Apple-AirPods, Lacoste-Pullover und E-Bikes als Must-haves und Statussymbole einer neuen Jugend- und Popkultur? Wir haben die erste urbane E-Mountainbike-Gang durch die Straßen Stuttgarts begleitet und dabei viel über die Generation Z und die Zukunft der urbanen Mobilität gelernt.

„Früher war alles besser“ – diese Aussage hat sich über Generationen tapfer gehalten und bewahrheitet. Zumindest für diejenigen, die mit den beständigen Veränderungen der Welt, ihren neuen Herausforderungen, Möglichkeiten und Chancen nicht zurechtkommen und sich das alte Vertraute zurückwünschen. In den Diskussionen um die Generation Z, sprich Pi mal Daumen alle ab Jahrgang 2000, ist das aktuell wieder einmal der Fall – bei ratlosen Eltern genauso wie in den verzweifelten Personalabteilungen vieler Unternehmen. Dabei gibt es so viel von der neuen Generation zu lernen! Zum Beispiel in Stuttgart.

In der Welthauptstadt des Automobils, dem Geburtsort des Autos, der Heimat von Daimler und Porsche etabliert sich gerade eine neue Jugendkultur. Ihr Zentrum: E-Bikes, genauer gesagt E-Mountainbikes. Und zwar auf eine Art und Weise, die nicht nur unbeschwert und komfortabel, sondern schlichtweg pragmatisch ist.

E-SUVs als urbane Mobilitätslösung?

Rund 20 Jungs im Alter zwischen 16 und 20 bilden die vermutlich erste urbane E-Mountainbike-Gang. Die meisten von ihnen sind auf MERIDA eONE-SIXTY-E-Mountainbikes unterwegs. Das Interessante: Vor Entstehung der Clique ist kein einziger von ihnen Mountainbike oder leidenschaftlich Fahrrad gefahren. Sie alle kamen durch das faszinierende Fahrgefühl von E-Bikes und schlichten Pragmatismus auf den Geschmack. Das Überraschende: Nur ein Bruchteil von ihnen besitzt einen Führerschein. Bei den zehn Jungs, mit denen wir unterwegs waren, waren es gerade mal zwei mit Fahrerlaubnis.

Die Gründe dafür sind schnell erklärt: In der Stadt braucht keiner aus der Clique ein Auto. Bus, Bahn, U-Bahn, Autos – unsere E-Bikes ersetzen in der Stadt alles. In 10 Minuten bist du eigentlich überall in Stuttgart und kannst direkt parken – das schaffst du mit nichts anderem, erklärt uns Lorenz. Der 19-Jährige ist einer der Pioniere der Clique und fährt bereits seit drei Jahren E-Bike, pro Jahr stattliche 6.000 km! Mit dem E-Bike kommt er auf dem direkten Weg ans Ziel. Treppen runter, entgegen der Einbahnstraßen (natürlich für Fahrräder freigegeben) oder sogar Treppen hinauffahren? Kein Problem!

Bus, Bahn, U-Bahn, Autos – unsere E-Bikes ersetzen in der Stadt alles. In 10 Minuten bist du eigentlich überall in Stuttgart und kannst direkt parken – das schaffst du mit nichts anderem.

Skaten als urbane In-Sportart? Das Skateboard wurde schon längst abgelöst, E-Bike-Fahren ist in.
Fahrradstadt Stuttgart?…
… Mitnichten! Macht die Radwege breiter, wir kommen!

