Bosch präsentiert mit dem Performance Line SX-Motor eine Antriebseinheit, die durch ein geringeres Systemgewicht und natürliches Fahrgefühl überzeugen soll. Sprich: leichtere und agilere E-Bikes für die City und darüber hinaus! Was der neue Light-E-Bike-Motor kann und ob er nur für sportliche Fahrer geeignet ist, verraten wir euch.

Mehr Motorleistung, mehr Akkukapazität, mehr Features und mehr Gewicht: Bei vielen E-Bikes ging die Messlatte in Sachen Leistung und Akkukapazität immer weiter nach oben, um der „Reichweitenangst” die Stirn zu bieten oder für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Das geht meist zu Lasten von agilem Handling und leichter Handhabung. Das ist nicht nur bei performanten Mountainbikes ein Thema, sondern auch im urbanen Umfeld, sofern man keine komfortable Garage besitzt, um sein liebstes Zweirad sicher abstellen und laden zu können. Viele müssen ihre Bikes stattdessen über Treppen in die Wohnung hinauf- oder in den Keller hinabtragen und auch auf der Arbeit ist es nicht immer easy, einen leicht zugänglichen Abstellplatz zu finden. Das wissen mittlerweile auch viele Hersteller, weshalb ein Umdenken begonnen hat und der Markt bereits zahlreiche leichtere und agilere E-Bikes mit Nabenmotoren bietet. Zudem erscheinen immer mehr Bikes mit Mittelmotoren, wie das Canyon Roadlite:ON und das Riese & Müller UBN Five mit kompaktem FAZUA Ride 60-Antriebssystem oder das Specialized Turbo Vado SL mit hauseigenem Antriebssystem, das in Kooperation mit MAHLE hergestellt wird. Nun steigt auch der E-Bike-Motoren-Marktführer Bosch in dieses Segment ein und präsentiert den neuen Bosch Performance Line SX-Motor. Der Mittelmotor fällt kleiner und leichter aus als alle aktuell verfügbaren Bosch-Motoren, aber größer und auffälliger als die Konkurrenz von FAZUA, TQ oder Specialized/MAHLE. Er soll sich vor allem an sportliche Fahrer richten und an Light-E-MTBs, Gravel-Bikes oder urbanen Bikes zum Einsatz kommen. Zudem gibt es für den US-amerikanischen und neuseeländischen Markt eine Speed-Variante mit bis zu 45 km/h. Wir waren im E-Bike-Entwicklungszentrum von Bosch, um alle Details vorab zu erhalten und haben den neuen Bosch Performance Line SX natürlich bereits auf dem Trail (siehe E-MOUNTAINBIKE-Magazin) sowie im urbanen Dschungel getestet.

Der neue Bosch Performance Line SX-Motor 2023 im Detail

Durch das silberfarbene Bosch-Logo und den roten Schriftzug ist der Performance Line SX sofort als Motor aus dem Hause Bosch zu erkennen. Von außen blickt man auf ein schwarzes Magnesiumgehäuse, das durch seine Formgebung an den größeren Bruder, den Performance Line CX, erinnert. Auch die klassische Bauweise wurde beibehalten und die Kurbelachse sitzt hinter dem eigentlichen Motor statt übereinander, wie es z. B. beim TQ HPR 50-Motor der Fall ist. Dadurch fällt das Baumaß größer aus als bei anderen Motoren im Light-Segment. Trotz seiner äußeren Ähnlichkeit zum Performance Line CX verzichtet der SX-Motor auf eine dritte Untersetzungsstufe. Aufgrund der anderen Übersetzung verschiebt sich der Effizienzbereich nach oben und der Fahrer muss eine höhere Trittfrequenz aufbringen, um die volle Leistung ausschöpfen zu können. Durch den Verzicht der zusätzlichen Untersetzungsstufe ist der Motor mit 2,05 kg um 750 g leichter geworden. Zudem ist der SX-Motor primär erschlankt – der Volumenunterschied liegt dabei bei ca. 20 % – und das Innenleben ist durch die Schutzart IP54 vor Schmutz sowie Spritzwasser geschützt. In der Breite schrumpft der Q-Faktor von 178 mm auf 160 mm. Dadurch wandern die Kurbel und Pedale etwas näher zusammen, was laut Bosch zu einem natürlicheren Fahrgefühl beitragen soll, wie man es auch von analogen Bikes gewohnt ist. Zudem ist der Motor für 2-fach-Kettenblätter freigegeben. Der Motor hat durch die Schrumpfkur in den Maßen und dem Gewicht etwas abgespeckt, lässt sich aber primär durch den kleineren Akku besser in den Rahmen von schlanken City- und Fitness-E-Bikes integrieren. So gehört der neue Bosch Performance Line SX nicht zu den kleinsten Aggregaten auf dem Markt und lässt den Herstellern nicht völlig freie Hand beim Design. Eine beinahe komplett unsichtbare Motorintegration, wie bei City-Bikes mit Nabenmotor oder mit den extrem kleinen Mittelmotoren von TQ und FAZUA, ist damit nicht möglich.

