Mit dem Lundi 20 E-Cargo-Bike präsentiert Moustache einen rollenden Riesenschnauzer, der bis in beide gezwirbelten Spitzen voller Charme steckt. Clevere Frachtoptionen, Simplizität, überzeugendes Handling auf der Straße und nur wenige Schwächen machen das Lastenrad in unserem Test zum gelungenen Hingucker mit Schnurri.
Lundi heißt Montag, und Montag heißt ran an die Arbeit! Aber bitte ganz entspannt. Das Lundi 20 von Moustache macht dem Namen der französischen Firma, die seit 2011 besteht und ausschließlich E-Bikes herstellt, alle Ehre: Ab Januar 2022 wird es seinen Lenker in der Form eines übergroßen Schnurrbarts pomadig durch die pulsierenden Straßen der Stadt schieben. Das Einzige, was dabei dampft, ist dann der duftende Kaffee in eurem Becher und das frische Brot vom Lieblingsbäcker, das vorne im Korb ruckelt. Ihr selbst cruist dank E-Antrieb ganz gelassen durch die Gassen, den Nachbarn freundlich winkend und ein Lied auf den Lippen. Lächelnd am Ziel angekommen, lupft ihr euer Gepäck vom Heckträger, schnalzt mit der Zunge und… Moment, kann hier mal bitte wer das Chanson im Radio leiser drehen?
Das Lundi 20 will nun wirklich nicht nur stilvolles Accessoire auf zwei Rädern sein, sondern werktags richtig mit anpacken! Die vielseitigen Sitz- und Transportlösungen und der solide Antrieb des Lundi lassen blitzen, dass wir es hier mit keinem Montagsmodell zu tun haben. Doch wie schlägt sich das Moustache, wenn man es mal richtig an den Schnurrhaaren packt und all das auch wirklich ausprobiert? Lest selbst!
Das Lundi 20 im Detail
Das Moustache Lundi gehört mit kompakter Front und ausladendem Laderaum hinter dem Sattel zu den Long-Tail-Lastenrädern. Für ein Cargo-Bike ist es aber ziemlich kompakt und leicht und kann zur Not noch mit der Hand über Kanten gehievt werden. Der hintere Träger bietet MIK HD-Standard und Ortlieb QL3-Kompatibilität, während der Frontträger lediglich im normalen MIK-Standard daherkommt. Warum? Weil Kinder auf dem Lundi eh am besten hinten sitzen, so Moustache. Unter den Ladeflächen drehen sich vorne wie hinten 20’’ kleine Räder mit voluminösen Ballonreifen von Schwalbe. Darüber verlaufen formschlüssig Schutzbleche und Beleuchtung. Das Rücklicht leuchtet dank Beschleunigungssensor heller, sobald ihr an die Bremsen greift. Eine kleine Extraportion Sicherheit.
Einfachheit statt Komplexität
Als Stoßfänger gibt es am Lundi neben den gut dämpfenden Reifen nur eine Sattelstütze mit Luftdämpfung. Die ist per Luftpumpe auf verschiedene Körpergewichte einstellbar und bietet etwa 15 mm vertikalen Puffer, wenn es holpert. Der Alu-Rahmen und die Alu-Gabel selbst besitzen aber keine Federung. Einfacher, wartungsärmer und verlässlicher, so die Begründung von Moustache hierfür. Das Lundi 20 wiegt auch deshalb nur 33 kg – und damit beispielsweise nur gut die Hälfte vom KETTLER Cargoline. Dennoch knackt das Lundi 20 die für den Lasten- und Kindertransport einschlägige DIN 79010-Norm. Zusammen mit einem Chauffeur von 85 kg würden bei 200 kg zulässigem Gesamtgewicht noch satte 82 kg für weitere Fracht bleiben. Der Heckträger ist allerdings auf 70 kg Zuladung limitiert. Was ihr damit dann transportiert, hängt von eurer Tagesaufgabe und auch vom gewählten Aufbau ab. Serienmäßig kommt das Lundi 20 mit dem hinteren Gepäckträger mit umlaufendem Geländer, das Gepäck und Kindern Halt und Schutz bietet. Vom Kindersitz mit Gurt über eine minimalistische Sitzschale für größere Passagiere bis hin zu verschiedenen Taschenlösungen bietet euch der Moustache-Katalog viele Optionen, den Einsatzbereich eures Lundi 20 zu verfeinern.
Wie sich das Lundi fährt, besprechen wir gleich noch. Zunächst aber werfen wir einen Blick auf den Antrieb, der dieses E-Cargo-Bike auch bei maximaler Zuladung überhaupt auf Schwung bringt.