Im urbanen Bereich genutzte E-Mountainbikes bilden das zweirädrige Pendant zu den populären SUVs, nur eben viel praktischer, schneller, nachhaltiger, leiser, spaßiger und platzsparender. Für den Großeinkauf oder den Familientransport funktionieren sie nicht, dafür aber als Ersatz für den Großteil der urbanen Autofahrten, die meist eh nur von einer Person im Fahrzeug durchgeführt werden. Wäre jeder der zehn Jungs, mit denen wir unterwegs waren, mit dem Auto zur Pizzeria gekommen, hätte der Platzbedarf rund 120 qm Parkfläche betragen, mit den E-Bikes waren es faktisch 4 qm. Zeigt die Generation Z, wie urbane Mobilität in Zukunft geht, wie die Stau- und Platzprobleme der Innenstädte gelöst werden können?
Auch für Regentage hat die Gang eine pragmatische Lösung: Regenjacke und -hose an und ab geht’s! Oder zu Hause bleiben – dank sozialer Medien kann man sich problemlos digital connecten! Wozu sich stressen, wenn es draußen schüttet? FaceTime und WhatsApp erlauben eine mediale Standleitung und da fällt es nicht schwer, mal auf den physischen Kontakt zu verzichten. Auch sonst gilt die Devise: Wie wichtig und dringend ist es eigentlich, dass man sich jetzt sofort mit Leuten aus seinem Freundeskreis trifft oder etwas erledigt? Was kann warten? Was sind die Alternativen? Mehr Flexibilität und Offenheit helfen der Clique, die Dinge zur richtigen Zeit zu machen. Das funktioniert zwar nach eigenen Angaben nicht immer. Aber wenn diese Einstellung in 50 % der Fälle passt, dann ist schon viel Klima, Stadt und Welt gerettet!

Helme?
Bei der Stuttgarter E-Mountainbike-Gang bislang die Ausnahme.

„Junge! Warum machst du nicht mehr aus dir?“

Weniger Partys, weniger und späterer Sex, weniger Alkoholkonsum, weniger Grenz- und Tabu-Überschreitungen, weniger berufliche Ambitionen, weniger berufliche Selbstständigkeit, weniger wirtschaftlicher Überlebensinstinkt – es ist eine lange Liste an pauschalen Charaktereigenschaften, die der im materiellen wie informationellen Überfluss aufgewachsenen Generation Z zugeschrieben werden. Ältere Generationen werfen ihr gerne vor, orientierungslos zu sein. Und zu wenig erreichen zu wollen. Dabei will die neue Generation verdammt viel erreichen, besinnt sich auf gemeinschaftliche und soziale Werte statt Revolution durch Anti-Haltung und Alkoholexzesse. Die Ziele sind andere und lassen sich nicht in KPIs bzw. Leistungskennzahlen wie dem Bruttoinlandsprodukt, Gewinnmargen und Umsatzsteigerung greifen. Der Stern-Journalist Marc Goergen bringt es so auf den Punkt: „Die Optimierung des Lebenslaufs ist nicht mehr das alleinige Ziel, sondern auch: die Welt zu verbessern.“ Klaus Hurrelmann und Erik Albrecht kommen in ihrem Buch „Generation Greta“ auf ein ähnliches Ergebnis. Und Prof. Dr. Christian Scholz schreibt in einem Beitrag bei Human Resources Manager: „Trotz diverser Differenzierungen geht es den Vertretern der Generation Z vorrangig um Freizeit statt um Karriere und um Familie statt um Firmenwagen – auch wenn sie teilweise noch überhaupt keine eigene Familie haben. Diese neue Generation hat erkannt, dass die Träume der Älteren nur selten Realität werden.

Verständnisproblem? Wenn Generationen aufeinanderprallen

Warum sich die Mitglieder der Generation Z von den Zwängen der Leistungsgesellschaft abwenden wollen? Vermutlich weil sie bereits mit dem stressigen Lebensstil ihrer Eltern aufgewachsen sind. Von Kindesbeinen an haben Smartphone, Internet und soziale Netzwerke zu ihrem Alltag gehört, sie waren einem Überfluss an Informationen und Optionen ausgesetzt. Studien zufolge kann das zu Gefühlen der Ohnmacht oder zu Orientierungsverlust angesichts der Fülle an Entscheidungen führen. Denn der Umgang mit der heutigen Informationsdichte und Schnelligkeit, das Hinterfragen von Nachrichten – sprich die zeitgenössischen Kernkompetenzen – werden aktuell noch an kaum einer Schule gelehrt. Stattdessen muss in der Manier der vergangenen Jahrzehnte gepaukt werden: Frontalunterricht und Wiederkäuen auswendig gelernter Inhalte anstelle von Transferleistung oder dem Ansporn dazu, einen Sachverhalt selbst zu erfassen. Vor diesem Hintergrund ist es ein Wunder, dass die Generation doch nicht so verloren ist, wie man es ihr vorwirft. Schließlich wäre es absolut gerechtfertigt, wenn ihre Mitglieder Schwierigkeiten mit der Orientierung hätten, weil ihr Umfeld, ihre Schule und ihre Erziehung nicht mit den technologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Herausforderungen ihrer Welt harmonieren – denn die hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten krass geändert. Was die „Früher-war-alles-besser“-Sager ignorieren und dabei versäumen, ein Verständnis für die aktuellen Herausforderungen und die Zukunft zu entwickeln. Unserer Gesellschaft fehlen derzeit Visionen. Was hingegen im Überfluss da zu sein scheint, ist die Angst vor fundamentalen Änderungen, und die wird durch Corona nur noch katalysiert.


