Als kosmopolitischer Mensch ist man überall zu Hause. Deshalb haben wir die spannendsten Modetrends und echten Stil nicht nur in Paris oder Mailand, sondern auch in Stuttgart gesucht. Fernab der Fashion Weeks zeigen wir euch zeitlosen Style und den wahren französischen Look – das richtige Rad darf dabei natürlich nicht fehlen!

Die Macht der Marken und der harte Weg zum Original

„Guten Geschmack kann man nicht kaufen“, so heißt es im Volksmund. In der Welt der Mode sieht das scheinbar anders aus. Namhafte Designschaffende und globale Labels polarisieren mit ihren ausgefallenen Kreationen nicht selten auf Fashion Shows rund um den Globus, doch sind ihre Labels für viele vor allem eines: eine Garantie. Eine Garantie für geschmackvolles, auserwähltes Aussehen. Die Schönheit der Dinge liegt zwar stets im Auge der Betrachtenden, aber starke Marken können Trumpfkarten sein, wenn es um Ansehen und Status geht. Schaut man sich zeitgenössische Stücke von Supreme, Off White, Gucci, Louis Vuitton oder Balenciaga an, so blickt man häufig auf überdimensionale Logos und Prints, die sofort aus der Masse herausstechen. Eine besonders gute Stil-Garantie? Nicht zwingendermaßen. Ein aktuelles Phänomen? Alle Male!

Beim Streifzug durch Mode-Hochburgen wie New York, Mailand, London oder Paris finden sich natürlich auch fette Logos, der zeitlose Chic definiert sich (nicht nur) dort aber oft anders: Feine Details, hochwertige Qualität und ein Hauch Extravaganz dürfen genauso wenig fehlen wie die einfache Kombinierbarkeit mit all den Schätzen, die man bereits angesammelt hat. Stilsicherheit definiert sich hier also auch durch elegantes Understatement. Versteckte Logos, perfekte Passformen, erlesene Materialien und gerne auch bewusst eingesetzte Stilbrüche, die verdeutlichen: Man weiß, was man da gerade tut! Wer das Spiel beherrscht, darf die Regeln auch mal brechen.

Mode und Alltagskleidung sind heute längst nicht mehr voneinander zu trennen und in den Schaufenstern der Fast-Fashion-Konsumtempel, die das Stadtbild westlicher Metropolen bis zur kompletten Austauschbarkeit normieren, jagt eine Kollektion die nächste. Bei all der Durchmischung dominiert der Takt der Fast-Fashion-Labels ebenso das Mode-Orchester wie es beispielsweise ein schwedisches Möbelhaus in Sachen Inneneinrichtung tut. Im individuellen Streben nach Einzigartigkeit und Echtheit ist es nur allzu leicht, trotzdem mitzuschwimmen, weil der Mut zum Anderssein fehlt oder die Scheu vor dem Auffallen vorherrscht – am Ende erliegt man dann doch wieder der Austauschbarkeit. So findet sich dann beim Treffen im Freundeskreis nicht nur das gleiche Oberteil, sondern eben auch die gleiche Schreibtischlampe.

Wenn man das bewusst so möchte, ist das okay. Aber meist geht uns die Originalität ja unbewusst abhanden, während wir Dinge kaufen, die wir für besonders halten. Obwohl sie in jedem zweiten Haushalt zu finden sind. Wie wir an diesen Punkt gekommen sind? Nach der Geburt opulenter und einzigartiger Haute Couture im 19. Jahrhundert über die voluminösen Röcke der viktorianischen Ära, die Begründung des Dandy-Typus, die eher praktikablere Belle Epoque bis hin zum Rebellions-Statement Minirock in den 1960er und 70er Jahren und den schrillen Farben der 90er kann das Geschichtsblatt zeitgenössischer Mode bis dato noch nicht klar beschrieben werden. Festzustellen ist jedoch, dass es kaum noch eindeutige Richtungen gibt, vielmehr wird wiedergekäut und verfeinert, was über die Jahrzehnte schon mal da war. Mode ist seit jeher ein Statement über Status und Style hinaus und seit einigen Jahren erleben selbst totgesagte Kleidungsstücke ihre Renaissance im Hipstertum. Man könnte diese Durchmischung der verschiedenen Epochen als neuen Trend beschreiben, aber das ist zu klein gedacht. Denn interessanterweise erheben wir keinen Style, sondern unser Bewusstsein zum neuen Trend! Der Ruf nach Nachhaltigkeit, Fairtrade und ökologisch verträglicher Mode wird immer lauter – eine neue Melodie, die den Takt der Fast-Fashion-Labels übertönen und der Schlüssel zum originellen Look sein kann.

Manche Outfits sind mehr als nur Kleidungsstücke. Sie sind wahre Ikonen, erzählen eigene Geschichten und repräsentieren den Zeitgeist ihrer Ära. Heute haben sie meist eine neue Bedeutung.

