Nicht nur die Mobilität, auch die Städte befinden sich Wandel. Technologisch wie gesellschaftlich gibt es zahlreiche Herausforderungen und Chancen, greifbare Zukunftsvisionen und verführerische Utopien. Wir haben uns über die Stadt der Zukunft ausgetauscht mit VW, Riese & Müller, WINORA, Advanced und der Stadtverwaltung Böblingen.

Städte sind faszinierend. Sie sind Schmelztiegel für Interessen, Arbeitsplätze, (Sub-)Kulturen und spannende Innovationen. Jede Stadt ist ihr eigenes Wahrzeichen. Kein Wunder, dass inzwischen mehr als 75 % der Bevölkerung in Deutschland in urbanen Ballungsräumen lebt, weltweit sind es über die Hälfte. Und es werden immer mehr. Gleichzeitig steigen aber auch die damit verbundenen Herausforderungen.
Immer mehr Menschen, immer stärker wachsende Metropolen, immer mehr Verkehr – trotz Zoom und Homeoffice! Unsere Städte platzen aus allen Nähten, die Handschrift jeder Stadt verpufft. Stress, Hektik, Lärm, stickige Luft, wenig Zeit und kaum Raum für Ruhe. Nach wie vor ist für viele das Auto das Vehikel der Wahl, um den eigenen Mobilitätsbedarf zu decken und die persönliche Freiheit auszuleben – obwohl sich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit nichts bewegt. Stoßstange an Stoßstange fährt man um Verkehrsinseln, die mit Schildern wie „Urban Gardening“ oder „Bienenwiese“ versehen sind. Gemüseanbau findet sich auf Flachdächern hoher Gebäude, umzingelt von Parkplätzen und Straßen mit Hupkonzerten.

Willkommen im Zeitalter der Dilemmata, aus denen man schwer rauskommt? Keineswegs! Dass Citys nicht allein durch Hightech-Gebäude, riesige Straßennetze und blanke Glasfassaden erstrahlen, ist inzwischen allen klar. Und damit ist ein entscheidender erster Schritt für den Wandel in eine bessere urbane Zukunft getan. Doch was genau macht eine Stadt aus, in der wir uns wohlfühlen und leben wollen?

Plauschen, spielen, frei bewegen mitten in der Stadt – Wie wär’s?

Wie wäre es, aus dem Haus zu gehen, auf dem nahen grünen Platz Menschen zu treffen und einfach gesellige Momente ohne Autolärm zu genießen? In wenigen gefahrlosen Schritten ein paar Erledigungen zu machen? Die Kids rauszuschicken zum Toben in guter Luft, ohne im Uhu-Rundumblick den Verkehr permanent im Auge behalten zu müssen? Auf sicherem Weg mit dem Rad ins Training oder zum Kulturevent zu fahren? Wir horchen in uns hinein, ziehen Meinungen, Trends und Statistiken hinzu. Wie können wir die Mobilität in der Stadt gestalten? Um der Antwort näher zu kommen, haben wir drei Bike-Hersteller befragt – WINORA, Riese & Müller und Advanced – sowie den Volkswagen-Konzern als Automarke, die schon ihrem Namen gemäß für die breite Masse stehen will und Mobilität seit jeher demokratisieren möchte. Und wir haben mit Verantwortlichen aus der Stadt Böblingen gesprochen, die – wie alle größeren Vorstädte dieser Welt – (sub-)urbanes Leben gestaltet. Stakeholder, die unterschiedlicher nicht sein könnten und ebenso unterschiedliche Ziele verfolgen. Oder vielleicht doch nicht?

Sauber, sicher, digital, individualisiert, flexibel, vernetzt – das sind die Bedürfnisse der Bürger für Städte. Und Lifestyle für eine Welt von heute und morgen.

Ein Fakt vorab: Der Vorzug für gesündere, umweltfreundlichere Mobilitätsformen wie Gehen und Radfahren wächst weltweit, in Westeuropa im Jahr 2021 um rund 5 % verglichen zum Vorjahr. Mit stark steigender Tendenz besonders im Radsektor. Die Pandemie hat den Fokus verstärkt auf Konzepte wie Lokales, Regionales und kürzere Wege gelenkt. Das zeichnet sich nicht nur täglich vor unseren Augen ab, sondern ist auch zentrales Ergebnis aktueller Studien wie „Mobility Futures“ der Kantar Group oder „Die Stadt von morgen“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Die Wünsche der Bürger*innen für ihre Städte lassen sich dabei kurz zusammenfassen: sauber, sicher, digital, individualisiert, flexibel, vernetzt. Auch wenn heute noch in den großen Städten der überwiegende Teil der Mobilität durch Autos stattfindet, soll dieser zukünftig sinken – dann durch Autos, die geteilt werden, elektrisch oder autonom fahren.

Okay, halten wir kurz fest: Mobilität ≠ Verkehr. Mobil sein wollen wir alle, um unsere Ziele zu erreichen. Verkehr ist Mittel zum Zweck. Und wenn man fragt, wie Menschen leben wollen, hört man Attribute wie stressfrei, gute Luft, wenig Lärm, viel Grün, kurze Wege, viel Austausch mit anderen – das alles könnten also Facetten von lebenswerteren Städten sein, von Klimaschutz und Erholung im Alltagstrubel.

Laut dem Deutschen Umweltbundesamt steht das Auto 23 Stunden am Tag herum …

Wir wissen es längst: Es geht sinnvoller, umweltfreundlicher und günstiger als der Besitz und Unterhalt eines (eigenen) Autos, wie wir es bisher kennen. Soll heißen: Der fortschreitende Klimawandel ist in unseren Köpfen angekommen. Heißt aber auch: Es macht sich ein veränderter Blick auf unsere Lebensqualität bemerkbar. Es geht um Begegnungsräume, Sicherheit, Gesundheit, Ressourcenschonung und smarte Vernetzung.

