Ladestopp dann das Popcorn wieder raussaugen (Punkt 6).
6. Sauberkeit und Ordnung – Jetzt ist eure Chance!
Während das Auto neue Energie tankt, kann man prima die Zeit nutzen, um das Wageninnere aufzuräumen. Leere Cola-Dosen entsorgen, alte Belege im Handschuhfach sortieren, Überreste des letzten Familienausflugs von den Rücksitzen entfernen und längst verloren geglaubte Kleinode zwischen und unter den Sitzen sicherstellen. Fortgeschrittene greifen zum Mikrofasertuch und polieren ihr Auto innen auf. Dann kann man beim nächsten Ladestopp auch mit gutem Gewissen schlafen.
7. Den Musik-Horizont erweitern
Wir alle sind Gewohnheitstiere und dazu gehört auch, dass sich unser Musikgeschmack meist in der ganz eigenen Komfortzone bewegt. Die einen gehen bei Metal oder Hard Rock ab, die anderen verlieren sich in klassischer Musik. Dazwischen liegen unendliche Musikwelten. Unser Tipp: Nutzt die Ladezeit doch mal, um neue Sounds kennenzulernen. Lasst euch vor der Fahrt von Freunden Playlists geben oder fragt nach deren Top Ten-Listen. Und wer keine Idee oder Freunde an Musik-Know-how hat, der kann sich diese coole Spotify-Playlist reinziehen.
8. Lernen beim Laden: Zeit für neue Hobbys
Überlegt nicht lange und startet mit einem neuen Steckenpferd. Sei es, um sich fortzubilden, eure Freunde später damit zu beeindrucken oder einfach nur, um eure eigene Batterie aufzuladen. Wir haben 3 Vorschläge:
Sternegucken für Nachtaktive
Verlegt den Ladestopp auf den Abend. Manche Lade-Anbieter ziehen es vor, ihre Ladesäulentankstellen auf der grünen Wiese statt in die Innenstadt zu stellen. Da lockt nicht nur die Natur, man hat auch weniger Lichtverschmutzung in der Nacht. Ideal, um mit dem Teleskop aus dem Kofferraum tiefe Einblick ins Universum zu ergattern. Wusstet ihr, dass es auf der Venus Diamanten regnet? Die Venus ist, wie vier weitere Planeten aus unserem Sonnensystem, auch ohne Teleskop mit bloßem Auge sichtbar. Apps wie Night Sky helfen bei der Orientierung. Und wenn man sich die Sternbilder einprägt, ist man auch bald in der Lage, im Dunkeln ohne Kompass zu navigieren – versprochen, großes Pfadfinderehrenwort!
Jonglieren
Jonglieren, echt? Sind uns die Punkte auf der Liste ausgegangen? Nein, wirklich! Auf der Liste aller Fähigkeiten, die leicht zu erlernen, aber schwer zu meistern sind, steht Jonglieren ganz oben. Im Schnitt braucht es nur 15 Minuten konzentrierte Übung täglich, um mit drei Bällen Jonglieren zu lernen. Ok, mit drei brennenden Kettensägen braucht es jahrelanges Training und ein feuerfestes Holzfällerhemd. Unser Rekord liegt momentan bei vier Bällen und einer Dose Bier gleichzeitig. Wenn euch bei Yoga die Action fehlt, dann ist Jonglieren vielleicht das Richtige. Es trainiert die Hand-Augen-Koordination und den Gleichgewichtssinn des Körpers. Das hält Körper und Geist fit, macht richtig Spaß und erfreut auch die zuschauenden Lader an der Säule nebenan.
Singen oder Musizieren ohne Zeugen
Manche Hobbies erfordern Abgeschiedenheit. Ihr lebt in einer hellhörigen Wohnung oder traut euch noch nicht, vor euren Mitbewohnern Pavarottis Interpretation von Nessun Dorma zu üben? An der Ladesäule findet ihr häufig noch die vertraute Einsamkeit, die ihr dafür benötigt. Durch den gelegentlichen Ladestopp würde es zwar Jahrzehnte dauern, um nach der 10.000-Stunden-Regel zum Meister zu werden. Aber 3 Mal pro Woche autodidaktischer Gesangsunterricht zahlt sich bereits nach wenigen Wochen aus. Genau das gleiche gilt für ein Instrument. Top Tipp: Mit einem Adapter und der richtigen App könnt ihr euer Smartphone als E-Gitarrenverstärker nutzen und den Sound über die Boxen eures Autos ausspielen. Jetzt fehlt nur noch die App, die das Fernlicht auf den Gitarrensound abstimmt, dann heißt es: Bühne frei und Rock im (Ladensäulen-)Park(-Platz)!
9. Neue Leute kennenlernen
Das ist an den Schnellladesäulen kein Problem: Entweder ihr übt gerade eure neuen Hobbys aus, dann seid ihr mit Sicherheit sofort im Gespräch, oder ihr werdet selbst aktiv. Voller Stolz auf das eigene E-Gefährt, wird sich jeder gerne in ein Gespräch über Reichweiten, Lade-Taktiken oder Fernziele verwickeln lassen. Probiert es aus, so einfach und locker habt ihr noch nie Leute kennengelernt. Da kann sogar Tinder nicht mithalten
10. Mountainbike/ E-Mountainbiken (obviously)
Wir bei DOWNTOWN befassen uns am liebsten mit urbaner Mobilität, das heißt aber nicht, dass wir nicht auch gerne sportlich-spaßig auf zwei Rädern unterwegs sind. Unser DOWNTOWN-Redaktionsteam ist auch für unsere anderen Magazine ENDURO, GRAN FONDO sowie E-MOUNTAINBIKE zuständig und jettet regelmäßig um den Globus, um die neuesten Rennräder und (E-)Mountainbikes zu testen. Informiert euch mal auf den einschlägigen Seiten über die Trails in der Nähe eurer Ladesäulen, selbst bei einem nur kurzen Ladestopp von 15–30 Minuten sind je nach Länge des Trails ein bis zwei Abfahrten drin, mit dem E-Mountainbike sogar noch mehr. Also, Bike einpacken und los gehts! Oder ihr seid auf dem Weg in den Urlaub und habt sowieso ein Bike mit auf dem Heck- oder Dachträger? Dann ist ein Ladestopp doch mehr als Willkommen. Apropos – wusstet ihr schon, dass ihr mit dem von uns getesteten KIA EV6 auch euer E-Bike aufladen könnt? Aber Vorsicht: E-Mountainbiken kann süchtig machen. Es braucht nicht viele Abfahrten und schon kann es euch passieren, dass ihr den Ladestopp am Stadtrand nur als Vorwand für eine kleine Feierabendrunde vorschiebt und dabei die Ladesäule um die Ecke bewusst überseht;)
Zeit gewinnen oder Zeit verlieren? Immer eine Frage der Perspektive: Man kann sich über vermeintlich überflüssige Wartezeiten aufregen oder Aufregendes machen. Beim E-Auto weiß man im voraus, dass man Ladezeit einplanen muss. Also macht diese Minuten bewusst zur Me- und Quality-Time, dann sind Zwangsunterbrechungen bei langen Autofahrten in Zukunft kein Problem mehr, sondern willkommene Abwechslung. Euer Auto lädt, und ihr dürft euch selbst eine Auszeit nehmen. Wir sind dann mal wieder laden, Schatz!
Words: Susanne Feddersen, Rudolf Fischer Photos: Mike Hunger, Peter Walker, Robin Schmitt