Als ein Bike „für alles“ vermarktet Specialized das Turbo Vado 5, was mit dem kräftigen Antrieb und einer äußerst umfangreichen Ausstattung untermauert wird. Unter anderem ist hier sogar ein Radar mit an Bord, der den nachfolgenden Verkehr beobachtet. Ist Specialized damit ein Bike gelungen, das einen wunschlos glücklich macht?

Specialized Turbo Vado 5.0 | 25,58 kg in Größe L | 5.200 € | Hersteller-Website

Am liebsten hätte man ja gerne alles, und dann auch noch möglichst auf einmal. Beim E-Bike lässt sich das wohl so zusammenfassen: Ein bärenstarker Motor, der sich trotzdem feinfühlig fahren lässt. Kombiniert mit einem Akku, dem möglichst nie die Puste ausgeht. Und gerne auch eine alltagstaugliche und praktische Ausstattung, die aber bloß nicht den möglichst coolen und sportlich-eleganten Look des Bikes ruiniert. Dass für ein agiles Fahrverhalten ein solches Bike natürlich auch so gut wie nichts wiegen darf, ist sowieso klar! Mit etwas Sinn für die Realität weiß man aber zu genau, dass solche Fantasien – nicht nur beim Thema Fahrrad – eher im Land der Träume zu finden sind. Also: zurück in die Gegenwart, Zeit für eine Bestandsaufnahme!

Das Specialized Turbo Vado 5.0 2022 auf einen Blick

Schauen wir uns das Vado so an, dann zeigt sich gleich eines: Der Auftritt dieses Specialized-Bikes ist im Gegensatz zum Vado SL eher massig als sportlich-elegant und insbesondere am Unterrohr wirkt der Rahmen recht wuchtig, was auf den Akku mit 710 Wh Kapazität zurückzuführen ist. Jedoch ist dieser sauber integriert und lässt sich nach unten herausnehmen. Auch der bis zu 90 Nm leistende Specialized 2.2-Motor, der auf einem Brose-Motor basiert, ist mit seiner großflächigen, schwarzen Kunststoffabdeckung recht klobig. Dank der schwarzen Lackierung des Testrads fällt dies allerdings nicht störend auf.

Klobig, aber äußerst kraftvoll: der Specialized 2.2-Motor
Gut gelöst: stabile Klappe für magnetischen Ladeanschluss

Auffällig unauffällig gilt auch für den Rest der Ausstattung: Ebenso schwarz ist am Vado die Federgabel an der Front sowie alle weiteren Anbauteile, darunter die Schutzbleche. Diese sind übrigens nicht nur durch ihre Breite, sondern vor allem durch ihre Länge beachtenswert: Sie reichen bis weit nach unten und halten auch bei Schmuddelwetter die Schuhe möglichst sauber – ganz egal ob Freizeit-Sneaker oder Business-Lederschuh! Am Cockpit gefällt das zentral positionierte Display, das Fahrtinformationen angenehm groß und farbig darstellt. Zudem bietet es eine praktische USB-Ladebuchse für euer Smartphone. Weniger gefallen hingegen die offen verlegten Kabel, die einen etwas chaotischen Eindruck hinterlassen. Eine zeitgemäßere Lösung, bei der diese direkt im Vorbau verschwinden, wäre hier sicherlich eleganter gewesen. Immerhin: Im Rahmen selbst sind alle Leitungen innen verlegt.

Recht gewöhnlich schaut auf den ersten Blick der Gepäckträger aus, doch er hat es sprichwörtlich in sich: So ist hier ein bündig eingepasstes Rücklicht verbaut, welches in Form eines schmal leuchtenden LED-Lichtbands strahlt. Style? Check! Mit einer zulässigen Zuladung von 27 kg beherrscht der Gepäckträger auch die Kindersitztauglichkeits-Disziplin! Für die nötige Standsicherheit – nicht nur beim Auf- und Absetzen der Kinder – sorgt der serienmäßige Seitenständer. Dieser lässt sich zwar nicht in der Länge verstellen, ist dafür aber aus einem Guss und dementsprechend stabil.

Alles drin, alles dran – Die Ausstattung des Specialized Vado 5.0

Damit sind wir bei der Ausstattung angelangt, doch erstmal ganz von vorne: Herzstück ist hier sicherlich der Motor, der mit satten 90 Nm Drehmoment aktuell zu den stärksten Exemplaren im E-Bike Segment zählt. Zur Seite steht ihm ein Akku mit 710 Wh an Kapazität. Auch dies ein beeindruckend hoher Wert, mit dem man selbst für lange Touren bestens gerüstet ist. Wichtig für alle, die unter Reichweitenangst leiden: Auch den größten Akku kann man schnell leer fahren, wenn man im falschen Gang, mit zu wenig Luft in den Reifen, nur im Turbo-Modus oder ganz viele Höhenmeter fährt! Kurz gesagt, beeinflusst ihr mit eurer Fahrweise und eurem Eigengewicht die Reichweite enorm. Mit einer Akku-sparenden Fahrweise im optimalen Wirkungsbereich des Motors kann man hingegen viele Kilometer an Reichweite gewinnen. In diesem Sinne: Seid keine Dullis und kauft euch bloß nicht stumpf den größten Akku, weil ihr gehört habt, dass mehr immer besser sei! Wer mehr zu Reichweite und Co. wissen will, kann im Artikel unseres Schwestermagazins E-MOUNTAINBIKE „Die Wahrheit über Labortests“ einige Inputs finden.