Wie gelingt der Wandel, um diese Bedürfnisse zu befriedigen? Welche Mobilitätskonzepte gibt es? Und wie kann man die Menschen dafür begeistern? Hier kommt die Stadt durch geschickte Planung und Umsetzung ins Spiel. Ein Beispiel dafür, wie einige schlaue Köpfe in der Stadtplanung die städtische Umwelt verändern wollen, ist die 15-Minuten-Stadt. Das Konzept? Kurze Wege. Innerhalb von 15 Minuten zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV Zugang zu den wichtigsten Dienstleistungen erhalten. Ärztin, Apotheke? Check. Supermarkt? Check. Sport- und Spielplätze? Check. Restaurant und Café? Sind schon da! Autos in ihrer herkömmlichen Art schauen hier ins Leere. Zukunftsmusik? Nö.

Paris, die Stadt der Liebe, hat sich verliebt und das binnen 15 Minuten.

Die Stadt der Liebe ist dem Viertelstundenkonzept bereits hingebungsvoll erlegen: In Paris sollen Menschen in maximal 15 Minuten zu Fuß oder innerhalb von 3 km mit dem Fahrrad alle wichtigen Alltagsorte erreichen können – Arbeitsplatz, Geschäfte, Freizeit- und Kultureinrichtungen, Arztpraxen. Parkplätze und Fahrspuren werden ersetzt durch Grün- und Freizeitflächen, Busspuren, Radwege und -netze. Auch Barcelona ist auf dem besten Weg, ein Exempel für kurze Wege und Begegnungen auf der Straße zu werden, während die Kinder gefahrlos im Freien toben und dort spielen, wo sich vor Kurzem noch Stoßstange an Stoßstange reihte. Denn in Superblocks – Wohnquartieren aus mehreren Wohnblocks – haben neben Anwohnern und Lieferantinnen mit maximal 10 km/h nur Leute auf dem Rad oder zu Fuß Zugang. Die deutsche Rheinmetropole Köln setzt dagegen im deutschlandweit größten Förderprogramm auf Lastenräder, um der Lärm- und Abgasbelastung durch Paketdienst-Autos ein Ende zu setzen. Zusätzlich werden Radwege ausgebaut und Parkplätze sowie Logistik-Hubs errichtet.

Mobilität soll unseren Alltag erleichtern und einfach Spaß machen!

Das Auto wird und soll natürlich nicht ganz verschwinden. Aber die Straßenzüge werden sich durch neue Infrastrukturlösungen leeren. Autos, die verbleiben, werden Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sein, die wenig Lärm und keine lokalen Abgase verursachen. Norwegen beispielsweise hat den Umstieg auf E-Autos gestärkt, indem Anreize geschaffen wurden wie kostenloses Benutzen von Busspuren oder kostenfreies Parken. Oslo will zudem ab 2023 überhaupt keine Verbrenner außer Taxis mehr zulassen. Fuhrparks sollen rein elektrisch sein und für Neubauten müssen die entsprechenden Stromanschlüsse verpflichtend eingerichtet werden. Zugegeben, in Norwegen herrscht mit der riesigen Wasserkraft (und dem enormen Reichtum, der auf dem Export fossiler Brennstoffe basiert, hust) eine ganz andere Ausgangslage. Und die Ladeinfrastruktur ist in jedem Land eine andere. Dennoch: Im urbanen Raum geht es um eine Verkehrsentlastung. Auch wenn für den verbleibenden Verkehr die Versorgung mit Ladestationen stärker ausgebaut werden muss, sind eine geschickte Stadtplanung und neue mobile Konzepte wichtig.

Denn Mobilität soll unseren Alltag erleichtern und vor allem Spaß machen. Schließlich hat sich die Menschheit mit Leidenschaft und Freude das Mobil-Sein seit Jahrzehnten erarbeitet, es ist ein hohes Gut der Selbstbestimmtheit. Nur muss es eine neue Wertigkeit erhalten, klimafreundlich, ressourcenschonender und gleichzeitig auch erschwinglich sein. Hier hat sich ein Akteur in letzter Zeit fast schon selbst überflügelt: das Rad.

Viel mehr als Lifestyle – Das Bike gestaltet die Stadt neu

Gerade in der Pandemie, als öffentliche Verkehrsmittel gemieden wurden, hat das Fahrrad einen neuen Stellenwert erhalten. Womit sonst kann man sich so einfach frei bewegen und gleichzeitig seinen Kopf freimachen? Was in Metropolen wie Amsterdam oder Kopenhagen ganzjährig bereits eine Selbstverständlichkeit ist, gewinnt in zahlreichen anderen europäischen Ländern rasant an Bedeutung. Viele haben das Rad als unabhängiges Fortbewegungsmittel schätzen gelernt, man ist draußen an der Luft und hat einfach Spaß. Und das alles mit Alltagsbegleitern jeglicher Couleur, vom klassischen City-Bike über im Alltag genutzte E-Mountainbikes bis hin zu Cargo-Bikes. Hier hat der Boom der E-Antriebe ganz neue Möglichkeiten eröffnet, denn gerade bergiges Terrain, wie man es beispielsweise in unserer Stuttgarter Heimat vorfindet, wurde in der vorelektrischen Ära nur von wirklich ambitionierten pendelnden und im Alltag radelnden Leuten bezwungen. Und klar, nebenbei liefert uns die unkomplizierte Fortbewegung einen Benefit für die eigene Gesundheit und trägt zum Klimaschutz bei: Jede Person, die 5 km mit dem Rad zur Arbeit hin und zurück fährt, spart laut dem Deutschen Bundesumweltamt durch Verzicht auf die Autonutzung im Jahr rund 300 kg CO2 ein. Ach, und der Aspekt für unser Herzstück Stadt: Es bleibt mehr Platz. Wir wollten wissen, wie Radhersteller die Entwicklungen und die Stadt der Zukunft sehen und haben Riese & Müller, WINORA sowie Advanced befragt.

Christoph Mannel
Geschäftsführer WINORA

Wie stellen sich Bike-Hersteller die urbane Zukunft vor?

