Power, selbstbewusstes Fahrverhalten, beachtliche Vielfältigkeit – damit soll das Specialized Turbo Tero das Bike für alle Fälle sein: als E-Trekking-Bike für Ausflüge und Wochenendtouren, Commuter für den Alltag und E-MTB für leichte Singletrails. Klappt das? Wir hatten das neue Specialized Turbo Tero 4.0 EQ ST 2022 schon im Test.
Mit dem Specialized Turbo Tero will die Bikeschmiede aus den USA die Brücke schlagen zwischen City-Bike, MTB und allem, was dazwischenliegt. Dazu kombinieren die Kalifornier einen Hardtail-Rahmen mit der neuesten Version der Specialized-Motoren, bis zu 710 Wh Akkukapazität, Komponenten aus dem MTB-Bereich sowie einer Vielzahl von Anschraubpunkten. Damit soll die Lücke geschlossen werden, die Specialized zwischen dem Urban-Bike Turbo Vado SL (zum Test) und hauseigenen E-MTBs wie dem S-Works Turbo Levo (zum Test) sieht.
Die breite Spanne der Anwendungsgebiete für das Turbo Tero soll die Vielseitigkeit der Menschen widerspiegeln und so den potenziellen Fahrerinnen und Fahrern für jede Situation das richtige Tool an die Hand geben. Und da die potenziellen Fahrerinnen und Fahrer sehr unterschiedlich sein können und unterschiedliche Bedürfnisse haben, bietet Specialized das Turbo Tero in verschiedenen Versionen an: Turbo Tero 3.0, 4.0 und 5.0. Sie unterscheiden sich in Motor-Power, Akkukapazität und Ausstattung.
Außerdem gibt es das 3.0 und 4.0 auch als Tiefeinsteiger und das 4.0 als Equipped-Variante mit vielen Anbauteilen für den Urban- oder Trekking-Einsatz. Im Test hatten wir bereits das Specialized Turbo Tero 4.0 als Tiefeinsteiger und als Equipped-Variante, das ihr für 5.000 € bekommt. Hier findet ihr alle Infos zur Ausstattung, zum Fahrverhalten und unsere Einschätzung zum Konzept.
Tech-Talk – Ausstattung und technische Daten des Specialized Tero
Allen drei Versionen des Specialized Turbo Tero gemein sind die 29”-Ground-Control-Reifen, die Anschraubpunkte für Schutzbleche, Gepäckträger und Seitenständer sowie das MasterMind TCD-Farbdisplay. Das kann zwar aus seiner Halterung entnommen werden, hängt dann aber weiterhin an zwei Kabeln fest, weshalb ihr es nicht mitnehmen könnt. Das MasterMind ist auch die Zentrale für die Wegfahrsperre des Bikes und die Schnittstelle zu ANT+, Bluetooth und dem USB-C-Ladeanschluss. Das Tero kann über das MasterMind auch mit Over-the-Air-Updates versorgt werden. Alle Versionen des Tero sind außerdem für Anhänger freigegeben und verfügen über Anschraubpunkte für Falt- sowie Reifenschlösser. Die Unterschiede liegen beim Motor, beim Akku und bei den verbauten Schaltgruppen. Die Ausstattungsdetails findet ihr in der Tabelle.
Variante | Turbo Tero 3.0 | Turbo Tero 4.0 | Turbo Tero 5.0 |
---|---|---|---|
Motor | Specialized 2.0E | Specialized 2.0 | Specialized 2.2 |
Akkukapazität | 530 Wh | 710 Wh | 710 Wh |
Schaltgruppe | Shimano Alivio | SRAM NX | SRAM GX |
Bremsen | Shimano | SRAM Guide T | SRAM G2 RS |
Dämpfer | SR Suntour XCM 32 110 mm | RockShox Recon TK 110 mm | RockShox Recon RL 110 mm |
Im Gegensatz zu den Modellen 4.0 und 5.0 muss das 3.0 auf eine Dropperpost verzichten. Dafür gibt es das 3.0 genau wie das 4.0 auch als Tiefeinsteiger mit nach unten gezogenem Oberrohr. Das Specialized Turbo Tero 4.0 ist das einzige Modell im Tero-Line-up, das ihr auch als Equipped-Variante wählen könnt. Dann bekommt ihr ab Werk zusätzlich zur Ausstattung in der Tabelle LED-Lichter an Front und Heck, DRYTECH-Schutzbleche, einen Seitenständer, einen Kettenschutz und einen Heckgepäckträger, der mit Kindersitzen kompatibel ist und bis zu 27 kg trägt. Bei der 3.0- und der 5.0-Version könnt ihr die Equipped-Anbauteile jedoch nachrüsten. Da dazu relativ aufwendig Kabel verlegt werden müssen, ist das eine Maßnahme, die eher grundsätzlich gedacht ist und nicht je nach geplanter Fahrt erfolgen sollte.
