Stabil und agil zugleich: Das HNF-NICOLAI CD2 Family Comfort Cargo-Trike mit Neigetechnik zielt auf den Sweetspot zwischen Sicherheit und Fahrdynamik. Für 8.500 € bekommt man drei Räder, Platz für vier Kinder, umfangreiche Transportmöglichkeiten bis 200 kg Zuladung, eine Menge Technik und brachiale Cargo-Optik. Wir hatten das 87 kg schwere Lastendreirad für euch im Test.

HNF-NICOLAI CD2 Family Comfort | 266 cm x 78 cm x 120 cm (LxBxH)
Bosch Performance Line CX Cargo-Motor/750 Wh | 87 kg | 8.490 € | Hersteller-Website

Die imposante Erscheinung des HNF-NICOLAI CD2 Cargo-Bikes zieht die Blicke auf sich und verleiht dem Lastenrad, made in Germany, eine unerschütterliche Anmutung. Der Rahmen des HNF-NICOLAI CD2 Cargo ist aus Aluminium und wird in Deutschland handgeschweißt. Doch hinter dieser martialisch wirkenden Fassade verbirgt sich feinste Technik, die dieses Rad zu einem der vielseitigsten Cargo-Bikes macht. HNF-NICOLAI hat versucht, das Beste aus zwei Welten im Cargo-Genre zu vereinen: das dreirädrige, aber starre Trike und den klassischen dynamischen Long-John mit nur zwei Rädern. Die expliziten Vor- und Nachteile der beiden Konzepte findet ihr in unserem ausführlichen Vergleichstest ums beste Cargo-Bike.

Das Team von HNF-NICOLAI hat einen Neigemechanismus in sein Lastenrad integriert, der dafür sorgt, dass ihr euch samt Transportbox und Ladung in die Kurve legen könnt. Dieser Mechanismus lässt sich über einen separaten Fußhebel sperren, damit das Bike im Stand nicht umfällt. So kombiniert das in Berlin entworfene Rad die Vorteile eines Trikes, das auch langsam gefahren werden kann, ohne dass man es ständig ausbalancieren muss, mit den Vorzügen eines Long-John, mit dem man problemlos schnelle Kurven nehmen kann – ohne Angst haben zu müssen, nach außen umzukippen. Die sperrbare Neigetechnologie bietet ein neuartiges Fahrerlebnis und verbindet die Vorteile aus zwei Welten, ohne die Nachteile hinzunehmen.

Die große Cargo-Box vorne schafft ein neuartiges Raumkonzept im Cargo-Bike-Segment. Mit genügend Platz für den Kindertransport, einem separaten Staufach davor und einem robusten Gepäckträger am Hinterrad überzeugt das CD2 Cargo-Bike durch vielseitige Beladungsmöglichkeiten. Mit einer Zuladung von fast 200 kg und einem zulässigen Gesamtgewicht von über einer Vierteltonne (280 kg) setzt es einen hohen Maßstab in Sachen Belastbarkeit. Zudem arbeitet HNF-NICOLAI schon an einer Zertifizierung für ein zulässiges Gesamtgewicht von 300 kg. Zum Vergleich: Ein Renault Twizy darf gut doppelt so viel wiegen, bietet jedoch nur zwei Insassen Platz.

Bis zu 193 kg darf man beim HNF-NICOLAI CD2 Cargo zuladen – dafür bietet nicht nur die umfangreiche Transportbox vorn Platz.

Für den kraftvollen Vortrieb am HNF-NICOLAI CD2 sorgt der Bosch Cargo Line-Motor, der mit beeindruckenden 400 % Tretunterstützung aufwartet – im Vergleich zu den 340 % des normalen Performance Line CX. Befeuert wird der Motor aus einem 750 Wh großen Akku. Außerdem bietet das CD2 eine Erweiterung auf bis zu 1.500 Wh Akkukapazität durch eine DualBattery, sobald Bosch die Voraussetzungen geschaffen hat – hardwareseitig ist schon alles vorbereitet. Die DualBattery-Freigabe soll Mitte 2024 erfolgen. Die Kraftübertragung durch den Riementrieb am CD2 Cargo-Bike ist sehr langlebig und braucht weniger Pflege und Wartung als ein Kettenantrieb.

Der Neigemechanismus schaut ganz schön komplex aus und sorgt – durch die Sperrfunktion – für zwei völlig unterschiedliche Fahrgefühle.

Große Box auf drei Rädern – Was macht das HNF-NICOLAI CD2 besonders?