„Der Imagewechsel, den das Fahrrad in den vergangenen Jahren erfahren hat, ist enorm! Für viele Menschen hat es an emotionaler Bedeutung gewonnen“, so bringt es Christoph Mannel auf den Punkt. Der Geschäftsführer von WINORA nennt auch gleich wichtige Faktoren dafür: „Gerade Megatrends wie Nachhaltigkeit, Gesundheit, Urbanisierung und E-Mobilität haben einen spürbaren Effekt auf die gesamte Radkultur. Vielfältiger, intelligenter, geteilter und sauberer – das ist die Mobilität der Zukunft.“

Mobilität soll unser Leben erleichtern, einfach funktionieren und Freude machen. Das Fahrrad ist für uns deshalb in Städten das am besten geeignete Fortbewegungsmittel. – Christoph Mannel, Geschäftsführer WINORA

Für WINORA ist klar: Mobilität soll unser Leben erleichtern, einfach funktionieren und – da haben wir es wieder – Freude machen. Eine Quintessenz des Lebens, die sich eben auch auf den Bereich erstreckt, wie wir uns fortbewegen, Zugang zu Raum erhalten und unsere Umwelt erleben wollen. Das Fahrrad ist für den Hersteller aus Schweinfurt deshalb insbesondere in Städten das am besten geeignete Fortbewegungsmittel. „Zugleich leistet es einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen und steigert die Lebensqualität in Städten.“

Wir glauben daran, dass es erreichbare Visionen braucht. Realutopien, die mit aktuellen, wahrhaftigen Technologien die Probleme unserer Zeit lösen – statt über 2040 oder 2050 zu sprechen. – Helge von Fugler, Gründer Advanced

Wenn es um die Frage geht, wie man sich die urbane Zukunft vorstellen kann, spricht Helge von Fugler, Gründer der Frankfurter E-Bike-Marke Advanced, zunächst einen Aspekt an, der sicher den Nerv vieler treffen wird. „Urbane Mobilitätsvisionen skizzieren häufig futuristische Bilder von Städten, die sehr weit in die Zukunft projiziert sind. Sie wirken oft surreal und unerreichbar“, so beschreibt es Helge. Okay, keine Hyperloops und fliegenden Autos, die uns entweder befremden oder lächelnd zurücklehnen lassen nach dem Motto: „Cool, irgendwann mal! Aber jetzt gibt’s für uns erst mal nichts zu tun. Und der Verbrenner tut es ja noch.“ Gedanken wie diese durchbricht Helge sofort: „Wir glauben daran, dass es erreichbare Visionen braucht. Realutopien, die mit aktuellen, wahrhaftigen Technologien die Probleme unserer Zeit lösen – statt über 2040 oder 2050 zu sprechen.“ Damit meint er mehr Platz, bessere Luft und mehr Sicherheit für alle, die am Verkehr teilnehmen. Für verbesserte Lebensqualität und einen wichtigen Beitrag für ein klimaneutrales Leben.

Doch was so logisch klingt, ist eine echte Transformation, wie Helge beschreibt: „Unsere Städte wurden jahrzehntelang auf das Autofahren optimiert. Das Auto wurde den Menschen lange als Inbegriff von Fortschritt und Freiheit verkauft. Wozu das geführt hat, sehen wir in großen Metropolen: verstopfte Städte, Staus, zu viel Parkraum für Autos – mit Fortschritt und Freiheit hat das nicht viel zu tun. Gleichzeitig wollen Menschen heute nicht weniger mobil sein, sondern mehr.“ Soll heißen: Wir brauchen neue Mobilitätslösungen und echten Fortschritt. Für Advanced spielt dabei neben dem Ausbau des ÖPNV das E-Bike als emissionsarme, nachhaltige Mobilität eine entscheidende Rolle. Doch wie gelingt es, Leute für die Transformation unserer Mobilität zu begeistern? Advanced hat hier eine klare Meinung: „Dazu müssen E-Bikes qualitativ hochwertig, langlebig und zuverlässig sein. Und sie müssen Spaß machen – denn nur dann bleibt das Auto wirklich stehen.“ Ja, das können wir alle bestätigen, oder? Schon heute gibt es in Städten viele Strecken, auf denen das E-Bike schneller als das Auto ist.

Helge ist überzeugt: „Mit einer deutlich verbesserten Radinfrastruktur wird dieser Vorteil noch größer und das Radfahren mit mehr Fahrradstraßen und Radschnellwegen deutlich sicherer.“ Man kennt es ja aus eigener Erfahrung, aktuell ist der starke Autoverkehr und die daraus resultierende mangelnde Sicherheit auf dem Rad in Städten ein häufiger Grund, nicht oder seltener auf das Fahrrad umzusteigen. „In der schnell erreichbaren Vision einer klimaneutralen Stadt mit emissionsarmer Mobilität wird das E-Bike zum beliebtesten und zuverlässigsten Verkehrsmittel.“ Der Grund? Helge nennt hier zwei Aspekte: „Es ist rational die beste Wahl für individuelle Mobilität. Und es macht mehr Spaß, als im Auto, im Bus oder in der Bahn zu sitzen.“ Damit spricht er Menschen aus der Stadt wie auch Pendelnde an – und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Industrie: „Das Rad muss immer wieder neu erfunden werden, damit die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen zeitgemäß bedient werden können und emissionsfreie Mobilität flächendeckend Wirklichkeit wird.“

Jörg Matheis
Riese & Müller

Innerstädtische Wege werden schon allein aus Zeitgründen überwiegend mit dem Rad zurückgelegt werden. Fahrräder und E-Bikes sind essenzieller Bestandteil eines multimodalen Mobilitätsmix. – Jörg Matheis, Head of Communications Riese & Müller

Lenken wir den Blick auf die Straße, besser gesagt, weg davon. Jörg Matheis, Head of Communications beim Darmstädter Fahrradhersteller Riese & Müller, sieht die Stadt von heute und morgen so: „Urbane Mobilität bedeutet nicht mehr möglichst viel Straße für möglichst viele Autos. Der öffentliche Raum wird neu verteilt, das Auto dominiert nicht mehr. Immer mehr Städte und Metropolen gehen schon heute diesen Weg, bauen geschützte Radwege oder sperren Straßen komplett für den Autoverkehr.“ Jörg sieht entscheidende Vorteile in puncto reduziertem CO2- und Schadstoffausstoß und sichere Wege, gerade auch für Kinder und ältere Menschen. Und es geht um verringerten Lärm und Stress sowie Zeitgewinn. „Innerstädtische Wege werden schon allein aus Zeitgründen überwiegend mit dem Rad zurückgelegt werden, die Lebensqualität in den Quartieren wird steigen, weil es keine Durchgangsstraßen mehr gibt. Fahrräder und E-Bikes sind dabei essenzieller Bestandteil eines multimodalen Mobilitätsmix aus öffentlichem Verkehr, Individualverkehr im Pkw, auf dem E-Bike, dem Fahrrad oder zu Fuß sowie unterschiedlichen Sharing-Angeboten.“ Die optimale Mischung macht es also. Für Riese & Müller ist klar: In einer idealen urbanen Zukunft kann man jeden Tag aus einem vielseitigen Angebot sich ergänzender Verkehrsmittel wählen. Wie komme ich heute am besten an mein Ziel? Mit dem E-Bike? Zu Fuß? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Oder mit dem Car-Sharing-Auto?

