Lautes Röhren ade! Mit dem Urwahn Platzhirsch rollt es sich leise und schick. Der Design-Drahtesel wird zu einem Großteil in Deutschland hergestellt, kommt mit elektrischer Unterstützung von MAHLE und wahlweise Riemen- oder Kettenantrieb. Ob das Bike durch Alltagstauglichkeit überzeugt, lest ihr hier.
Heutzutage mit einem Stadtrad noch einen echten Hingucker zu erschaffen, ist leichter gesagt als getan. Anstatt immer mehr zum Bike hinzuzufügen, haben die Entwickler des neuen Urwahn Platzhirsch einfach etwas weggenommen – das Sattelrohr. Dieses Konzept haben sie jedoch nicht nur beim Platzhirsch angewandt, sondern direkt auf ihre gesamte Produktpalette übertragen – ein Markenzeichen sozusagen. Der elegante und auffällige Look, der durch das größtenteils verschwundene Sattelrohr erzeugt wird, wird mit großer Sicherheit das Interesse designorientierter City-Biker auf sich ziehen. Für die verschiedenen Varianten des Bikes (Riemen- und Kettenantrieb) wird der gleiche Rahmen verwendet. Durch die elektrische Unterstützung des 40-Nm-MAHLE-Motors richtet sich das Platzhirsch aber auch an die nachhaltigen Pendler der Städte, die ganz nebenbei Wert auf ein mondänes Erscheinungsbild legen. Nachhaltig zum einen, weil Fahrradfahren umweltfreundlich ist, und zum anderen, weil der Stahlrahmen zu 100 % in einem kleinen Umkreis in Deutschland gefertigt wird und dazu die Arbeitsbedingungen fair und transparent sind. Hier haben die Entwickler von Urwahn aber nicht aufgehört zu optimieren und sich auch bei dem 15,6 kg Gesamtgewicht, dem integrierten Lichtsystem und den variablen Antriebssystemen auf moderne Lösungen konzentriert. Urwahn verlangt für das Modell mit Riemenantrieb einen Basispreis von 4.699 €, bei der Ausführung mit Kettenschaltung kostet die günstigste Variante 5.199 €. Optionale Anbauteile, wie Schutzbleche oder Gepäckträger, sind gegen Aufpreis verfügbar.
3D-gedruckter Rahmen des Urwahn Platzhirsch
Wäre die Seitenansicht des Platzhirsch ein Suchbild, findet jeder den ersten „Fehler”. Das Sitzrohr endet bei der Verstrebung zur Sitzstrebe und geht geschwungen in diese über. Dadurch erzeugt Urwahn nicht nur designtechnisch einen Blickfang und spart Gewicht, sondern erhöht auch noch den Fahrkomfort durch die federnde Rahmenstruktur. Bei der Herstellung des Rahmens werden 3D-Druck-Verfahren verwendet und zudem wird auf eine gerechte und nachhaltige Wertschöpfungskette geachtet. Dafür hat Urwahn eigens das Label „Fairframe“ erschaffen. Durch das 3D-Druck-Verfahren bekommt das Platzhirsch einen hochwertigen Look, der optisch fast schon mit einem Rahmen aus Carbon mithalten kann. In Wirklichkeit wird jedoch Stahl für den Rahmen verwendet, der bündig mit der Gabel abschließt. Trotz Stahl anstelle von Carbon bringt das Urwahn Platzhirsch lediglich 15,6 kg – inklusive Schutzbleche und Gepäckträger – auf die Waage und ist damit für ein City-E-Bike recht leicht.
MAHLE X35 – Das Motorsystem des Urwahn Platzhirsch im Detail
Unauffällige Integration ist hier die Devise. Der X35-Hinterradnabenmotor mit 40 Nm von MAHLE Ebikemotion ist für Laien fast nicht auszumachen. Wie die Bezeichnung schon verrät, sitzt der Antrieb in der Hinterradnabe versteckt und bezieht seine Energie über eine Kabelverbindung durch die Achse, die über die Kettenstreben zur Batterie verläuft. Die Batterie mit 250 Wh ist noch unsichtbarer im Unterrohr integriert und passt sich gekonnt an die Silhouette des Platzhirsch an. Der Akku ist nicht entnehmbar und wird am Tretlager durch eine verschraubte Platte und am Unterrohr durch zwei Schrauben fixiert. Am Flaschenhalter kann optional ein etwas kleinerer Zusatzakku mit 208 Wh angebracht werden, falls längere Fahrten auf dem Programm stehen. Gesteuert wird der Antrieb durch eine kleine Remote am Lenker. Durch drei Tasten kann das Bike eingeschaltet, die Unterstützungsstufen ausgewählt und auch das Licht ein- und ausgeschaltet werden. Außerdem lässt sich hier auch die Schiebehilfe aktivieren. Je nach Befehl bekommt man sogar eine haptische Rückmeldung in Form von Vibrationen, die sich je nach Befehl unterscheiden.