Lebe was du predigst: Vintage Markt-Gründerin Chrisi und Schwester Kathie

Der Vintage Markt in Stuttgart: Vom Pop-up-Store zur internationalen Instagram-Institution

Auf der Suche nach einer (gerne auch nachhaltigeren) Alternative zum Mainstream-Fashion-Kosmos gründete die heute 22-jährige Christina Feldmer vor zwei Jahren den Vintage Markt. Madame Chrisi, wie sich die junge Stuttgarterin zu dieser Zeit in ihrem Blog nannte, kumulierte während ihrer Ausbildung in Global Fashion am Istituto Marangoni in Paris so viele Kleidungsstücke, dass sie ihre eigene Mode-Sammlung mithilfe eines Pop-up-Stores verkleinern wollte. Das war die ursprüngliche Idee hinter dem Vintage Markt, der jedoch zu einer dauerhaften Institution in Stuttgart und dank Instagram auch weit über das Schwabenland hinaus wurde. Ihre Mission war damals wie heute die gleiche: den Menschen zu zeigen, wie einfach und geschmackvoll (Vintage-)Kleidung zu tragen ist – und das alles mit dem gewissen französischen Effet. Auf der Tübinger Straße in Stuttgart findet man heute eine bodenständige Boutique, die von der gesamten Familie Feldmer betrieben wird, die übrigens auch einen Bike-Shop in der Innenstadt hat. Im Vintage Markt finden sich gepflegte Klassiker aus vergangenen Zeiten und originalverpackte Einzelstücke. Zwar ist Chrisis Geschäft eine Gegenbewegung zur Fast-Fashion, vom Griff zur Moralkeule kann hier aber nicht die Rede sein. Fernab vom Secondhand-Klischee geht es Chrisi mit ihrem Laden darum, zeitlose Kleidungsstücke, die eine Geschichte erzählen, geschmackvoll zu präsentieren. Die Tatsache, dass eben diese Stücke nachhaltiger sind als Retro-Attrappen vom globalen Konzern ist ein Bonus, der sich auch in der Qualität der „damals“ hergestellten Produkte widerspiegelt.

Wo man das Echte findet

Zum zeitgenössischen Flair einer hippen Großstadt zählen längst nicht mehr nur unabhängige Filmbühnen, abgeranzte Keller-Clubs mit namhaften Sound-Systemen oder exotische Restaurants mit einem breiten Angebot veganer Speisen – eine gesunde Auswahl an Secondhand-Shops gehört auch dazu. Darin findet sich alles von Kleidung über Schuhe bis hin zu Accessoires. Das vereinende Element ist die Tatsache, dass alles schon getragen bzw. benutzt wurde. Für meist kleines Geld gibt’s hier Vaddis alte Jeansjacke inkl. Aufnäher „Atomkraft? Nein danke“. Bezahlt wird nicht selten pro Kilogramm.

Der Begriff Vintage hat seinen Ursprung im Vokabular englischsprachiger Winzer und bezeichnet dort die eigentliche Weinlese, den Jahrgang eines Weines oder einen besonders herausragenden Wein. Abgeleitet von der letzten Bedeutungsvariante steht die Bezeichnung „Vintage“ heute für in die Jahre gekommene Originale einer besonderen Qualität. Um sie ausfindig zu machen, braucht man vor allem viel Geduld. Modejuwelen verstecken sich nicht selten zwischen abgewetzten Jeans und muffigen Jacken und so gilt es, in minutiöser Detektivarbeit zahllose Kleiderständer zu durchforsten. Während man die Nachhaltigkeit des Konsumierens per se hinterfragen kann und das Tragen bereits erworbener Kleidung wohl der nachhaltigste Weg ist, nehmen Vintage-Stücke, ebenso wie Secondhand-Kleidung, eine Sonderstellung ein. Egal ob bereits getragen oder neu verpackt: Qualitativ hochwertige Originale aus der Vergangenheit sind, clever kombiniert, eine echte Bereicherung für den Kleiderschrank. Denn bereits produzierte Produkte verschlingen keine neuen Ressourcen!

Ganz anders sieht es mit Retro-Kleidungsstücken aus. Sie sind im Vintage-Stil designt und weisen nicht selten einen gewissen „Used“-Look auf. Die Rede ist also von „auf alt gemachten“ Stücken, die scheinbar aus einer vergangenen Epoche stammen, in Wirklichkeit aber brandneu sind und en masse in den Fast-Fashion-Modehäusern auf der Stange hängen.

Was ist denn jetzt der originale französische Stil?

Auf der Jagd nach modischen Vintage-Perlen gibt Chrisi, die mittlerweile schon einige Jahre zwischen Paris und Stuttgart pendelt, ein paar stilistische Tipps. Denn wer möchte nicht gerne mit der Klasse und dem Stil einer Person wie Catherine Deneuve, Alain Delon oder Vanessa Paradis durch die heimischen Straßen schreiten?