Der entscheidende Push – Richtig eingelenkt auf den Weg in die zukünftige Mobilität

Fragt man Jörg Matheis nach der Rolle, die Riese & Müller bei der urbanen Mobilität einnimmt, kann er direkt die Akteure aus seinem Stall holen. „Mit unseren E-Bikes und Cargo-Bikes treiben wir die Mobilitätswende voran.“ Die Darmstädter Firma will dabei den Alltag auf dem Bike in jeder Hinsicht erleichtern und fördern. Nicht nur durch spezifische Radlösungen, sondern auch durch das Gestalten von öffentlichem Raum, Lobbyarbeit für Bikes aller Art und das Neudenken der Fahrradindustrie. Jörgs Fazit: „Wir verstehen uns als Macher der Mobilität von morgen.“

Wir sehen es als unsere Aufgabe, das Radfahren in Alltagssituationen zu fördern, aber auch dabei zu sein, wenn es um Gestaltung von öffentlichem Raum geht oder darum, Wirtschaft neu zu denken. – Jörg Matheis, Riese & Müller

Jörg zufolge sind viele Projekte, die R&M unterstützt, eine Herzensangelegenheit: „Unser Engagement bei Entrepreneurs for Future, unsere Partnerschaft mit der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft oder die Unterstützung der Stiftungsprofessur Radverkehr an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) sind dabei nur einige Projekte, die wir wichtig finden und die helfen, einen anderen Blick auf die Gesellschaft und die Wirtschaft im Allgemeinen zu legen.“ Wir sehen: Das Thema Miteinander ist riesig, die große Zusammenschau erst macht die Zukunft aus.

Herzensangelegenheit, Leidenschaft – das liegt in den Genen vieler Bike-Hersteller. Auch Advanced will Menschen für eine moderne nachhaltige Mobilität begeistern. Helge beschreibt das als Mission von Advanced: „Marken, die für moderne nachhaltige Mobilität stehen, müssen Begehrlichkeit für das Gute wecken und Menschen dafür begeistern, Teil der Veränderung sein zu wollen. Wir möchten durch Innovation und Design echten Fortschritt erlebbar machen.“ Echter Fortschritt? Unser aufgebautes Fragezeichen löst sich dann auch gleich in Luft aus: „Es reicht nicht aus, Fahrräder mit Elektromotoren, Akkus und innovativen Connectivity-Features auszustatten. Wenn wir die Mobilitätswende wirklich nachhaltig gestalten wollen, geht es nicht nur um Reduktion lokaler Emissionen.“

Wir müssen daran arbeiten, vielen Menschen ganz neue Formen der Mikro-Mobilität zugänglich zu machen – ohne dass wir der Umwelt weiter zur Last fallen. Auch die E-Bike-Herstellung muss in den Fokus rücken. – Helge von Fugler, Advanced

Soll heißen: Auch die E-Bike-Herstellung muss in den Fokus rücken. Und dafür geht die Marke Advanced einen neuen Weg, der drei Überzeugungen folgt: Erstens soll die E-Mobilität unsere Umwelt nicht belasten. Zweitens ist für Advanced erst eine Kreislaufwirtschaft wahre Nachhaltigkeit. Und schließlich müssen Dinge neu erfunden werden – Ökologie braucht Technologie. Helge bringt es auf den Punkt: „Was bringt der Umstieg auf E-Bikes, wenn sie nicht nachhaltig produziert werden, sondern stattdessen zusätzliche Ressourcen verbrauchen? Aktuell bestehen 90 % der Fahrradrahmen aus Aluminium oder Carbon und werden in sehr energieintensiven Verfahren in Asien produziert. Danach legen sie lange Wege zurück, um nach ihrer Lebensdauer wieder in Asien zu landen – auf dem Müll. Deshalb müssen wir Emissionen vermeiden und Ressourcen schonen.“

Die Natur macht es vor, sie besteht aus geschlossenen Kreisläufen

Helge zieht für diesen nachhaltigen Gedanken ein Vorbild heran: „Die Natur macht es vor, sie besteht aus geschlossenen Kreisläufen. Auch technische Kreisläufe sind möglich, wenn man Produkte von Grund auf neu erfindet – wir sind davon fasziniert und überzeugt. Wer ein Advanced-Rad fährt, ist Teil einer Bewegung, die für wirklich nachhaltige Mobilität und Ressourcenschonung steht.“ Aufs Wesentliche besinnen, innovativ denken und vielfältig sein ist also das Gebot der Stunde. Gerade Vielfältigkeit ist auch ein Kernthema von WINORA, um den verschiedensten Anforderungen urbaner Mobilität gerecht zu werden. So divers wie die Wünsche der verschiedensten Zielgruppen und Anforderungen, so divers ist ihr Portfolio, wie Christoph erklärt: „Die Fahrradtrends reichen vom Cargo- übers Pendler- bis hin zum wendigen Kompaktrad. Es gibt also nicht das eine Fahrrad, das allen Ansprüchen gerecht wird. Diese Vielfältigkeit bilden wir auch in unserem Portfolio ab, da wir möglichst vielen Menschen die Möglichkeit bieten wollen, das Fahrrad für ihren individuellen Einsatzzweck zu nutzen.“

Dementsprechend erarbeitet das Team bei WINORA auch in der Entwicklung passende Konzepte, die die Trends berücksichtigen und den Anforderungen gerecht werden sollen. „Wir möchten einen modernen Lifestyle repräsentieren und den Umstieg aufs Rad einfach und attraktiv machen. Und klar: Auch das Design spielt eine große Rolle.“ Bei aller Diversität gibt es jedoch einige Aspekte, die alle Bikes eint, wie Christoph beschreibt: „Neben smartem Handling und der Option, das Ziel mit einem (E-)Bike möglichst kraftsparend und schnell zu erreichen, können unsere Bikes dafür sorgen, dass die Menschen ihre jeweils individuelle urbane Welt für sich neu definieren können.“ Bäm, dieser Punkt klingt in unseren Ohren wie ein Trigger. Eine Vorlage nutzen, um kreativ und auch im Miteinander aktiv zu werden und mitzugestalten.