Die Ausstattung des Urwahn Platzhirsch
Auch bei der Ausstattung wird viel Wert auf das stilvolle Aussehen gelegt. Um das minimalistische Design zu wahren, wird dafür auf praktische Alltagsfeatures, wie zum Beispiel einen Kettenblattschutz, verzichtet. Die unpraktische Folge kann Öl am Hosenbein sein. Dafür punktet das Urwahn Platzhirsch wiederum bei der Steckachse, die clean und ohne einen Schnellspanner nicht nur schick aussieht, sondern auch gut gegen Gelegenheitsdiebe funktioniert. Für fortgeschrittene Sicherheit sind optional ein GPS-Trackingsystem und eine magnetische Komponentensicherung erhältlich. Bei diesem System von Hexlox werden kleine magnetische Einsätze in die Schraubenköpfe der Bikes gesetzt, was das Abschrauben der Fahrradteile verhindert.
Fun Fact: Das Platzhirsch kann auch durch einfaches wippen der Pedale angetrieben werden, da der Motor seine Unterstützung durch die Differenz der Umdrehungen zwischen Kassette und Nabe berechnet.
Wer mit dem Bike etwas weitere Strecken zurücklegen will, kann sich einen Zusatzakku bestellen, der klassisch am Flaschenhalter angebracht wird. Für die Befestigung des Smartphones am Lenker ist das Platzhirsch standardmäßig mit SP Connect ausgestattet – praktisch zum Navigieren und sehr minimalistisch. Recht minimalistisch sind auch die Shimano MT200-Bremsen des Urwahn Platzhirsch mit nur 160 mm Durchmesser. Längere Bergabfahrten sind damit zwar nicht zu empfehlen, für den Einsatz in der Stadt sind sie aber vollkommen ausreichend. Dazu kommt das Bike entweder mit einem wartungsarmen Riemenantrieb oder einem Kettenantrieb mit 11-Gang Shimano XT-Schaltwerk und einer Gangbreite von 330 %. Neben dem Rahmen sind noch weitere Komponenten „made in Germany”. Dazu zählen beispielsweise der Ergon-Sattel, der Acros-Steuersatz oder die Continental-Reifen. Hier kann man zwischen der GP Urban oder der Terra Speed X-Gravelversion wählen. Urwahn verbaut am Platzhirsch zudem eigene Komponenten, wie etwa die Kurbel oder die Pedale. Vor Nässe von unten schützen solide Schutzbleche aus Aluminium, ebenfalls aus hauseigener Produktion. Die Reifenfreiheit fällt dabei aber sehr gering aus, wodurch sich schnell Laub und Dreck zwischen Reifen und Schutzblech sammeln können. Am Hinterbau sind auf der Nichtantriebsseite am Ausfallende zwar Schraubverbindungen für einen Ständer vorhanden, von Urwahn gibt es aber kein Angebot.
Der Ritt auf dem Platzhirsch – Was kann das Light-E-Bike im Test?
Das Design des Urwahn imponiert auf den ersten Blick. Manche mögen zwar durch das fehlende Sitzrohr zu Beginn irritiert sein, doch dadurch lenkt das Platzhirsch definitiv die Aufmerksamkeit auf sich. Die ovalen und runden Formen wirken modern und sind dezent mit dem Urwahn-Logo an mehreren Stellen versehen. Selbst kleine Elemente wie die Spacer unter dem Vorbau sind an das Fahrradkonzept angepasst worden. Sie führen die Kabel geordnet durch den Steuersatz, sodass der Rahmen komplett frei von Kabelports bleibt. Das ergänzt die organischen und sauberen Formen des Rahmens und verdeutlicht zusammen mit den weichen Übergängen die Liebe zum Detail. Der Minimalismus macht sich ebenfalls bei den Schutzblechen und dem Gepäckträger bemerkbar. Gerade beim Gepäckträger ist das aber eher ein Verlust, da hier keine Federklemme, Aufnahme für ORTLIEB MIK oder gar ein Reflektor angebracht sind. Dafür kann man per Schnellspanner bis zu 18 kg transportieren und die Befestigung am Schutzblech ist beinahe unsichtbar. Auch an der Front hat die Gabel eine unmerkliche Aufnahme für das Schutzblech, die sich sogar leicht in der Höhe verstellen lässt. Personen mit großen Füßen stoßen allerdings an das Schutzblech, wenn die Füße etwas weiter vorne positioniert werden.
