Winora verspricht mit dem neuen Commuter maximalen Spaßfaktor. Für 2.599 € bietet das WINORA E-Flitzer ein Design, welches man wohl am ehesten als skandinavisch angehauchten Minimalismus beschreiben könnte. Kann das WINORA mit MAHLE X35+ Nabenmotor im Praxistest überzeugen und für strahlende Gesichter beim Pendeln und im Alltag sorgen?

WINORA E-Flitzer | MAHLE X35+/250 Wh | 17,3 kg in Größe L | 2.599 € | Hersteller-Website

Die Auswahl an E-Commuting-Bikes ist groß. Wenn man die Suchmaschine seiner Wahl mit den Worten günstig und E-Commuter füttert, wird man förmlich mit Ergebnissen überhäuft. Wie Aschenputtel dabei die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen zu sortieren, ist mühevoll und ohne Fahreindruck fast unmöglich. Am Ende kommt es immer auf das Gesamtkonzept an und gerade im günstigeren Segment sind die Unterschiede gigantisch! Wir helfen euch und ordnen das WINORA grob ein. Das E-Flitzer fällt in die Kategorie “Understatement in Design und Power” – es gehört also zu den Bikes mit geringer Unterstützung, aber auch geringem Gewicht. WINORA setzt mit dem MAHLE X35+ auf ein schlankes Design und eine schlichte Motor-Integration. Es will sich in diesem spannenden Segment zwischen anderen leichten E-Bikes wie dem Specialized Vado SL 5.0 EQ, dem Riese & Müller UBN Seven mit FAZUA Ride 60 oder dem Urwahn Platzhirsch etablieren. Mit einer UVP von 2.599 € stellt das WINORA seine Rivalen in puncto Preis auf jeden Fall schon einmal in den Schatten. Es ist mit dem MAHLE X35+ Nabenmotor ausgestattet und wiegt in der von uns getesteten Größe L 17,3 kg. Zum Vergleich: Das Specialized Vado SL 5.0 EQ wiegt 16,42 kg und kostet mit dem SL 1.1-Mittelmotor 4.600 €. Das Riese & Müller UBN Seven mit FAZUA Ride 60-Mittelmotor bringt 19 kg auf die Waage und kostet stolze 5.049 €. Es kommt natürlich nicht nur auf den Preis oder das Gewicht, sondern auch auf relevante Details wie Funktionalität und Fahreigenschaften an. Zudem sind Mittelmotoren grundsätzlich teurer als Nabenmotoren und bringen vor allem bergauf Vorteile. Doch der Vergleich mit der Konkurrenz bietet eine erste Orientierung.

WINORA E-Flitzer beim Speed Date – ist das wirklich ein E-Bike?

Auf den ersten Blick wirkt das WINORA E-Flitzer wie ein ganz normaler Commuter, erst beim zweiten Hinsehen erkennt man den MAHLE X35+ Motor, der sich im Hinterrad versteckt. Beim Rahmendesign setzt WINORA auf Minimalismus – die Linienführung ist so simpel wie klar. Auch bei der Lackierung kommen Minimalisten auf ihre Kosten, lediglich auf dem Oberrohr und den Kettenstreben befinden sich unauffällig in Schwarz gehaltene Schriftzüge. Ebenso dezent ist das Logo von WINORA am Steuerrohr platziert. Allgemein wirkt das E-Bike optisch sehr aufgeräumt und schlicht.

Clean – Der zweite Vorname des WINORA E-Flitzer?
Die Zugführung ist in der Seitenansicht schon fast ideal.

Die Ausstattung des WINORA E-FLitzer

Mit den Ausstattungspaketen des E-Flitzers erleichtert uns WINORA die Auswahl – es gibt nämlich nur eines. Bei der Rahmenfarbe könnt ihr zwischen unserer Testbike-Farbe DarkCherry Matt oder Darkslategrey Matt wählen. Beide Farben sind sehr dezent und wirken durchaus edel. Hochwertig sind auch die Schweißnähte am Alu-Rahmen des E-Flitzers, an den sich die verbaute Carbon-Gabel schön anschmiegt. Der Commuter ist in den Rahmenhöhen 42, 46, 50 und 55 verfügbar, was etwa den Rahmengrößen XS bis L entspricht. Auf der Website findet ihr einen Größenrechner, der die Rahmengröße nicht einfach aus der Körpergröße errechnet, sondern praxisnah Körpergröße, Beinlänge, Armlänge sowie die gewünschte Sitzposition zur Berechnung abfragt. Für elektrischen Rückenwind sorgt ein X35+ Nabenmotor mit 40 Nm und einem 250 Wh starken Akku, detaillierte Infos dazu folgen später im Text. Geschaltet wird mit einer Shimano DEORE 11-fach-Schaltung, die eine Bandbreite von 11 bis 42 Zähnen zur Verfügung stellt.