Ideen, Lösungen, Möglichkeiten – Die Rad-Welt ist so vielfältig wie wir Menschen

Dass das Rad in vielfältigen Variationen die urbane Mobilität bereits heute bedient, bilden viele Hersteller in ihrem Portfolio ab. Damit auch der Spaß auf dem Weg zum Kindergarten und der Schule nicht aufhört und gleichzeitig eine nachhaltige urbane Mobilität verfolgt wird, hat WINORA eine Lösung parat: „Mit unseren F.U.B.-Modellen bieten wir zwei- und dreirädrige Lastenräder an, mit denen man Kinder schnell und sicher transportieren kann.“ Und klar, es gibt ebenso Produkte für andere Anforderungen, sagt Christoph: „Das E-Flitzer ist unsere Lösung für Commuter, die kurze Strecken zum Arbeitsplatz zurücklegen müssen, und mit dem Radius hat man ein Mini-Bike, das ein einzigartiges Fahrgefühl bietet, ohne viel Platz in der Wohnung oder dem Keller einzunehmen.“

Advanced will mit der RECO-Technologie eine Revolution der E-Bike-Fertigung geschaffen haben und wurde dafür auch mit dem begehrten Design & Innovation Award 2022 ausgezeichnet. Innerhalb kürzester Zeit wird aus einem kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffgranulat mithilfe komplexer Spritzgusstechnologie ein Fahrradrahmen produziert. Der Clou: Das äußerst robuste Material soll recycelbar sein, kann also nach Gebrauch wieder zermahlen, eingeschmolzen und zu einem neuen Rahmen oder Bauteil gefertigt werden. „Wir können so aus altem Material neue Formen der Mobilität erschaffen“, erklärt Helge. „Und das in kurzer Zeit, energieeffizient und ohne lange Transportwege, denn die Produktion der RECO-Rahmen findet in Deutschland statt.“ Das Granulat, das Advanced heute für die neuen Rahmen einsetzt, besteht bereits aus recycelten Kohlenstofffasern aus anderen Industrien. „Ab dem ersten produzierten Rahmen können wir 68 % CO2 einsparen im Vergleich zu einem baugleichen Rahmen aus Aluminium bzw. einem Rahmen aus neuen Kohlenstofffasern.“ Das Gute daran: Es handelt sich dabei weder um Produktstudien noch um Konzeptfahrzeuge. Die E-Bikes RECO One sind bereits im Verkauf und fahren auf der Straße. Laut Helge soll die Produktion von Fahrrädern mit der RECO-Technologie in Deutschland in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut und auf viele Modelle ausgeweitet werden.

Helge von Fugler
Gründer Advanced

Der Rahmen soll dabei erst der Anfang sein. Dass Circular Economy Kernthema des Frankfurter Unternehmens ist, wird schnell klar. „Ein E-Bike besteht aus vielen einzelnen Komponenten unterschiedlicher Hersteller“, beschreibt Helge den Knackpunkt. „Um unsere Vision eines kreislauffähigen E-Bikes Wirklichkeit werden lassen, möchten wir Impulse in der Branche setzen und werden nachhaltige oder bestenfalls kreislauffähige Komponenten zukünftig bevorzugen.“ Wir erfahren, dass das Team bei Advanced in Zukunft auch langlebige Fahrradkomponenten wie Schutzbleche, Gepäckträger, Felgen, Speichen, Sattelstütze, Vorbau und Lenker aus ihrem Kompositwerkstoff fertigen wird. „Je mehr Teile wir selbst aus dem rezyklierten Material produzieren, desto größer wird unsere Kontrolle über den Materialkreislauf“, meint Helge.

Bei all den Technologien und neuen Ausrichtungen steht immer eins ganz vorne: Spaß. Das hat sich auch Riese & Müller auf die Fahnen geschrieben. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Produkte so gut zu machen, dass Menschen gerne auf ihr E-Bike steigen und ohne Kompromisse immer öfter auf das Auto verzichten können“, erfahren wir von Jörg. „Gleichzeitig sollen sie Kund*innen aber auch bei ihren vielfältigen Bedürfnissen im Alltag zuverlässig und umfassend unterstützen: als komfortables, schnelles Pendler-Bike mit Unterstützung bis 45 km/h, als geräumiges Cargo-Bike für den Kindertransport oder als Logistiklösung für Kleinunternehmer.“ Von Beginn an hat Riese & Müller das Potenzial des Cargo-Bikes als Autoersatz erkannt. Dieses Segment möchte das Team weiter differenzieren. Dazu gehören wendige und clevere Cargo-Bikes für beengte Verhältnisse ebenso wie robuste Alleskönner, die viel Platz bieten und je nach Transportbedarf individuell konfiguriert werden können. Jörg nennt noch ein weiteres wichtiges Segment: „Für die urbane Zielgruppe spielen aber auch sehr leichte, reduziert designte E-Bikes eine große Rolle. Sie fahren sich wie ein ganz normales Fahrrad, machen dank Tretunterstützung aber auch weitere Wege in der Stadt möglich.“