Das Lastendreirad von HNF-NICOLAI mit zuschaltbarer Neigetechnik setzt vorn auf eine riesige EPP-Box, die theoretisch Platz für bis zu vier Kinder bietet. In der Realität könnte es jedoch eng werden. Trotzdem sind vier Dreipunktgurte für jeden der kleinen Mitfahrer vorhanden, ebenso wie Tritte auf beiden Seiten, die den Einstieg erleichtern sollen. Leider ist die eigentlich stoßabsorbierende EPP-Box innen von einem Metallrahmen auf Kopfhöhe der kleinen Passagiere umgeben – Kids daher unbedingt nur mit Helmen mitnehmen. Sollte man ganz oder auch halb auf den Kindertransport verzichten, kann die zweigeteilte Sitzbank leicht – via darunterliegender Rändelschraube – entnommen werden. Dann haben die Passagiere entweder reichlich Fußraum oder es wird eine Grundfläche von 60 x 55 cm frei: Massig Stauraum also, der anderweitig beladen werden kann. Ist die Feststellbremse angezogen und der Neigemechanismus gesperrt, lässt sich das HNF-NICOLAI super easy beladen. Es muss nicht wie ein Long-John zuerst umständlich auf einen Zweibein-Fahrradständer aufgebockt werden, sondern bleibt durch die Dreirad-Konstruktion stabil stehen.

Platz für vier Kinder mit je einem Dreipunktgurt zum Anschnallen steigert die Sicherheit. Die Alu-Rehling auf Kopfhöhe der Kleinen birgt hingegen Gefahren, wenn die Kids ohne Helm mitfahren.

Tuning-Tipp: Kids nur mit Helm mitnehmen

Vor der EPP-Box bietet das Lastenrad einen Kofferraum unter der „Motorhaube“, der von zwei Gasdruckfedern automatisch offen gehalten wird und per Schlüssel verriegelt werden kann – hier passen bis zu 85 Liter rein, solang sie durch die 45 x 40 cm große Öffnung gehen. Ein Handschuhfach direkt vor den Knien des Fahrers gibt es zusätzlich auch noch, das einen schnellen Zugriff auf wichtige Gegenstände wie Schlüssel, Trinkflasche oder Ähnliches ermöglicht. Über dem Hinterrad prangt zudem ein Gepäckträger mit einer Zuladung von bis zu 25 kg. So lässt sich die gesamte mögliche Zuladung von fast 200 kg großzügig von vorn bis hinten aufs Bike verteilen.

Gepäckverteilung – Kofferraum und …
… Handschuhfach erinnern fast an einen PKW, …
… der Gepäckträger holt euch zurück in die Fahrrad-Wirklichkeit.

In Bezug auf technische Gadgets verfügt das HNF-NICOLAI CD2 gleich über zwei, die es besonders von der Masse abheben und eine Erklärung brauchen: eine Handbremse und den Fußhebel zum Sperren der Neigemechanik. Rollt man in aufrechter Fahrposition auf eine Ampel oder sein Ziel zu und betätigt mit dem Fuß das silberne Pedal in der Rahmenmitte, kann sich das Lastenrad nicht mehr zur Seite neigen. So müsst ihr als Fahrer nicht mal mehr die Füße vom Pedal zum Boden nehmen, um das ganze Gewicht auszubalancieren. Stattdessen übernimmt die dreirädrige Konstruktion den Job – wie bei den meisten Trike-Lastenrädern. Das zweite technische Hilfsmittel, die Handbremse, lässt sich über einen kleinen Hebel am linken Bremsgriff aktivieren. Klappt man diesen nach vorn und zieht die Vorderradbremse an, rastet diese spürbar in mehreren Klicks ein. Nun werden die beiden Vorderräder zuverlässig und dauerhaft gebremst, bis man die Handbremse manuell wieder löst. Die Bremse wirkt beim Betätigen simultan auf beide Vorderräder rechts und links, die jeweils mit 180-mm-Bremsscheiben ausgestattet sind. Beide technischen Hilfsmittel gleichzeitig aktiviert, machen natürlich auch den, in diesem Fall, rudimentär wirkenden Fahrradständer überflüssig.

Hinter dem Cockpit des HNF-NICOLAI CD2 muss man sich erstmal zurechtfinden. Dann kann man sich die nützlichen Hilfsmittel aber gut zunutze machen.

Zum Absichern verfügt das Lastenrad über ein ABUS SHIELD XPlus 5755L-Rahmenschloss, das für kurze Besuche beim Bäcker ausreichend ist, durch eine Kette aber erweitert werden kann. So kann man den teuren Auto-Ersatz leicht an einen Laternenmasten anschließen und muss sich auch beim längeren Stadtbummel keine Sorgen machen.