Die klassische Anordnung im Motorgehäuse wurde beibehalten, aber der SX verzichtet auf eine dritte Untersetzungsstufe.
Äußerlich ähnelt der Performance Line SX seinem größeren Bruder CX.

In Sachen Leistung kommt der Bosch Performance SX auf 55 Nm Drehmoment und 600 Watt in der Spitze. Richtig gelesen: in der Spitze. Denn die maximale Leistung wird nicht dauerhaft vom Motor erbracht, sondern dynamisch geregelt. Diesen Kunstkniff schafft das Antriebssystem durch die Software, die einen gleitenden Durchschnitt der Fahrerleistung ermittelt. Solange der Rider mit einer entsprechenden durchschnittlichen Eigenleistung unterwegs ist, wird er mit bis zu 40 Nm versorgt. Tritt er härter in die Pedale und hebt sich die Eigenleistung vom bisherigen Durchschnitt deutlich ab, zündet die Motorsoftware den Nachbrenner und es werden bis zu 55 Nm vom Motor freigegeben. So bekommen nicht nur sportliche Fahrer das Maximale an Leistung in dynamischen Fahrsituationen raus, sondern die Software steuert auch eine sinnvolle Kombination aus De-Rating – also der Verringerung der Motorleistung bei starker Beanspruchung –, natürlichem Fahrverhalten und guter Reichweite bei.

Die Software des Antriebssystems ermittelt die Durchschnittsleistung des Fahrers und passt die Motorunterstützung dynamisch an unterschiedliche Fahrsituationen an.

Das Level der Unterstützung kann über vier verschiedene Fahrmodi gewählt werden. Neben den altbekannten Fahrmodi kommt die neue progressive Unterstützungsstufe Sprint dazu, die sich nach der Kadenz des Fahrers richtet. Je schneller man in die Pedale tritt, desto mehr Power bekommt man vom Motor beigesteuert und erreicht so eine Unterstützung von bis zu 280 %. Das soll den Rider animieren, immer mehr Eigenleistung zu erbringen und gleichzeitig den sportlichen Aspekt fördern. Der Turbo-Modus unterstützt bis max. 340 %. Letztendlich ist es den Bike-Herstellern überlassen, welche vier Modi in ihren Bikes zum Einsatz kommen. Über die eBike Flow-App lassen sich die Fahrmodi in ihrer Dynamik, ihrem maximalen Drehmoment, der Stärke der Unterstützung sowie der Geschwindigkeit (im Rahmen der gesetzlichen Regularien) anpassen. Neben der Modi-Anpassung liefert die App auch trainingsspezifische Informationen, wie z. B. verbrannte Kalorien der Rides.

Die Unterstützungsstufen lassen sich über die eBike Flow-App auf eigene Präferenzen anpassen.

Die Akkuoptionen für den Bosch Performance Line SX-Motor 2023

Wie so oft funktioniert ohne Strom gar nix. Um ausreichend Energie für den Performance Line SX-Motor bereitzustellen, stellt Bosch einen neuen Akku vor: Der CompactTube 400 kommt, wie der Name schon vermuten lässt, mit 400 Wh und wiegt ca. 2 kg. So schafft es das Gesamtsystem auf schlanke 4 kg, inklusive Kernkomponenten wie Akku und Motor.

Der für den Bosch Performance Line SX entwickelte CompactTube 400-Akku mit 400 Wh kommt zusammen mit dem Motor auf schlanke 4 kg.

Wer lange Pendelstrecken bestreiten muss oder am Wochenende ein Ausflug ins Grüne machen will, hat die Möglichkeit, auf den optionalen und ebenfalls neuen PowerMore-Range-Extender mit 250 Wh zurückzugreifen, der an den Anschraubpunkten des Flaschenhalters transportiert werden kann. Somit kann man die Kapazität des Akkus auf insgesamt 650 Wh steigern und spielt in Sachen Akkukapazität in der Liga vieler urbaner Bikes mit großem Stromspeicher. Wählt man diese Option, erhöht sich die Anzeige der Waage um 1,6 kg. Der Range Extender ist auch mit den bisherigen Stromspeichern im Smart System kompatibel: So kann man für etwas mehr Reichweite und weniger Ladestopps den Performance Line SX auch z. B. mit dem bereits bestehenden PowerTube 500 mit 500 Wh oder allen anderen Akkus aus dem Smart System kombinieren. Alternativ kann das System über den neuen und kompakten 2Ampere Charger geladen werden. Dieser soll rund 25 % leichter und 40 % kleiner sein als der bestehende 4Ampere Charger, lädt dafür aber auch nicht ganz so schnell.

Der Trinkflaschen-große PowerMore-Range-Extender bietet 250 Wh extra und lässt sich an den Anschraubpunkten für den Flaschenhalter befestigen.