Tuning-Tipp: Schnellspanner und Reflektor für den Gepäckträger
Direkt beim Einstellen der Sattelhöhe vor der Fahrt fällt auf, dass die Verstellbarkeit sehr eingeschränkt ist. Durch das fehlende Sitzrohr beziehungsweise die gebogene Rahmenform und das in die Sattelstütze integrierte LightSKIN-Licht stößt sie schnell an ihre Grenzen. Vor dem Kauf also am besten Probe fahren, um herauszufinden, welche Rahmengröße passt. Die Feststellschraube der Sattelstütze ist hingegen nahezu unsichtbar in die Unterseite des Oberrohrs integriert, ist dadurch einfach zu erreichen und ergänzt den cleanen Look. Genauso sauber sind die LightSKIN-Lichter an Front und Heck mit der Sattelstütze und dem Lenker verschmolzen. Das Rücklicht kann jedoch leicht durch eine längere Jacke oder Gepäck auf dem Gepäckträger verdeckt werden. Das Frontlicht hingegen leuchtet ungehindert den Weg, ermöglicht allerdings nur eine sinnvolle Lenkerposition, weil es nicht eigens verstellt werden kann. Diesen Tribut muss man der nahtlosen Integration zollen. Der Rahmen bietet durch seine offene Konstruktionsweise mehr Flexibilität, als man es von einem „gewöhnlichen” Stadtrad erwarten würde. Zusammen mit dem ergonomischen und gut gepolsterten Sattel sorgt der flexible Rahmen für einen angenehmen Sitzkomfort. Auch die Sitzposition auf dem Platzhirsch ist angenehm aufrecht und zentral. Komfortabel durch die City cruisen, das gelingt mit dem Urwahn Platzhirsch also zweifellos.
Recht sportlich und eher für flache Städte fällt der Antrieb des Urwahn Platzhirsch aus. Mit 46 Zähnen vorne und einer kleinen Gangbreite von 11–36 Zähnen hinten hat es in bergigen Alpendörfern zu kämpfen und ist bei steilen Anstiegen schnell am Limit. Hingegen auf der Geraden sorgt die Unterstützung für ein natürliches Fahrgefühl und fällt durch die sehr geringe Geräuschkulisse überhaupt nicht auf. Ohne große Mühen beschleunigt das Urwahn Platzhirsch geschmeidig bis 25 km/h, danach faded der Motor langsam aus. Das Motorkonzept entspricht demnach nicht nur dem Designanspruch des Bikes, sondern wird auch dem angedachten Einsatzzweck in Großstädten mit wenigen Höhenmetern gerecht. Die Remote fügt sich in das simple Konzept ein und ist intuitiv. Von der Verarbeitung her wirkt sie jedoch etwas unausgereift und wenig liebevoll designt. Haptische Rückmeldung gibt es durch angenehme Vibrationen, die durch verschiedene Farben je nach Modus und Befehl optisch ansprechend ergänzt werden. Allgemein wirkt das Cockpit aufgeräumt, allerdings ist die Anzeige der Gangschaltung etwas oldschool und fügt sich nicht wirklich in den sonst so eleganten Look des Urwahn Platzhirsch. Wir hätten sie lieber weggelassen. Der Ladeport, der sehr tief und mittig auf dem Unterrohr direkt über dem Tretlager sitzt, ist niedrig positioniert und dadurch etwas umständlich zu erreichen. Dafür ist er nicht im direkten Blickfeld, was zur minimalistischen Designsprache passt. Bei einem unachtsamen Umgang kann der Gummistopfen leicht abgerissen werden und hält starkem Regen nur bedingt stand.
Urwahn Platzhirsch
5.729 €
Ausstattung
Motor MAHLE ebikemotion X35 40 Nm
Akku MAHLE ebikemotion 250 Wh
Display MAHLE ebikemotion iWoc TRIO
Fork Urwahn CT1-FK1
Sattelstütze LightSKIN
Bremsen Shimano BL-MT200 160/160 mm
Schaltung Shimano XT 1x11
Vorbau Satori Viper mit Acros ICR
Lenker LightSKIN 640 mm
Laufradsatz Ryde Dutch 19 Disc 28"
Reifen Continental GP Urban / Terra Speed X 1,4"
Technische Daten
Größe XS S M L XL
Gewicht 15,6 kg
Zul. Gesamtgewicht (zGG) 115 kg
Max. Zuladung (Fahrer) 99 kg
Anhänger-Freigabe ja
Ständeraufnahme ja
Besonderheiten
Range Extender
Unser Fazit zum Urwahn Platzhirsch
Designaffine Pendler und diejenigen, die nach etwas Außergewöhnlichem suchen, werden beim Urwahn Platzhirsch fündig. Auch der Wunsch nach Individualisierbarkeit wird beim Antrieb, den Reifen und den zusätzlichen Ausstattungen realisiert. An der Praktikabilität darf man sich nicht zu sehr aufhängen, da sich das Platzhirsch dort etwas zurückhält. Im Grunde hat es jedoch alles, um für den modernen, minimalistischen und mondänen City-Biker attraktiv zu sein und glänzt durch Design und Integration.
Tops
- leiser Motor
- gelungene Integration von Antriebssystem und Licht
- Fairframe made in Germany
Flops
- kurze Sattelstütze
- kleiner Gepäckträger
Mehr Informationen findet ihr auf urwahn.com.
Words: Gabriel Knapp Photos: Julian Lemme