Das Fußpedal sperrt den Neigemechanismus und ersetzt gemeinsam mit der …
… Feststellbremse ganz locker einen klassischen Fahrradständer – Dreirad sei Dank.

Der Antrieb erfolgt über einen Riemen, unterstützt vom leistungsstarken Bosch Cargo Line-Motor mit 85 Nm Drehmoment. Die Akkukapazität beträgt 750 Wh, kann aber zukünftig auf bis zu 1.500 Wh erweitert werden. Die Akkus sind von vorne unterhalb des großen „Kofferraums“ leicht entnehmbar und mit einem Schloss gesichert. Die Enviolo Heavy Duty-Nabenschaltung mit Drehgriff auf der rechten Seite sorgt für nicht spürbare Gangwechsel, wobei die Bedienung ohne Drehzahl etwas kraftaufwendig ist. Während des Rollens gehen die Gangwechsel dann mühelos von der Hand.

Der Riemenantrieb ist weitestgehend wartungsfrei und wirkt auf die stufenlose Enviolo Heavy Duty-Nabenschaltung.
Das Rahmenschloss ist immer an Bord und ausreichend für den kurzen Besuch beim Bäcker.
Der Bosch Cargo Line-Motor liefert 85 Nm Drehmoment.
Unter dem Kofferraum finden bis zu zwei 750-Wh-Akkus Platz. Ab Mitte 2024 soll die DualBattery-Option von Bosch freigeschaltet werden.
Geladen wird das Bike antriebsseitig knapp vor der Kurbel.

Braucht es noch den Kleintransporter oder tut es bereits der Auto-Ersatz – Das kann das HNF-NICOLAI CD2 Family Comfort wirklich

Das HNF-NICOLAI CD2 hat beinahe so viel Stauraum wie ein Kleinwagen. Aber fährt es sich auch so, als bräuchte man einen Führerschein Klasse B dafür? Eins vorweg: Das dreirädrige Lastenrad braucht ein bisschen Eingewöhnungszeit und am besten eine kleine Einweisung, um sich hinter dem umfangreichen Cockpit zurechtzufinden. Aber der Reihe nach.

Das Auffälligste am HNF-NICOLAI ist der Laderaum und die Aufteilung desselben. Durch die klare Abtrennung kommen sich Kinder und Gepäck nicht in die Quere. Die Kofferraum-Öffnung vorn ist 45 x 40 cm groß und fasst bis zu 85 Liter. So kann man auch nach dem Einkauf noch entspannt die Kinder einsammeln und niemand muss Einkaufstüten auf den Schoß nehmen. Egal ob Kinder, Hund oder Großeinkauf vorne drin – das Fahrgefühl ändert sich durchs Zusatzgewicht kaum. Der Schwerpunkt bleibt schön tief und das Bike gut zu handeln, lediglich der Kraftaufwand beim Rangieren oder im Stand – vor allem natürlich, wenn der Neigemechanismus offen ist – erhöht sich.

Das dreirädrige Lastenrad wandelt sich auf Tastendruck vom schwerfälligen LKW mit großem Wendekreis in einen agilen Sportwagen.

Zum Losfahren löst man durch Vorschieben des roten Hebels den Handbremshebel linker Hand.. So wird das Schwerlastdreirad rollbar. Gleichzeitig sollte man die Neigemechanik noch gesperrt lassen und erstmal ins Rollen kommen – denn Geschwindigkeit stabilisiert ja bekanntlich. Hat man rund 10 km/h erreicht, kann man per rechten Daumenhebel die Neigemechanik öffnen und das Fahrgefühl ändert sich drastisch. Vom schwerfälligen LKW mit großem Wendekreis wandelt sich das Bike in einen agilen Kleintransporter mit Sportfahrwerk wie auf dem Kleinstadt-Tuningtreffen. Jetzt kann man sich aktiv in Kurven legen und muss keine Angst mehr haben, umzukippen. Der Mechanismus erinnert an den des Butchers & Bicycles Mk1 im Test, ist aber intuitiver und natürlich sperrbar. So lassen sich Kurven schneller nehmen. Das annähernd drei Meter lange Cargo-Bike wird plötzlich lenkfreudig und lässt sich mühelos in Kurvenlage bringen.

Geht es bergauf, schiebt der Bosch Performance Line CX Cargo-Motor mit 400 % Tretunterstützung sehr kraftvoll an und bringt zusätzliche 85 Nm Drehmoment auf den Riemen. Die Kraft liegt auch bei niedrigen Kurbeldrehzahlen an, wodurch auch das Anfahren locker vom Fuß geht. Aufs Hinterrad gelangt die Kraft über die Enviolo Heavy Duty-Nabenschaltung – diese funktioniert stufenlos, ist aber an sehr steilen Hügeln am Ende ihres Lateins. Hier ist die leichteste Übersetzungsstufe noch zu schwer, um das mit Fahrer über hundert Kilo schwere Gespann entsprechend anzutreiben. Nur noch die Schiebehilfe bringt euch da samt Ladung den Berg rauf – wenn auch in Schrittgeschwindigkeit.