Unser aufrichtiges Beileid gilt den Angehörigen sowie allen Freundinnen und Freunden von Michael, dem Gründer des E-Radwerks in Stuttgart, der verstorben ist, kurz nachdem wir die Story produziert hatten. Michael und das E-Radwerk in Stuttgart waren Katalysator sowie Dreh- und Angelpunkt der E-Bike-Gang. Er wird sehr fehlen.


Trends und Gegentrends – gemeinsam Chillen im Boost-Modus!

Jeder Trend bedingt Gegentrends. Die Urbanisierung hat das Bedürfnis nach Naturerlebnis und Entschleunigung in den Städten befördert. Gleichzeitig sorgen der Leistungs- und Erwartungsdruck, die Schnelligkeit, Schnelllebigkeit und der fehlende Raum für bloßes Sein im durchgetakteten Schulalltag dafür, dass die Jugendlichen der Generation Z lieber abhängen: im vertrauten Freundeskreis, vor der Playstation oder seit Neuestem auf E-Bikes. Und mit Letzterem lösen sie ganz beiläufig die meisten urbanen Probleme!

Wer kein E-Bike hatte, konnte nicht mehr mit uns chillen. Es haben sich dann immer mehr Jungs ein eONE-SIXTY gekauft. Die jüngeren Geschwister, dann die Eltern – und so hat sich im Freundeskreis dann fast jeder ein E-Bike geholt.

Apple, Lacoste oder MERIDA? Der Fluch und Segen der angesagten Marken

Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. So auch in der Clique: Der Markendruck ist nicht zu übersehen – und scheint in einer komplett anderen Liga zu spielen als noch vor 10, 15 Jahren. Ist das ein typisches Merkmal der Generation Z, die über Social Media zur Selbstinszenierung erzogen wurde und von Likes abhängig geworden ist? Jedenfalls hat das seinen Preis: Ohne Geld, oder besser gesagt ohne das richtige E-Bike, hat man es schwer, zur Clique dazuzugehören. „Wer kein E-Bike hatte, konnte nicht mehr mit uns chillen. Es haben sich dann immer mehr Jungs ein eONE-SIXTY gekauft. Die jüngeren Geschwister, dann die Eltern – und so hat sich im Freundeskreis dann fast jeder ein E-Bike geholt.“ Das erzählt Lorenz über die Anfänge der E-Mountainbike-Gang, die man mittlerweile fast schon als MERIDA-Gang bezeichnen kann.

Auch wenn nur wenige aus der Gang mit den Bikes ins Gelände fahren, gibt es dennoch viel Techtalk in der Gruppe: Wie viel Power der neue Shimano-Motor habe, fragt mich einer. Ein anderer wirft direkt ein: „Vergiss es, darauf kommt es nicht an. Was bringt der stärkste Motor, wenn du die Power nicht auf die Straße bekommst oder einen zu kleinen Akku hast?“ Während über technische Details philosophiert wird, herrscht Einigkeit in einer Sache: Das neue MERIDA eONE-SIXTY mit Carbon-Rahmen und neuem Shimano EP8-Motor ist einfach sexy. Vier aus der Clique wollen es sich direkt kaufen (lassen?), sobald es verfügbar ist. Weitere hätten Bock, aber nicht das Geld – verständlich bei einem Preis von 6.000 € aufwärts!