Display und Remotes für den Bosch Performance Line SX-Motor 2023

Mit der Mini Remote und dem System Controller hat Bosch bereits am Smart System gezeigt, dass sie auch in Sachen Integration was können. Wie schon beim Smart System erlaubt das modulare Konzept, verschiedene Displays und Remotes kombinieren zu können. In der Produktfamilie sind nun auch das neue Purion 200 und Kiox 500-Display zu finden. Mit welchen Funktionen sie ausgestattet sind und was sich Bosch für das neue Modelljahr noch so alles einfallen lassen hat, könnt ihr in unserer News lesen.

Die Mini Remote und der System Controller sind auch mit dem neuen SX-Motorsystem kompatibel.
Wie schon beim Smart System erlaubt das modulare Konzept eine Vielzahl an unterschiedlichen Remotes und Displays aus dem Hause Bosch zu verwenden.

Der neue Bosch Performance Line SX-Motor 2023 im Praxistest

Auf dem Papier bietet der Bosch Performance Line SX-Motor im Vergleich zum größeren Bruder, dem CX, 30 Nm weniger Drehmoment und eine geringere Maximalleistung. In der Praxis zeigt sich, dass das nach wie vor genug für die meisten Einsatzbereiche ist. Je nach Leistungsentfaltung gilt für Motoren mit weniger Drehmoment in der Regel, dass sie mit einem falschen Gang, beim Anfahren oder steilen Anstiegen schwerer zurechtkommen als Motoren mit mehr Power. Im flachen Terrain kommen sowohl durchschnittliche Fahrer mit einer niedrigen Trittfrequenz als auch sportliche Fahrer mit einer höheren Kadenz voll auf ihre Kosten. Im neuen Sprint-Modus passt der Motor seinen Support so an, dass Rider mit einer sportiven Fahrweise mit hohen Trittfrequenzen überproportional unterstützt werden. Eine Verkehrslücke nutzen oder kurz mal die Straßenbahn überholen, in der Menschen eng an eng gedrängt stehen? Challenge accepted! Direkt beim ersten Tritt in die Pedale fühlt sich der neue Bosch Performance Line SX-Motor kraftvoll an und schiebt subjektiv stärker als der FAZUA Ride 60 oder der TQ HPR 50-Motor. Der starke Anschub ändert sich allerdings, sobald man mit dem falschen Gang in den Anstieg fährt und dann mit einer niedrigen Trittfrequenz empor strampeln muss. Hier merkt man, dass der Effizienzbereich des Motors in höheren Kadenzen liegt und der Motor deshalb weniger Power-Output liefert. Sportliche Fahrer, die genügend Drehzahl auf die Kurbel geben, werden auch auf steilen Anstiegen unterstützt und können das volle Potenzial des Motors ausschöpfen. Der Performance Line SX überzeugt mit einem natürlichen Fahrgefühl – dazu trägt auch das smoothe Aussetzen oberhalb der 25-km/h-Grenze bei, wenn man die grüne Welle in der Stadt erwischt oder auf Radwegen in der Natur unterwegs ist.

Auch wenn der Motor von außen nicht ganz so unauffällig ist wie manch andere Light-Motoren, kann er durch sein leises Auftreten punkten. Bei niedriger Trittfrequenz um ca. 50 Umdrehungen pro Minute nimmt man den Motor kaum wahr und schleicht nahezu lautlos durch enge Gassen. Steigen die Trittfrequenz und die Belastung aufgrund eines steilen Anstiegs, äußert sich der Motor durch ein leichtes Surren, das aber weiterhin von Umgebungsgeräuschen, wie Verkehr oder dem Getümmel der Fußgängerzone, überdeckt wird und deshalb nicht stört. Daheim angekommen, lässt sich das Bike mit dem leichten Antriebssystem schultern und mit wenig Kraftaufwand in die Wohnung oder den Keller tragen. Summa summarum ist der neue SX-Motor weder Pionier noch Innovationsführer, sondern vielmehr eine gute Mischung aus Light- und Full-Power-Motor.

Fazit zum neuen Bosch Performance Line SX 2023

Das Bosch Performance Line SX-Antriebssystem ist weder das leichteste noch das schlankeste Modell, vielmehr schlägt es eine Brücke zwischen Light- und Full-Power-Motoren. Der SX bietet mehr Leistung als viele andere Light-Mittelmotoren und ist ein guter Kompromiss. Zwar ist der optimale Effizienz-Bereich nicht ideal für Einsteiger und weniger sportliche Fahrer, aber in den meisten urbanen Fahrsituationen mehr als ausreichend. Das modulare System bietet einen großen Freiraum bei der Entwicklung und ein hohes Maß an Connectivity für Rider.

Tops

  • natürliches Fahrgefühl
  • modulares Konzept
  • hohes Maß an Connectivity

Flops

  • optisch auffälliger und schlechter integrierbar als Konkurrenz
  • wenig Unterstützung bei niedriger Trittfrequenz

Für mehr Informationen, besucht bosch-ebike.com

Words: Mike Hunger Photos: Mike Hunger, Peter Walker