Um das Handling zu verstehen, braucht man keine lange Eingewöhnungszeit – es ist aufgrund der Neigetechnik aber auch diametral zu betrachten. Im „offenen“ oder „starren“ Zustand herrschen zwei vollkommen unterschiedliche Fahrgefühle und Lenkverhalten. Also auch zwei Situationen, auf die man sich mit dem HNF-NICOLAI einlassen und an die man sich gewöhnen muss. Pro: Man hat selbst in der Hand (bzw. im rechten Daumen), welches Szenario gerade herrscht. Und hat man einmal den Dreh raus, profitiert man von zwei Bikes in einem und kann sich die Sperre der Neigetechnik – je nach Situation – auch noch zunutze machen. Lediglich in stressigen Situationen darf man nicht mit den vielen Hebeln durcheinander kommen. Nicht, dass man aus Versehen die Feststellbremse zieht, den Neigemechanismus entsperrt oder zum Bremsen aufs Fußpedal tritt – Autofahrer-Instinkt sei Dank. Aber fährt man das HNF-NICOLAI erstmal wie ein gewöhnliches Fahrrad, kann man kaum mehr was falsch machen.

Für passive Sicherheit, vor allem in der Dämmerung, sorgen die zwei Supernova MINI 2-Lampen vorn. Auf jedem der beiden Vorderräder sitzt eine Lampe. Diese lenken mit und die Transportbox wirft keinen Schatten. Von hinten sorgt ein Busch + Müller-Rücklicht mit integriertem Bremslicht dafür, gesehen zu werden. Sollte es doch mal knapp werden und ihr müsst hart in die Bremsen, sorgen die drei TEKTRO Twin Plus Vierkolbenbremsen für eine ordentliche Verzögerung. Durch die drei Räder bleibt das Cargo-Bike auch während einer Vollbremsung stets auf Spur. Hier spielt die Dreirad-Konstruktion einen weiteren Vorteil zu zweirädrigen Long-Johns aus: Diese neigen durch das kleine und exponierte Vorderrad leicht zum Untersteuern und büßen an der Front ordentlich Grip ein. Zwei Räder vorn, wie beim HNF-NICOLAI, bedeuten dagegen doppelte Haftung und mehr Grip, vor allem auch beim Bremsen.

Für wen ist das HNF-NICOLAI CD2?

Das HNF-NICOLAI CD2-Elektro-Lastenrad ist etwas ganz Besonderes unter den Cargo-Bikes: kein klassisches Trike, aber auch kein Long-John. Mit der Neigemechanik hat das Bike zwei komplett unterschiedliche Charaktereigenschaften. Damit richtet sich das Cargo-Bike, made in Germany, aber alles andere als nur an Schizophrenie-Erkrankte. Durch die Komplexität spricht es eher erfahrene Cargo-Biker an, die neben Kindern auch noch Gepäck transportieren und gleichzeitig nichts an Fahrspaß einbüßen möchten. Denn durch die Neigemechanik kann das HNF-NICOLAI CD2 Family Comfort für ein Bike dieser Größe sehr dynamisch bewegt werden.

Das Fazit zum HNF-NICOLAI CD2

Das HNF-Nicolai CD2 Cargo-Bike verkörpert die Synthese aus feinem Maschinenbau-Handwerk, modernster Technologie und innovativem Design. Ein Fahrrad, das nicht nur faszinierend aussieht, sondern auch eine beeindruckende Vielseitigkeit unter Beweis stellt – durch den zuschaltbaren Neigemechanismus beansprucht es eine ganz besondere Nische in der Welt der Lastenräder. Mit 8.490 € kostet das HNF-NICOLAI nur ein Zehntel eines VW Multivan, bietet dafür aber fast genauso viele Sitzplätze und ordentlich Stauraum – Fahren mit grünem Gewissen inklusive.

Tops

  • super umfangreiches Transportkonzept
  • trotz Größe nach Eingewöhnung überraschend einfach zu fahren
  • fairer Preis in Anbetracht der Technikfeatures und Ladekapazität, die man mit dem HNF-Nicolai CD2 bekommt

Flops

  • komplexe Bedienung
  • hohe Komplexität birgt potenziell viele Fehlerquellen

Mehr Infos unter hnf-nicolai.com

Words: Julian Schwede Photos: Diverse