Zuallererst ist es wichtig zu verstehen, dass klassische französische Mode keine Trends kennt. Es gilt also, in die Klassiker zu investieren! Außerdem geht es darum, eine Garderobe aus Kleidungsstücken zusammenzustellen, die eure Laune und eure Gefühle widerspiegeln. Dabei sollten diese Kleidungsstücke keinen Leuchtpfeil über ihren Labels tragen, denn in Frankreich schätzt man das Understatement und verrät nicht gerne, woher man seine Kleidung hat. In diesem Zuge darf auch darüber nachgedacht werden, die Louis-Vuitton-Tasche einfach mal durch einen Korb ersetzen – ab auf den Markt, frisches Gemüse und Baguette kaufen et voilà, da ist er, der französische Stil! Bei all dem steht Authentizität an erster Stelle: nicht zu viel Make-up, keine Insta-Filter und kein Puppen-Look, denn Natürlichkeit ist la clé du succès! Eleganz und Stil haben also nicht nur mit der Kleidung zu tun, sondern auch mit der Person, die drinsteckt. Ein Trampel im Ballkleid oder im Smoking bleibt ein Trampel, daran können auch erhabenste Stoffe nichts ändern.

Alles, was an dir nicht perfekt ist, ist perfekt!

Hose
Eine klassische Jeans wie die Levis 501 ist der perfekte Ausgangspunkt für ein möglichst flexibles Outfit und ein absoluter Klassiker. High Waist für die Dame? Très chic! Reiner Denim-Stoff für die Herren? Oui! Eine echte Jeans hat keinen Stretch, ist dementsprechend nicht super bequem, macht dafür aber einen tollen Po! Den Träger oder die Trägerin sucht sich die Jeans dabei selbst aus, denn ein perfekt passendes Exemplar will erst einmal gefunden werden. Viel anprobieren und dann die eine richtige kaufen!

Oberteil
Oberteile sind meistens sehr körperbetont. Den Schlabber-Look gibt es in Frankreich nur in den eigenen vier Wänden. Streifenmuster gehören ebenso zum französischen Look wie ein Halstuch oder die große Sonnenbrille.

Das kleine Schwarze
… oder auch das modische Multiwerkzeug. Geht immer, ist stets angemessen und nie deplatziert. Hier dürfen auch mehrere Variationen in den Kleiderschrank! Das Pendant für Männer ist der schlichte Anzug in gedeckten Farben.

Jacke und Mantel
Go big or go home! Der an den restlichen Oberteilen eingesparte Stoff darf hier zum Einsatz kommen. Weit ausladend und voluminös werden Jacken und Mäntel in der Regel offen getragen. Wird es doch einmal frisch, gibt es einen Schal!

Das Rad
Es sollte möglichst schnörkellos sein. Gerade Linien und Alltagstauglichkeit sind dabei ebenso gerne gesehen wie der eingebaute E-Antrieb. Für Chrisi und ihre Schwester ist das perfekte Rad eindeutig das Moustache Lundi. Wer sich mit E-Bikes wirklich gut auskennt, wird angesichts des nicht integrierten Akkus und des nicht mehr ganz so aktuellen Bosch-Motors vermutlich eine Augenbraue heben. In Sachen Style und Fahrspaß ist das Lundi aber bereits jetzt ein moderner Klassiker und dank des eigenständigen Designs ein Original! Dass Moustache außerdem ein französisches Unternehmen ist, kann in diesem Kontext kein Zufall sein.

Ultimativ geht es für Chrisi bei der französischen Mode wie auch bei ihrem ganz eigenen Ansatz darum, dass man die eigenen Stücke pflegt und im Zweifel repariert. Ein Neukauf oder Ersatz ist oft zwar günstiger und bequemer, doch dann ist es eben nicht mehr dieses originale Stück. Mit echter Vintage-Kleidung ist es dabei wie mit einer originalen Omega Constellation von 1948: Man kann diese Stücke zwar eine Weile besitzen, pflegen und behüten, zum Eigentum werden sie jedoch nie.

Echte Originale sind authentisch, natürlich und zusehends schwerer zu finden. Egal ob in der Welt der Mode oder in der Bike-Industrie: Produkte von der Stange buhlen 24/7 um unsere Aufmerksamkeit. Und doch hat die Suche nach dem Einzigartigen, das Kuratieren besonderer Stücke, einen ganz eigenen Reiz. Dabei geht es nicht allein um namhafte Originale, sondern auch um die eigene Originalität, die sich auch abseits der angesagtesten Weltmetropolen, der globalen Fashion Weeks und der großen Marken abspielt. Denn guter Stil ist überall zu Hause.


Weitere Informationen zum Vintage Markt findet ihr hier. Wenn euch das Moustache Lundi interessiert, dann schaut doch einmal auf der Website des französischen Unternehmens vorbei.

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