Und dann kommt ein weiteres dickes Ding: Konnektivität. „Wir sind fest davon überzeugt, dass sich die Vernetzung des E-Bikes am Markt durchsetzen wird“, erklärt Jörg. „Wir arbeiten an zahlreichen zukunftsweisenden Features, die den Komfort, die Sicherheit und den Fahrspaß weiter erhöhen. Schon heute bieten wir die Möglichkeit, über ein Connectivity-Modul das Bike per GPS-Signal zu orten.“ Das Rad kann so im Falle eines Diebstahls wiedergefunden werden oder es wird erst gar nicht geklaut, weil der Dieb oder die Diebin erkennt, dass es GPS-geortet ist. Wir erfahren aber auch, dass die digitale Anbindung ganz neue Möglichkeiten bietet, um das Fahrerlebnis zu maximieren – zum Beispiel, wenn Fahrdaten und Statistiken übersichtlich auf dem Smartphone landen. „In naher Zukunft wird auch die Vehicle-to-Vehicle-Kommunikation an Bedeutung gewinnen, um Verkehrsteilnehmer*innen im Straßenverkehr besser zu schützen“, meint Jörg und spricht damit den Punkt Konnektivität und Sicherheit an. Für Riese & Müller wird das vernetzte E-Bike so zu einem Verkehrsmittel, das neben der reinen Ortungsfunktion auch viele andere Sicherheits-Features bietet und dadurch weiter an Attraktivität gewinnt.

Elektrisch, autonom, vernetzt – Mix für eine spannende Zukunft

Bei so viel Fahrrad stellt sich die Frage, ob das Auto in der Stadt ganz in die Ecke gedrängt wird. Wir haben dazu mit Klaus Zyciora, Leiter Volkswagen Group Design, über die urbane Mobilität der Zukunft aus Sicht von VW gesprochen. Seit 1989 ist er im Unternehmen, zuletzt Executive Director von Volkswagen Design und nun Leitung des Designs für den gesamten Konzern. Der Industriedesigner weiß also ganz genau, was bewegt.

Klaus Zyciora
Volkswagen Group Design

Alles, was zählt, ist eine hohe Lebensqualität. Wenn Mobilität emissionsfrei und nachhaltig ist und sich gleichzeitig Unfälle vermeiden lassen, ist viel erreicht. – Klaus Zyciora, Leiter Volkswagen Group Design

„Es geht um das Miteinander“, sagt er. „Denn alles, was wir wollen, ist hohe Lebensqualität. Und das können wir erst im Miteinander in einem entlasteten, multidimensionalen Verkehr erreichen, bei dem wir uns sowohl emissionsfrei als auch sicher fortbewegen. Wie oft kam es schon vor, dass Radfahrer durch plötzlich geöffnete Autotüren stark verletzt wurden?“ Stimmt, davon können wir selbst ein Lied singen. Und solche Situationen können auch in neu konzipierten Stadtbezirken passieren, die nur noch Transporter und Anwohner zulassen. Klaus Zyciora ist der Überzeugung, dass digitale Sicherheits- und Kommunikationssysteme von Elektroautos genau das vermeiden können. Im Gespräch wird schnell klar: Es geht ihm um ständige Anpassung an neue Anforderungen, um so einen nachhaltigen, wertvollen und umsichtigen Lebensstil zu ermöglichen. Klaus beschreibt seine Laufbahn bei VW selbst als durchgehende Lernkurve. Und es wird klar: Er hat keine Scheu, sogar Erfolgsrezepte infrage zu stellen. Das nennt man Transformation.

Das Erbe, also den riesigen Erfahrungsschatz, für die Transformation in die Zukunft mitzunehmen und Mehrwert für die gesamte Kundschaft zu generieren, das ist für Klaus der Grundpfeiler der Arbeit bei VW. Genauso entscheidend sei aber, die Menschen für eine neue Form der Mobilität zu begeistern. Dabei stehe für Volkswagen die Elektromobilität an oberster Stelle. „Über 120 Jahre war der Verbrennungsmotor essenzieller Bestandteil unserer Technik“, beschreibt Klaus den Paradigmenwechsel. „Der Elektromotor in seiner kompakten Größe gibt uns nun viel Gestaltungsfreiraum – und mehr Raum für den Nutzer. Auch die Leistung ist enorm höher.“

Spannend finden wir vor allem die Sicherheit durch Konnektivität und den Raumgewinn. Denn darum geht es ja in der Stadt von morgen. Klaus nennt hier neben der Möglichkeit, ein 100 % emissionsfreies und lärmreduziertes Elektromobil zu besitzen, gerade auch die Alternative des Nicht-Besitzes, die an Attraktivität gewinnt. Die Rede ist von Sammelfahrzeugen: „Mobilität muss problemlos jedem zur Verfügung stehen. In elektrischen Sammelfahrzeugen kann jeder seinen Platz finden, sich entspannt zurücklehnen und unterhalten lassen. Zudem leeren sich die Straßen, weil weniger Einzelfahrzeuge unterwegs sind.“ Der Konzern hat hier bereits erste Kooperationen bzw. Tochterunternehmen. In Hamburg und Berlin bietet er mit MOIA bzw. WeShare Sammelfahrzeuge an, ob für Businessleute, Gruppenreisende, Kinder oder Einzelpersonen. Die nächste Stufe ist bereits in Planung: Dann geschieht das Ganze autonom. Es soll Europas erstes autonomes Ride-Pooling-Projekt werden – die Roadmap steht und noch für dieses Jahr sind Testfahrten mit dem Prototyp ID.BUZZ AD geplant. Bis 2025 möchte VW ein autonomes Ride-Pooling-System entwickeln, das in Hamburg integriert ist und international skalierbar sein wird.

Die Begeisterung für die neuen Konzepte hört man bei Klaus unschwer raus. „Es ist ein extrem spannender Wandel“, sagt er. „Eigentlich kommen wir vom reinen Autobauen, jetzt beschäftigen wir uns mit Menschen und den Konzepten wie Sharing und autonomes Fahren und all den entsprechenden Herausforderungen. Gerade das autonome Fahren wird Städte durch den gleichmäßigen Fluss entlasten.“ Ein Teil des Plans ist nämlich, dass die Autos nur auf Abruf in die Innenstädte kommen – immer, wenn sie nicht aktiv gebraucht werden, parken sie außerhalb des Stadtkerns und werden dort gewartet. Bis die nächste Person per App mitteilt, dass sie ein Auto benötigt. Dadurch sind die Städte schon mal deutlich leerer, weil nicht überall verzweifelt Menschen in zweiter Reihe parken. Vielleicht stehen sogar kaum noch Autos im Stadtkern herum! Es hört sich attraktiv an, vor allem da von einer solchen Technologie alle Bürger*innen profitieren können, auch ältere Menschen und Personen mit Mobilitätseinschränkungen.