Alles an Bord: das Specialized Vado 5.0 2022 mit Vollausstattung
Das zentrale Display gefällt mit seiner Größe und Helligkeit.
Optional möglich: prozentgenaue Einstellung der Motorunterstützung

Zum Laden lässt sich der Akku aus dem Rahmen entnehmen – das ist vor allem praktisch, wenn man am Abstellort des Bikes keine Steckdose, sprich Lademöglichkeit hat. Die Bedienung des Antriebs erfolgt über einen Daumentaster am Lenker, mit dem sich die verschiedenen Fahrmodi einstellen lassen. Super dabei: Diese lassen zudem in 10-%-Schritten individuell einstellen, ganz nach persönlicher Vorliebe. Und dank einer spürbaren Vibration bekommt man dabei auch ein haptisches Feedback.

Der Daumentaster gibt sogar ein haptisches Feedback.
Stylish: integriertes Rücklicht im Gepäckträger, darunter der Radar-Sensor

Auf dem zentralen Display werden alle Infos zur Fahrt angezeigt, was dank seiner Leuchtstärke und einem guten Kontrast auch bei Sonnenschein gut lesbar ist. Neben Geschwindigkeit, Akkuladung oder der Fahrstufe wird darauf auch die Information des Radars angezeigt. Radar? Richtig, das Vado 5.0 hat auch einen Radarsensor von Garmin verbaut, der den rückwärtigen Verker scannt. Nähert sich von hinten ein Fahrzeug, wird dieses als kleiner Punkt auf dem Display mit dem jeweiligen Abstand zum Vado in Echtzeit angezeigt. Einen kurzen Schulterblick empfehlen wir beim Abbiegen aber trotzdem – auch wenn das Radar in 9 von 10 Fällen herannahende Fahrzeuge im Test korrekt angezeigt hat.

Zwei Punkte links zeigen den vom Radar gemessenen Abstand zu nachfolgenden Fahrzeugen an.

Die Lichtanlage wird ebenso über den Daumentaster gesteuert und bietet eine solide Leistung: So leuchtet der Lezyne-Scheinwerfer mit 310 Lumen angenehm hell, ebenso das sauber integrierte Rücklicht. Allerdings wäre eine Fernlichtfunktion, angesichts der sonst üppigen Ausstattung, durchaus angemessen gewesen. Einen Turbo-Boost an Features gibt es hingegen bei der Kopplung mit der Mission Control-App von Specialized: Damit lassen sich nicht nur die Motorunterstützung individuell anpassen, Strecken planen und aufzeichnen oder die System-Firmware updaten. Zudem kann man beim Vado in der Mission Control-App die gesamte Antriebseinheit sperren, quasi ein digitaler Diebstahlschutz. Erst die persönliche PIN erweckt den Motor dann wieder zum Leben. Ein Fahrradschloss empfiehlt sich natürlich trotzdem – wofür der Rahmen Halterungen zur Befestigung bietet, ebenso für eine zusätzliche Trinkflasche.

Licht und Schatten: heller Lezyne-Scheinwerfer, etwas chaotisches Kabelwirrwarr

Die Schaltung des Vado 5.0 stammt aus der GX-Serie von SRAM, welche ursprünglich aus dem Mountainbike-Bereich stammt und elf Gänge bietet. Eine robuste Gruppe, die auch am Vado gut aufgehoben ist. Dass bei dieser jeweils nur ein Gang auf einmal schaltbar ist, macht übrigens durchaus Sinn: Die Kraft des Motors ist nämlich so stark, dass die Kette bei doppelten Gangsprüngen schnell das Zeitliche segnen würde. Pluspunkte verdient zudem der Kettenschutz: Er funktioniert prima, verzichtet dabei aber auf die biedere Optik herkömmlicher Modelle.

Ungewöhnlich geformter, aber durchaus funktionaler Kettenschutz

Da Specialized das Vado auch in einer Variante mit Nabenschaltung (genauer gesagt, dem stufenlosen Getriebe von Enviolo) anbietet, ein kurzer Exkurs dazu: Prinzipiell ist bei einem Pendler-Bike eine Nabenschaltung durchaus sinnvoll, da sie voll gekapselt und damit gut vor Witterungseinflüssen von außen geschützt ist. Schließlich ist solch ein Bike nicht nur für die Schönwetter-Tour konzipiert! Doch bietet eine Nabenschaltung gegenüber einer Kettenschaltung auch ein paar Nachteile: zum einen das meist höhere Gewicht, zum anderen – und das ist bei diesem Rad relevanter – die geringere Bandbreite der Übersetzung. Vor allem am Berg spielt eine moderne Kettenschaltung ihre Vorteile aus, da ihr kleinster Gang nochmals leichter zu fahren ist. Und das spürt nicht nur ihr, sondern auch der Motor, der dann sparsamer mit dem Akku umgehen kann. Gleiches gilt übrigens auch in der Ebene, wo man mit der Kettenschaltung höhere Geschwindigkeiten bei niedrigerer Trittfrequenz fahren kann.