Bosch Cargo Line mit einem oder zwei Akkus
Zwischen den Kurbelarmen des Moustache unterstützt euch ein Bosch Cargo Line-Motor mit bis zu 85 Nm Drehmoment beim täglichen Weg durch Paris… oder eben durch eure Stadt. Der Bosch PowerPack-Akku mit 500 Wh ist nicht in den Aluminium-Rahmen des Lundi integriert, sondern sitzt in seiner Halterung direkt auf dem Unterrohr – geschützt durch das knapp darüber verlaufende Oberrohr. Wählt man gleich eine der empfehlenswerten Dual-Ausstattungsvarianten mit zweitem Akku, dann hängen die gleichen 500 Wh nochmal hinten am Sattelrohr und sorgen für insgesamt satte 1.000 Wh, mit denen ihr je nach Zuladung und Fahrweise ein paar Mal durch die Stadt kommt. Wie viel Reichweite gerade noch übrig ist, zeigt euch ein Bosch Intuvia-Display – etwas angestaubt und ohne Farbdisplay, doch auch hier ist für Moustache Simplizität Trumpf. Ebenfalls am Lenker befinden sich der sehr intuitiv zu bedienende Drehgriff der Enviolo-Nabenschaltung mit 380 % Bandbreite sowie der Daumenhebel für die auf Fingerdruck höhenverstellbare Sattelstütze – ideal zum Auf- und Absteigen oder wenn sich unterschiedlich große Nutzer das Lundi 20 teilen!
Riemen statt Kette
Der Antrieb unseres Lundi 20 stammt von GATES. Dabei wird die konventionelle Kette durch einen verlässlichen und wartungsarmen Antriebsriemen ersetzt. Diese aufgeräumte Lösung ohne sichtbare Schaltungsteile am Hinterrad macht sich auch optisch gut und trägt zur klaren Formensprache des Moustache bei. Apropos aufgeräumt: Außer zur cleanen Optik sorgt die tiefgezogene Hinterradverkleidung auch für Sicherheit. Dank ihr gerät keine Fracht zwischen die Speichen. Das ist praktisch bei Obst und Gemüse – und richtig wichtig bei Füßen von Kindern, die hinten mitfahren und die Beine baumeln lassen. Verlässlich zum Stehen gebracht wird das E-Cargo-Bike am Ende der Fahrt durch hydraulische Scheibenbremsen von MAGURA. Ebenso überzeugend ist der Ständer, auf dem sich das Lundi 20 durch sein Eigengewicht stabilisiert und mit zunehmender Beladung sogar umso stabiler steht.
Fahreigenschaften
Damit die Fahrt mit dem Moustache beginnen kann, schwingt ihr euer Bein erstmal über das tief gezogene Oberrohr. Das braucht keine Ballettausbildung, aber am Durchstieg verkratzt der Lack doch schnell. Gönnt euch hier ein Stück transparente Rahmenschutzfolie und gut is’. Einmal im Sattel stellt ihr die perfekte Sitzhöhe per Daumenhebel ganz einfach ein. Wenn der Hub der Sattelstütze nicht ausreicht, dann könnt ihr die gesamte Sattelstütze höher oder tiefer im Rahmen montieren. Zwischen 155 cm und 190 cm Körpergröße soll laut Moustache jeder bequem Platz auf dem Lundi finden. Und bequem trifft zu, denn die Sitzposition ist sehr aufrecht und entspannt komfortabel. Die Griffe am geschwungenen Schnurrbart-Lenker strecken sich euch angenehm entgegen. Runter vom Ständer und losrollen!
Der Motor: eine geschmeidige Sache
Der Cargo Line-Motor von Bosch schaltet sich angenehm unauffällig zu und nimmt uns sanft und berechenbar Arbeit ab, bis er sich an der 25-km/h-Grenze geschmeidig zurücknimmt. Anders als beim Performance Line CX von Bosch herrscht hier nicht Spritzigkeit, sondern souveräne Geschmeidigkeit vor, und zwar schon vom ersten Tritt weg. Das Lundi rollt auf seinen stabilen Ballonreifen auf Asphalt ausgesprochen gut und ruft regelrecht nach der Dual-Variante mit zweitem Akku, um ganze 1.000 Wh auf dem Cruise durch die Stadt zu verblasen. Die Kontaktpunkte am Lenker fühlen sich komfortabel an und der Enviolo-Drehhebel besitzt dieselbe Logik wie der Gashahn am Motorrad. Auch die Bedienung des Bosch-Remote ist simpel und eingängig. Etwas arg simpel ist im praktischen Einsatz das Intuvia-Display. Ihm fehlt es nicht nur an Navigationsfunktionen, sondern auch an weiteren smarten Features. Und da man am eckigen Lenkerprofil nur schwer ein Handy befestigen kann, fühlen wir uns auf dem Lundi 20 ein bisschen offline.