Wir fragen uns allerdings, warum nicht alle drei Varianten direkt als Equipped-Version verfügbar sind. Bei allen Varianten kann an der Front ein zusätzlicher Gepäckträger am Steuerrohr montiert werden. Speziell bei der Equipped-Variante müssen an der Front sehr viele Kabel untergebracht werden: Licht, Bremsen, Schaltung und Dropperpost. Das hätten wir uns etwas aufgeräumter gewünscht.
Im Test: So fährt sich das Specialized Turbo Tero 4.0 2022
Da das Specialized Turbo Tero auf verschiedenen Terrains überzeugen soll, wollten wir sein Fahrverhalten auch auf verschiedenen Untergründen bewerten. Fangen wir in der Stadt an: Das Tero 4.0 beschleunigt zügig und hält im Turbo-Modus problemlos auch an leichten Steigungen die 25 km/h. Trotz der Stollenreifen rollt das Bike sehr effizient und wenn ihr gut trainiert seid, könnt ihr auf der Ebene auch längere Zeit über der Motorunterstützung unterwegs sein.
In der Stadt seid ihr mit den breiten Reifen sicher unterwegs und müsst keine Angst vor Straßenbahnschienen oder Straßenschäden haben. Einzig der Komfort leidet aufgrund der fehlenden Dämpfung am Heck unter Straßenschäden und Unebenheiten wie Randsteinen oder Bodenwellen. Dank des sehr ausbalancierten Handlings könnt ihr diese Unebenheiten aber entspannt umcarven. Das Handling ist sehr intuitiv, ausreichend agil, um Spaß zu machen, und laufruhig genug, um auch Neulinge sicher durch die Stadt zu bringen. Die Ground Control-Reifen generieren zwar auch auf Asphalt genügend Grip für den Alltag, ihr Parade-Terrain liegt aber abseits der befestigten Wege.
Wenn die Stadt hinter euch liegt und ihr über Schotterpisten fahrt, ändert sich am Fahrgefühl nicht viel: Das Bike bleibt weiterhin gutmütig agil und überzeugt mit intuitivem Handling. Doch auch hier solltet ihr Schlaglöcher und Schläge großzügig umschiffen. Störend ist außerdem, dass durch das Profil immer wieder Steine hochgeworfen werden und dann hinter dem Schutzblech entlang rasseln, bis sie auf der anderen Seite wieder ausgespuckt werden.
An der nächsten Kreuzung geht es rechts ab und auf den Trail – wo sich der Trend fortsetzt: Das Tero lässt sich zwar auf dem Trail nicht aufhalten und hat auch ordentlich Grip auf dem losen Untergrund. Wurzeln und größere Steine werfen das ungefederte Heck aber nun ordentlich umher. Besonders mit beladenem Gepäckträger gerät man hier flugs an eine Grenze und wer auf diesem Terrain schnell sein will, der sollte schon eine ordentliche Portion Fahrtechnik mitbringen. Egal ob in der Stadt, auf Schotterpisten oder auf einem Waldweg, die Übersetzungsbandbreite des Specialized Turbo Tero 4.0 ist sinnvoll gewählt, um sowohl an steileren Anstiegen als auch auf schnellen Passagen bergab eine angenehme Trittfrequenz zu finden. Das MasterMind-Display zeigt euch dabei nach Wunsch an, ob ihr euch in dem Trittfrequenz-Bereich befindet, der für den Motor optimal ist. Die SRAM Guide T-Bremsen verzögern ausreichend gut, doch auf längeren Abfahrten – besonders mit Gepäck – oder im Stadtverkehr bei unvorhergesehenen Situationen dürften es gerne etwas größere Bremsscheiben mit mehr Bremspower sein.