Das Specialized Vado 5.0 2022 im Test – So fährt sich das Bike

Für eine möglichst komfortable Fahrt sorgen beim Specialized Vado 5.0 zum einen die RockShox Recon Silver RL-Federgabel mit 80 mm Federweg an der Front, zum anderen auch die gefederte Sattelstütze, welche ihrerseits 40 mm Federweg bietet. Da sie nach dem Teleskop-Prinzip arbeitet, verändert sich allerdings beim Federn der Abstand zum Tretlager und damit die Sattelhöhe sowie der Sitzwinkel. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig, für den Alltagsgebrauch aber akzeptabel. Dafür punktet die Sattelstütze mit einer einfachen Einstellmöglichkeit an das jeweilige Fahrergewicht. Außerdem tragen die fetten Specialized Pathfinder Sport Reflect-Reifen im 650B-Format ihren Teil zum Fahrkomfort bei: Mit einer Breite von 2,3-Zoll lassen sich diese mit moderatem Luftdruck fahren, was kleine Unebenheiten zusätzlich effizient dämpft. Letztlich trägt auch die Sitzposition zum komfortablen Fahreindruck bei, was durch den erhöhten und nach hinten gebogenen Lenker sowie eine eher aufrechte Haltung erreicht wird. Allerdings: Das Vado ist keineswegs ein Fahrrad vom Typ Hollandrad, sondern schafft einen guten Kompromiss aus Komfort und Sportlichkeit. Die kurze, gemütliche Ausfahrt zum Bäcker lässt sich damit ebenso gut erledigen wie die flott gefahrene Pendlerstrecke zur Arbeit.

Angenehm ist dabei die Kraftentfaltung des starken Specialized 2.2-Motors. Anstatt stumpf die volle Power zu liefern, setzt dieser sehr gutmütig ein. Gleiches gilt bei der 25 km/h-Grenze, bei der sich der Antrieb sanft zurücknimmt. Und wer es eilig hat, gibt dem Vado im Turbo-Modus so richtig die Sporen und wird mit maximaler Power nach vorne katapultiert. Dank einem großem Kettenblatt mit 48 Zähnen vorne ergibt sich im höchsten Gang eine lange Übersetzung, die einem bei hohen Geschwindigkeiten entgegenkommt. Anstiege hingegen lassen sich dank der großen Übersetzungsbandbreite und der immensen Kraftentfaltung des Antriebs dennoch problemlos meistern.

80 mm Federweg bietet die RockShox Recon Silver RL-Federgabel, die fetten Reifen dämpfen Unebenheiten zusätzlich.
Komfortabel: gefederte Sattelstütze mit 40 mm Federweg

Dabei lernt man auch die SRAM G2 RS-Bremsanlage schätzen, die sich dank 180 mm großer Bremsscheiben standfest zeigt und zudem gut dosierbar ist. Das Gefühl von Fahrsicherheit und Vertrauen ist am ganzen Bike durch die hochwertigen und passend gewählten Komponenten gegeben. Unterstützt wird dies durch eine hohe Laufruhe, was neben der Federung auch durch den langen Radstand erreicht wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass es sich beim Vado nicht gerade um das agilste Bike handelt. Dafür ist es schlicht zu massig und mit über 25 kg etwas zu schwer.

Standfest: große 180-mm-Bremsscheiben und der einteilige Ständer

Unser Fazit zum Specialized Turbo Vado 5.0

Wer auf dem Weg zur Arbeit noch schnell den Zwerg in der Kita absetzt und auf dem Nachhauseweg kurz in den nächsten Supermarkt springt, ist mit dem Specialized Vado 5.0 bestens bedient – und kann dank massig Komfort auch den Umweg über den schöneren Weg durch die Natur nehmen. Alltagsnutzen? 100 Punkte. Style-Wertung? Sagen wir mal so: Geschmackssache 😉

Tops

  • umfangreiches Ausstattungspaket
  • hohes Sicherheitsgefühl
  • kraftvoller Motor und große Akkukapazität
  • viel Komfort

Flops

  • Zugverlegung in der Front/Kabelintegration in der Front
  • Gewicht und Unhandlichkeit

Tuning-Tipp: Licht mit Abblendfunktion

Mehr Informationen zum Turbo Vado 5.0 erhaltet ihr unter specialized.com

Words: Oliver Gibler Photos: Benjamin Topf