„Ich will mir mit 18 auch ein MERIDA zulegen, mit Geld von Oma. Mit dem E-Hardtail kann ich nicht wirklich mit der Gang mitfahren, weil ich Umwege bei Treppen und so nehmen muss“, erklärt uns Matteo. Erst wollte er gar nicht fotografiert werden, ihm war es peinlich, „nur“ auf einem E-MTB-Hardtail unterwegs zu sein.

MERIDA neben Apple, Carhartt oder Lacoste – die Bike-Marke ist für die neue Generation genauso wichtig wie die Marke der Sneaker, der Uhr oder des Pullovers. E-Bikes sind schon lange nicht mehr nur etwas für Alte, sondern können als Statussymbol und Identifikationsgegenstand über alle Altersgruppen und Subkulturen hinweg fungieren.

Wenn Generationen einen gemeinsamen Nenner finden

Vor rund vier Jahren bekam der 20-jährige Stuttgarter Henri zum Geburtstag ein Haibike-Fully geschenkt. Freunde aus der Clique fuhren Probe, waren gehypt und kauften sich direkt ebenfalls E-Bikes. Mittlerweile fahren nicht nur die Teenies, sondern auch ihre Eltern E-MTBs. Natürlich auch MERIDA. „Meine Eltern fahren eigentlich nur noch mit dem E-Bike, egal ob zum Tennis oder in die Stadt. Meine Mutter ist jetzt sogar voll motiviert, ins Gelände zu gehen, und will lernen, Trails zu fahren“, erzählt Henri, der erste E-Bike-Fahrer der Clique. Ein paar Jungs aus der Clique fahren mittlerweile auch im Wald und auf Trails, wobei der Großteil nach wie vor ausschließlich urban unterwegs ist. Egal ob urban oder in der Natur, E-Bikes bieten das Potenzial, Menschen an ihr Ziel und zusammenzubringen.

Die Zukunft ist jetzt – und am besten gemeinsam

„Früher war alles besser“, das wird man auch noch in Zukunft über das Heute sagen. Nämlich immer dann, wenn eine ältere Generation aufhört, die jüngere verstehen zu wollen. Und genau das ist die gute Nachricht: Auch wenn die Generation Z einigen von uns ambitions- und ziellos erscheint, können wir viel von ihr lernen. Sie durchbricht unsere Denkmuster, bricht mit unseren Wertvorstellungen und zeigt auf, dass es so nicht weitergehen kann. Hamsterradjob oder Familie? Raubbau an der Natur oder Fridays for Future? Automobiles Verkehrschaos oder mobiler Verzicht? SUV-Auto oder SUV-E-Bike? Es gibt zahlreiche Herausforderungen, die wir nur gemeinsam lösen können und die vor allem drei Dinge benötigen: Verständnis, Empathie und Austausch.

Wir können nicht erwarten, dass Generationen, die unter vollkommen unterschiedlichen Bedingungen aufwachsen, die gleichen Denkmuster und Werte teilen. Das wäre auch ziemlich langweilig und würde nur zu Stillstand führen. Dass sich etwas ändern muss und wird, ist allen klar – die entscheidende Frage ist: Bauen wir generationenübergreifend eine gemeinsame Zukunft auf oder kochen alle ihr eigenes Süppchen, ohne ernsthaft zu versuchen, die anderen zu verstehen?

Früher wie heute gilt: Die Jugend findet immer ihre eigenen Lösungen und geht ihren eigenen Weg – egal ob das den Eltern und der Politik passt oder nicht. Wie schnell das die Gesellschaft verändert, hängt jedoch nicht nur an der Jugend, sondern auch an den Älteren und daran, ob wir bereit sind, uns zu öffnen und unseren Horizont zu erweitern. Denn Veränderungen kommen, egal ob wir wollen oder nicht – wie wir in unserer E-MOUNTAINBIKE-Evolutionstheorie in der Frühjahrsausgabe #021 beschrieben haben. Denn heute wie früher gilt: Die Welt von morgen ist das Resultat unseres Handelns von heute.

Words & Photos: Robin Schmitt