Der MAHLE X35+ gepaart mit der DEORE 11-fach-Schaltung von Shimano.

Gebremst wird das WINORA E-Flitzer mit TEKTRO-Bremsen. Die R280-Scheibenbremse mit 160-mm-Bremsscheiben siedelt sich zwar im Budget-Bereich von TEKTRO an, bewerkstelligt ihren Job bei leichten Fahrern aber ausreichend. Für Personen jenseits der 80 kg-Grenze ist eine größere Bremsscheibe an der Front empfehlenswert, vor allem bei langen oder steilen Abfahrten. Durch die praxistauglichen Schutzbleche, das ins hintere Schutzblech integrierte Busch + Müller XELTEC-Rücklicht und das 550 lm starke Litemove-Frontlicht ist das WINORA E-Flitzer zweckmäßig zum Pendeln bei Tag und Nacht ausgestattet. Das Frontlicht befindet sich mit seiner Leuchtkraft eher im Mittelfeld, hat aber einen natürlichen Lichtkegel. Beim Blick auf das Cockpit fällt die schöne Zugverlegung durch den Steuersatz und die Gabel auf. Das trägt zur cleanen Optik des Fahrrads bei, geht aber leider zulasten der Service-Freundlichkeit.


WINORA E-Flitzer

2.599 €

Ausstattung

Motor MAHLE X35+ 40 Nm
Akku MAHLE SmartBike System InTube 250 Wh
Bremsen Tektro R 280 160/160 mm
Schaltung Shimano Deore 1x11
Vorbau Alu a-ahead mm
Lenker Topflat 640 mm
Laufradsatz Ride Rival19 27,5"
Reifen Continental Contact Urban 2,0"

Technische Daten

Größe XS S M L
Gewicht 17,3 kg
Ständeraufnahme ja


Der 550 lm starke Scheinwerfer von Litemove weist einem auch bei Nacht den Weg.

Wie ist die Handhabung des WINORA E-Flitzer?

Ein aufgeräumter Look, geringes Gewicht und Minimalismus gehen oftmals mit Kompromissen in der Handhabung einher. Durch den integrierten und nicht entnehmbaren Akku im Unterrohr konnte zwar ein schlankes und cleanes Rahmen-Design umgesetzt werden. Im Gegenzug lässt sich der Akku jedoch nicht außerhalb des Bikes laden, was für Personen ohne Lademöglichkeit im Erdgeschoss definitiv ein Nachteil ist. Die wenigsten wollen ihr E-Bike in die Wohnung tragen, einzig das vergleichsweise geringe Gewicht von 17,3 kg spendet hier noch etwas Trost und macht das Verladen, Verräumen oder Überwinden einiger Treppenstufen leichter. Zum Vergleich: Im urbanen E-Bike-Bereich liegt das Gewicht ähnlicher Fahrräder oftmals jenseits der 25 kg.

Die 17,3 kg Fahrradgewicht kommen der Handhabung zugute.

Data-Fans und Freunde der Individualisierung aufgepasst! MAHLE bietet mit “My Smart Bike” eine intuitiv gestaltete App zu ihrem Motor an. Es ist kinderleicht, das Motorkennfeld – also das Ansprechverhalten und die Leistungsabgabe des Motors – selbst zu gestalten oder die Daten der letzten Tour und den genauen Zustand des Akkus einzusehen. Als weiteres Feature für Fitnessfanatiker kann die Leistungsabgabe bzw. Motorunterstützung auch pulsgesteuert erfolgen. Es ist wie mit einem guten Trainingspartner: Er unterstützt so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Über 25 km/h stoppt der MAHLE X35+ Motor seine Unterstützung feinfühlig und lässt den Fahrer des E-Flitzer geschmeidig von dannen ziehen. Vielleicht spart dir das WINORA sogar den nächsten Gang ins stickige Fitnessstudio. Den Motor ohne zugehörige App zu bedienen, ist denkbar einfach: Mit einem Knopfdruck auf der Steuerung im Oberrohr nimmt man das Fahrrad in Betrieb – mit jedem weiteren Drücken schaltet man die Modi durch.