Kann so die Transformation gelingen? Klaus nennt entscheidende weitere Punkte für den Mobilitätswandel: Nachhaltigkeit, zeitloses Design und die Herausforderung, rationale und emotionale Werte auf eine Ebene zu bringen. „Wir werden unsere Lebensstile anpassen müssen.“ Langfristigkeit ist ein entscheidender Parameter. Daher will Klaus im Design deutlich stärker auf Nachhaltigkeit der Formen achten: „Es geht um zeitbeständige Formen, weniger trendig. Intelligent ja, aber nicht aggressiv, sondern zugewandt, mit Empathie.“ Und dann kommt es, das Stichwort zirkuläre Wirtschaft – die der Konzern laut Klaus vorantreiben will: „Es ist unser Selbstverständnis, durch Recycling-Maßnahmen Mehraufwand zu betreiben. Jedes Bauteil auseinandernehmen, Blech wieder zu Blech, Kunststoffe wieder zu Kunststoffen zu machen.“ Gerade auch das Herzstück, die Batterie, rückt hier ins Rampenlicht. „Großer Fokus liegt auch auf der Langlebigkeit der Batterie. Und selbst nach langer Lebenszeit soll sie als Second-Life-Produkt ein neues Leben erhalten. Danach landet sie nicht auf dem Müll, sondern alle einzelnen Bestandteile werden getrennt und wieder verwendet. Wenn viele Leute das Konzept cool finden, kann es mehr als nur ein zukunftsweisender Fortschrittsgedanke sein. Denn nur dann, wenn es nicht ein Dreifaches kostet, ist ein Produkt attraktiv.“

Klar: Nachhaltigkeit kostet mehr, das ist einfach Fakt. Gewisse Preispunkte zu erreichen, geht dann nur über die Skalierung, sprich die Massenproduktion. Auf den ersten Blick widerspricht das der Ressourcenschonung, auf der anderen Seite sorgt es aber dafür, dass bessere Fahrzeuge genutzt werden, die lokal emissionsfrei sind und die Lebensqualität in den Städten verbessern. Es wird deutlich: Die richtige Balance zu finden ist wichtig. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Akzeptanz der Bevölkerung. Und der Wille, etwas verändern, mitgestalten zu wollen. Denn Werte wandeln sich. Klaus beschreibt es so: „Man muss Menschen inspirieren, damit sie sich mit den neuen Mobilitätsformen identifizieren können. Das ist dann wie ein Katalysator. Emotionale und rationale Trigger sollten möglichst auf gleiche Ziele einzahlen.“

Eine andere Herausforderung in der Automobilbranche sieht Klaus aktuell noch in den Rahmenbedingungen: „Es gibt viele gesetzliche Bestimmungen und technische Vorgaben, die man zu erfüllen hat, die aber erst mal entlang der Veränderung der Industrie angepasst werden müssen. Bei der Elektromobilität ist man aber in einer viel höheren Veränderungsgeschwindigkeit seitens der Industrie als der Gesetzgebung.“ Ähnliches sieht Klaus in der Ladeinfrastruktur. Der industrielle Fortschritt bringt eine riesige Nachfrage an E-Autos mit sich – hier würde sich ein extrem starkes Wachstum bemerkbar machen, das einem normalen Wachstum im Ladesäulenausbau hierzulande gegenübersteht. „Hier herrscht natürlich noch Nachholbedarf, aber wir haben bereits Kooperationen mit anderen Unternehmen und investieren in den Ausbau.“ Klar ist: Es wird noch einiges wachsen – ob Ladeinfrastruktur, Testungen und Abnahmen zu autonomem Fahren, die Akzeptanz dafür sowie für Sharing-Konzepte und zu Mobility-as-a-Service, bei dem der Weg von A nach B von einem Anbieter mit integrierten Lösungen wie Taxi, Mietwagen, Car-Sharing, Bike-Sharing und einer Zahlung per Smartphone abgehandelt wird.

Städte am Hebel – Beispiel Stadt Böblingen

Um ein umfassendes Bild über die (sub-)urbane Zukunft zu erhalten, hat uns auch die Sicht- und Handlungsweise der Gestalter der Stadt interessiert. Wir hatten die Gelegenheit, die Stadtverwaltung von Böblingen zu dem Thema zu befragen, eine rund 50.000 Einwohner*innen große Stadt in der Nähe von Stuttgart.
Städte haben in der Corona-Pandemie erfahren, was Flexibilität bedeutet. Das beschreibt uns Böblingens Bürgermeisterin Christine Kraayvanger, die auch das Dezernat „Planen und Bauen“ leitet. Die Stadtverwaltung Böblingen hätte sich zwar schnell neu organisiert und digitale Konzepte aufgestellt, gleichzeitig sei man aber auf den direkten Austausch und Kontakt angewiesen. Und zwar nicht nur unter Kolleg*innen, sondern auch hinsichtlich Veranstaltungen. „Wir sehen heute diese Vielfalt und Mischung an digitalen und Präsenz-Angeboten als einen großen Gewinn, der uns neue Möglichkeiten eröffnet“, erklärt Christine Kraayvanger. „Das gilt ebenfalls für unseren Mobilitätsbedarf. Das Auto wird auch in Zukunft eine Rolle in unserem Alltag spielen, zugleich werden ressourcenschonende Mobilitätsangebote klar an Bedeutung gewinnen.“ Die Stadt möchte dabei die Wahl flexibel gestalten. „Autos und Fahrräder werden zunehmend elektrischer, auch Busse werden immer klimafreundlicher angetrieben. Außerdem kann man sich im Rahmen eines Sharing-Angebots ein Auto oder Fahrrad leihen.“