Die größte Reichweite der drei Versionen erreicht das Specialized Turbo Tero 4.0, weil es den großen 710-Wh-Akku verbaut hat, aber über einen schwächeren Motor verfügt als das Top-Modell Tero 5.0. In unserem Test hat es im Turbo-Modus und auf deutlich hügeliger Strecke mit einem 70 kg schweren Fahrer zwischen 90 und 100 km zurückgelegt, bis es an die Steckdose musste. Dazu könnt ihr das Bike direkt an den Strom hängen oder den Akku bequem entnehmen und in der Wohnung laden. Das Entnahmesystem funktioniert mit Schlüssel und zusätzlichem Hebel sicher und einfach. Das Akkufach selbst ist außerdem sehr gut gestaltet und an den richtigen Stellen gummiert: Hier klappert auch bei ruppiger Fahrt nichts!
Konzeptfrage: Was ist das Specialized Turbo Tero?
Das Specialized Turbo Tero möchte ein Bike für alle Fälle sein: ein E-Trekking-Bike für die Wochenendtouren, ein E-Mountainbike für die Trails und ein Commuter für den Stadtalltag. Um das alles zu schaffen, mussten bei der Entwicklung Kompromisse eingegangen werden. Dadurch stellt sich die Frage: Was ist das Bike denn nun wirklich? Klar, mit seiner Ausstattung könnt ihr das Tero nicht nur über Schotterpisten jagen, sondern auch über den ein oder anderen Waldweg. Durch die Hardtail-Bauweise ist dabei jedoch auf unebenen Untergründen schnell die Grenze dessen erreicht, was wir als komfortabel bezeichnen. Auf wurzeldurchzogenen, natürlichen Trails wäre ebenfalls ein gefedertes Heck wünschenswert. Wenn ihr dann noch auf der Equipped-Variante des Tero 4.0 unterwegs seid, dann werdet ihr euch auf Schotter sogar über kleine Steine ärgern, die vom Reifenprofil mitgenommen werden und dann zwischen Reifen und Schutzblech entlang rasseln.
Das Schutzblech geht hinter dem Vorderrad weit hinunter zum Boden. Das schützt zwar gut vor Spritzwasser bei Nässe, macht das Bike aber nahezu untauglich für Geländefahrten. Denn dabei schlägt es selbst bei kleineren Absätzen am Untergrund an. Das Problem habt ihr zwar nicht, wenn ihr das Bike ohne Schutzblech und Gepäckträger wählt, allerdings beschneidet ihr dann die Alltagstauglichkeit des Specialized Turbo Tero beträchtlich: Bei Regen spritzt das Wasser hoch und für das Gepäck bleibt nur noch der Rucksack. Außerdem würde ein gefedertes Heck auch in der Stadt Sinn ergeben und von Schlaglöchern übersäten Straßen ihren Schrecken nehmen.
Durch die Kompromisse, die man mit dem Bike auf den unterschiedlichen Terrains machen muss, sehen wir das Specialized Turbo Tero nicht als eine neue Bike-Kategorie an, die eine breite Palette an Anwendungsfällen optimal abdeckt. Wir sehen es eher als ein Trekking-Bike, das im Fall der Fälle auch mal mit einfachen Offroad-Szenarios zurechtkommt. Die Lücke zwischen den Specialized-Urban-Bikes und den E-Mountainbikes der US-Amerikaner kann das Turbo Tero nicht schließen. Ein Konzept mit mehr Reserven und Komfort wäre für die gesamte Zielgruppe dieses Bikes von Vorteil. Wer aus finanziellen Gründen auf ein Hardtail setzen möchte, wird höchstwahrscheinlich über die Preisspanne der Turbo Tero-Modellpalette von 3.300 € bis 5.400 € stolpern.
Unser Fazit zum Specialized Turbo Tero 2022
Das Specialized Turbo Tero ist ein solides Trekking-Bike der alten Schule – um als neues Konzept die Lücke zwischen Urban- und E-Mountainbikes im Specialized-Portfolio zu schließen, fehlt es ihm aber durch die Hardtail-Bauweise an Reserven und Komfort. Es deckt zwar eine gute Bandbreite an Anwendungsbereichen ab, macht allerdings durch den fehlenden Komfort auf jedem Terrain Kompromisse, die man heutzutage nicht mehr eingehen muss. Überzeugen kann das Turbo Tero mit seinem tollen Antrieb und der großen Reichweite.
Tops
- starker Motor mit hoher Reichweite
- hochwertige Verarbeitung mit gelungenen Details
- intuitives und spaßiges Fahrverhalten auf gutem Untergrund
Flops
- Trekking-Bike der alten Schule – kein neues Konzept
- macht (zu) viele Kompromisse
- fehlender Komfort am Heck
- Wirrwarr-Kabelführung an der Front
Weitere Informationen findet ihr unter specialized.com
Words: Aaron Steinke Photos: Specialized