Das hilft allerdings, sich voll aufs Fahren zu konzentrieren, und das lohnt sich beim Moustache! Egal, wie gut ihr Fahrrad fahrt – das Lundi 20 wird euch Spaß machen! Gerade in Kurven treibt uns das Moustache ein Grinsen ins Gesicht, weil es wendig, agil und trotzdem nicht nervös ist. Und auch wenn ihr es mal krachen lasst, bescheren euch das extra verstärkte vordere Rahmendreieck und der gut gewählte Gabelvorlauf auch bei hohen Geschwindigkeiten einen ruhigen Flug.
Intuitives Handling dank relativ kurzem Radstand
Klasse ist auch, dass das Lundi 20, anders als so manches Lastenrad, sein gutmütiges Fahrverhalten auch bei schwerer Beladung fast unverändert beibehält. Selbst mit 70 kg aka Clément auf dem Rücksitz waren langsame Kurvenfahrten und steile Anstiege kein Problem. Trotz Long-Tail-Bauweise zieht das Hinterrad des Moustache nur wenig nach. Grund hierfür ist auch der vergleichsweise geringe Radstand von 1,85 m. Auf Lastenrädern mit deutlich längerer Bauweise durchquert ihr mit dem Hinterrad schon mal aus Versehen das Schlammloch, das ihr mit dem Vorderrad gerade noch großzügig umkurvt habt. Das kompakte Lundi 20 macht es euch leichter, die Spur des Hinterrades richtig einzuschätzen. Das ist auch gut so, denn auf holprigem Untergrund gerät das Moustache ohne Federung und mit schwach profilierten kleinen Reifen schnell aus der Komfortzone. Am Steuer profitiert ihr zwar dann noch von der gefederten Sattelstütze, doch bevor eure Passagiere, die scheppernden Transportkisten oder der Wocheneinkauf vom Bike holpern, greift ihr besser in die kraftvollen MAGURA-Bremsen und bringt das Lundi wieder in gediegene Geschwindigkeiten zurück. Für Ausritte ins Gelände ist das Moustache nicht geeignet.
Off-Bike Handhabung
Einige spannende Eigenschaften des Lundi 20 zeigen sich erst, wenn ihr es nicht fahrt, sondern davor steht: Dieses Lastenrad kann nämlich zum Beispiel stehen. Nicht nur auf dem bereits angesprochenen Bodenständer, sondern auch aufrecht! Dazu lupft ihr es auf das extra dafür vorgesehene Gestänge des Heckträgers und könnt es so auf der Fläche eines größeren Fußabstreifers in die Ecke stellen – und zwar ohne kippenden Lenker.
Der Wendekreis des Lundi ist praktisch und klein. Das kommt euch beim Schieben, Einparken oder Wenden in vollen Straßen zugute. Parkt ihr das Moustache im Freien, müsst ihr die extern liegenden Akkus mitnehmen, um sie vor Diebstahl zu schützen. Da sie leicht zugänglich sind, ist das jedoch ein überschaubarer Aufwand. Durch den umlaufenden Bügel ist das Beladen des Moustache ein Kinderspiel. Getränkekisten passen fast so gut aufs Lundi wie aufeinander. Überhaupt macht das MIK-System Anpassungen der Ladefläche für verschiedene Zwecke zu einer echten Freude. Es ist unglaublich, wie schnell man zwischen Kindershuttle, Einkaufswagen und Getränkelaster hin- und herwechseln kann! Auch das macht das Lundi 20 zu einem super E-Cargo-Bike für die ganze Familie.
Unser Fazit zum Moustache Lundi 20
Das Moustache Lundi 20 ist ein E-Cargo-Bike, dessen clevere Ideen und Anpackerqualitäten vor allem auf glattem Geläuf zur Geltung kommen – und das im charmanten Look eines fein gezwirbelten Schnurrbarts. Auf Asphalt überzeugt das Lastenrad mit abgeklärter Einfachheit, ausgereiften Transportlösungen und noch dazu mit tollen Fahreigenschaften selbst unter Last. Sobald es holprig wird, rümpft es die Nase. Doch das sei dem ansonsten sehr überzeugenden Schnauzbart zugestanden.
Tops
- tolles Handling auch unter Last
- sehr kleiner Wendekreis
- vielseitige Transportlösungen verfügbar
- optisch und technisch elegant einfach
Flops
- Sozius und Fracht sitzen holprig
- mangels Federung nur für Asphalt und feste Straßen geeignet
- smarte Features fehlen
Words: Moritz Geisreiter & Benjamin Topf Photos: Thibault Linossier / Moustache