Dabei steht das Leben in der Stadt an oberer Stelle, wie Christine Kraayvanger erklärt: „In einer Zeit, in der vermehrt online bestellt wird und die digitalen Möglichkeiten vielfältiger werden, müssen und wollen wir als Stadt eine noch lebenswertere Umgebung zum Wohnen, Arbeiten und Flanieren bieten.“ Möglich machen will das Böblingen mit einer Innenstadt der kurzen Wege, mit vielfältigen Mobilitätsangeboten – und mehr Grün für mehr Klimaschutz. Dazu stünden Gemeinderat und Stadtverwaltung eng miteinander in Kontakt, um Rahmenbedingungen zu öffentlicher Infrastruktur und Angeboten zu schaffen. Die Interessen sind dabei vielfältig. Zum einen sieht sich die Stadtverwaltung als Ideengeber, Wegbereiter und Netzwerkpartner, wenn sich zukunftsfähige Unternehmen in Böblingen ansiedeln oder bestehende Unternehmen weiterentwickeln wollen. Zum anderen setzt die Stadt in eigenen Projekten schon längst solche Ideen um. Christine Kraayvanger erzählt: „Wir nutzen die Chancen sehr aktiv, wenn es um die Konversion von größeren Flächen geht. Mit der Bauleitplanung fordern wir gleichzeitig zukunftsorientierte Mobilitätskonzepte. Damit erreichen wir mit neuen Angeboten Menschen, die bei uns ihren neuen Lebensmittelpunkt finden. Am IBAʼ27-Projekt auf dem Post-Areal der BBG wird das am deutlichsten: Direkt am Knoten für den ÖPNV gelegen, bietet sich dort die Möglichkeit, Mobilität völlig anders anzugehen. 0,5 als Stellplatzschlüssel wird dort im Moment der Bauleitplanung zugrunde gelegt.“

Mit der Bauleitplanung können
Stadtverwaltungen zukunftsorientierte Mobilitätskonzepte
direkt einfordern und den Mobilitätswandel vorantreiben. Auf
dem Post-Areal der Böblinger
Baugesellschaft (BBG) wird z.B.
mit 0,5 als Stellplatzschlüssel
kalkuliert

Es geht also um Platz, einfache Mobilität, viel Grün – und einen weiteren interessanten Aspekt: das Mitwirken Vieler und gemeinsame Gestalten. „Wir beraten, wie die städtischen Räume von Straßen über Plätze bis zu Grünflächen gestaltet werden können, und reflektieren das Wohnen, Arbeiten und Miteinander-Leben von morgen“, so die Bürgermeisterin. „Es gibt bei uns viele Menschen, die wirklich gute, innovative Ideen haben und sich für ihre Stadt einsetzen. Unsere Aufgabe dabei ist es, diese Ideen zusammenzuführen, daraus gemeinsam mit dem Gemeinderat die bestmöglichen Lösungen für die Stadt zu finden und umzusetzen.“ Dabei ist klar: Klimaschutz steht ganz oben.

Unsere Rad- und Fußwegverbindungen werden wir noch besser ausbauen und miteinander verknüpfen. Und da immer mehr Autos mit alternativen Antrieben in Böblingen unterwegs sind, brauchen wir mehr Lademöglichkeiten für E-Autos und Pedelecs. Hierzu haben wir jüngst ein Konzept dem Gemeinderat vorgestellt. – Christine Kraayvanger, Bürgermeisterin der Stadt Böblingen

„In unserem Klimaschutz- sowie Klimaanpassungskonzept sind Maßnahmen vorgesehen, die wir kontinuierlich umsetzen, z. B. für öffentliche Gebäude, Straßen und Grünanlagen“, sagt die Bürgermeisterin. „Aber auch die Bürgerschaft ist mit ihren Immobilien und Flächen gefragt. Deshalb ist es wichtig, zu sensibilisieren und die Einwohner*innen mitzunehmen.“
Um den Weg in Richtung Klimaneutralität zu gehen, hat sich die Stadt Böblingen entsprechende Ziele gesetzt: Bis 2030 soll sich der Autoverkehr in der Stadt von derzeit 47 % auf 37 % reduzieren und der Anteil des Radverkehrs bei einer Entfernung zwischen 1 und 5 km von aktuell 12 auf 25 % erhöhen. Auch die Car- und Bike-Sharing-Nutzungsskalen möchte man ansteigen sehen. Außerdem sollen die morgendlichen Stoßzeiten bei den Autos im Berufsverkehr sowie der Autoanteil bei Wegen zu Kindergarten und Schulen reduziert werden.

Wie sie das alles erreichen wollen? „Unsere Rad- und Fußwegverbindungen werden wir noch besser ausbauen und miteinander verknüpfen“, erklärt die Bürgermeisterin. „Und da immer mehr Autos mit alternativen Antrieben in Böblingen unterwegs sind, brauchen wir mehr Lademöglichkeiten für E-Autos und Pedelecs. Hierzu haben wir jüngst ein Konzept dem Gemeinderat vorgestellt.“ Zudem gibt es für die Bürgerschaft einen kostenlosen Lastenradverleih sowie 8 RegioRad-Stationen und Car-Sharing im Stadtgebiet. Und dann geht es noch ums Incentivieren: Ihren Mitarbeitenden gewährt die Stadt einen ÖPNV-Zuschuss von 50 % oder alternativ 25 Cent pro geradelten Kilometer zur Arbeit. Ein Konzept, das auch auf andere Arbeitgeber übergreifen könnte.

Realutopie oder doch noch weit weg? Unser (Zwischen-)Fazit

Insgesamt liegt uns eine Vielzahl an nachhaltigen Mobilitätskonzepten bereits jetzt zu Füßen. Es ist gut zu sehen, dass sich viele Player bewegen und bereits Wege eingeschlagen haben für ein besseres Leben in der Stadt der Zukunft. Auch wenn es einfach ist, auf andere zu zeigen oder auf vermeintlich bessere Technologien zu warten, liegt das Gestalten der Zukunft primär an uns. Daran, wie wir leben, wie wir uns fortbewegen, was wir fortwerfen oder über einen langen Zeitraum hinaus pflegen und instand halten. In diesem Sinne: Lasst es uns anpacken und gemeinsam ein respektvolleres, saubereres und stressfreieres urbanes Leben gestalten! Und wer weiß – vielleicht trifft man sich dann ja auf der Straße zu einem lockeren Plausch! Bis denn!

Words: Simone Giesler Photos: Robin Schmitt, Benjamin Topf, Volkswagen, Unsplash, Steinhoff/Haehnel Architekten