Die Remote des Mahle X35+. Schlicht und minimalistisch.

Im Falle eines Plattfußes wird es dann aber leider kompliziert. Um das Hinterrad auszubauen, muss die Stromzufuhr vom Akku zum Motor getrennt werden. Eigentlich kein Problem; die selbige aber wieder zu verbinden, kann zur Tortur werden. Dieses Problem hätte WINORA mit dem neuen X20 von MAHLE, der zudem leichter und schlanker ist, umgehen können. Der neueste Motor aus dem Hause Mahle bietet eine simple Steckverbindung am Ausfallende, die den Aus- und Einbau des Hinterrads im Vergleich zum X35+ deutlich vereinfacht. Punkte sammelt das WINORA E-Flitzer dagegen wieder mit dem MIK-Gepäckträgersystem. Es ermöglicht das einfache und sichere Befestigen von Zubehör wie einem Fahrradkorb, Satteltaschen oder Ähnlichem.

Das MIK-Gepäckträgersystem ist eine Bereicherung für jedes Commuting-Bike.

Kann man mit dem E-Flitzer flitzen? – So fährt sich der Commuter von WINORA im Test

Die dynamische Commuter-Optik setzt sich bei der Sitzposition fort. Bei der von uns getesteten Rahmengröße L (die größte Größe) sitzt man mit einer Körpergröße von 183 cm kompakt, aber leicht frontlastig auf dem Rad. Auf Dauer kann das die Handgelenke belasten, trägt dafür aber zu einer sportlichen Sitzposition bei. Trotz der dynamischen Optik bleiben die Commuting-Fähigkeiten durch die schützenden Schutzbleche und den praktischen MIK-Gepäckträger erhalten. Das WINORA E-Flitzer ist wendig und reagiert direkt auf Lenkbewegungen. Praktisch, denn gerade im Stadtverkehr ist man froh, Hindernissen zügig ausweichen zu können.

Wendig durch den Stadtverkehr.

Falls man beim Commuten oder dem Ausflug in die Altstadt auf das innerstädtische Kopfsteinpflaster trifft, sorgen die Continental CONTACT Urban-Reifen mit einer Breite von 2,00” für etwas Restkomfort im minimalistischen Gesamtpaket. So fühlt man sich wie ein Martini – allerdings gerührt, nicht geschüttelt. Solange man sich auf der Ebene befindet, schiebt der Motor gut an. Wird es aber steiler, wie bei der Hasenbergsteige in Stuttgart, kommt der Nabenmotor an seine Grenzen. Mit zunehmender Steigung nimmt die Motorunterstützung immer weiter ab, da Hinterrad-Nabenmotoren bauartbedingt eine recht hohe Drehzahl benötigen, um ihre Leistung zu entfalten. So fällt das Erklimmen von steilen Anstiegen merklich schwerer als mit einem Mittelmotor. Es ist wie mit gutem Rückenwind – der Vorteil nimmt mit zunehmender Steigung ab. Je nach Drehzahl erzeugt der Motor ein konstantes Surren. Im Vergleich zu teureren Motoren, wie dem TQ, ist das deutlich stärker zu hören. Pendelnde in weitestgehend flachen Städten oder sportliche Urbanisten, die trotz elektronischem Rückenwind die Herausforderung suchen, werden an diesem schicken Stadtflitzer Gefallen finden! Aufgrund der eingeschränkten Rahmengröße ist das Bike für Menschen über 190 cm allerdings nicht geeignet.

Tuning-Tipp: Bremsscheibe mit 180 mm Durchmesser am Vorderrad verbauen | MIK-Korb oder Gepäcktaschen für den Gepäckträger verwenden

Fazit zum WINORA E-Flitzer

WINORA schafft es, uns dank des E-Flitzers mit einem Lächeln ins Büro zu schicken. Es ist kein Über-E-Bike oder State-of-the-Art-Fahrrad mit neuesten Technologien, dafür aber minimalistisch unaufgeregt, funktional und solide bei einem vergleichsweise geringen Gewicht und Preis von 2.599 €. Das E-Flitzer ist leider nicht in Rahmengröße XL erhältlich und so für große Menschen nur eingeschränkt zu empfehlen.

Tops

  • gutes Preis-Leistungsverhältnis
  • schöne Motor-Integration
  • cleaner Look trotz Vollausstattung

Flops

  • große Menschen gehen leer aus

Mehr Informationen unter winora.com.

Words: Philip Grünewald Photos: Julian Lemme