Es gibt Fahrräder und es gibt Bromptons. Dem Sog der britischen Kultmarke kann sich kaum jemand entziehen. Boris Johnson, Kate Moss, Radiohead und Phoebe Bridgers – sie alle hat man schon auf einem Brompton gesehen. Aber was verleiht dem winzigen Rad seinen beständigen Stil und die Fähigkeit, sich in Subkulturen zu verankern?

Fällt der Name Brompton, erscheint vor dem geistigen Auge ein Bild von urbaner Mobilität in ihrer hippsten und zugleich unprätentiösesten Form. Wie schwarze Taxis, Burberry-Mäntel und Regenschirme ist das Fahrrad, das sich im Handumdrehen zusammen- und auseinanderfalten lässt, Teil des Londoner Stadtbilds geworden. Auch in Metropolen wie New York, Jakarta und Singapur gliedert sich das Brompton als Erweiterung des Verkehrssystems ein. Ähnlich wie das Gravel- oder Mountainbike hat das Brompton im Grunde eine eigene gleichnamige Kategorie geschaffen und fast schon den Status eines Verbs erreicht: to Brompton [intransitiv] – ein Faltrad gleichen Namens besitzen und auf der Straße fahren, passiert typischerweise durch versierte Radbegeisterte, die die urbane Mobilität schätzen. Wenn das mal keine Ansage ist.

Die Geschichte hinter Andrew Ritchies genialem Faltraddesign wurde schon oft erzählt. Es ist die Geschichte eines unglaublich klugen Menschen in den 1970er-Jahren, der die großartige und bis heute viel beachtete Idee hatte, ein Fahrrad zu entwickeln, das in die Hosentasche passt. Pocket-Format also. Wenn man das erzählt, stößt man bis heute auf Unglauben. Ein Bike soll so klein sein, dass man es in weniger als 10 Sekunden kompakt zu einer portablen Form zusammenklappen kann? Und aufgeklappt soll es sich wie ein normales Fahrrad fahren? Wir können euch versichern: Das Brompton passt zwar in keine Hosentasche. Aber das mit den 10 Sekunden haut mit etwas Übung hin.

Wir betreten den Hauptsitz von Brompton in einem unscheinbaren Industriegebiet westlich des Londoner Stadtzentrums. Prompt wird uns dieselbe Geschichte erzählt – mit einem spannenden neuen Detail: Der jüngste Verkaufsanstieg und Vorstoß von Brompton in die Welt der E-Bikes weckt gleich unsere volle Aufmerksamkeit. Klar, dass es uns unter den Nägeln brennt, zu erfahren, wie eine Marke einen solchen Bekanntheitsgrad erreichen konnte. Und es geschafft hat, ihre Verkaufszahlen in weniger als 18 Monaten von 50.000 auf knapp 100.000 zu verdoppeln – und wie sie es gleichzeitig sicherstellt, dass jedes einzelne Fahrrad in London von Hand gefertigt wird. Außerdem stehen zwei weitere hochspannende Fragen im Raum: Wie fährt sich eine Elektroversion des kultigen 16-Zoll-Rads? Und lässt sich dieses super kompakte Fahrrad durch das zusätzliche Gewicht von Motor und Akku noch gut tragen?

Aber ganz so trocken, allein mit Fakten, lässt sich dieser Erfolg unserer Meinung nach nicht erklären. Da muss noch mehr dahinterstecken. Mit den hohen Decken der Halle, den sichtbaren Rohrleitungen und dem leisen Brummen fühlt es sich hier zwar an wie in jeder anderen Fabrik, die wir bisher besucht haben. Doch dazu gesellt sich noch etwas: Da ist ein Gefühl von Ruhe und Freundlichkeit, dem wir an solchen Orten selten begegnet sind, und in der Luft schwirrt eine Energie, die schwer zu beschreiben, aber irgendwie ansteckend ist. Wir erreichen das obere Stockwerk und queren einen hippen Bereich mit Lounge-Möbeln und Tischtennisplatten, bevor wir vor Davids Büro stehen. Er stimmt unserem Gefühl zu: „Ich liebe es, hier zu sein und diesen Schwung zu spüren. Es ist immer noch ein Nischenprodukt, aber wenn man hier steht, wird einem klar, was für ein großer Betrieb das ist.“

Die Londoner Manufaktur, die hochqualifizierte handwerkliche Skills mit hochentwickelter Technologie kombiniert, läuft vier Tage pro Woche und schaltet die Maschinen pünktlich um 16:00 Uhr ab. Wer die Produktionsbranche kennt, mag die kurzen Arbeitszeiten überraschend finden – Brompton aber sieht darin eine Möglichkeit, die Zufriedenheit des Teams hochzuhalten. Eine andere Möglichkeit, genau das zu tun? In die Teammitglieder und ihre Entwicklung zu investieren – den auffallenden Postern an den Wänden nach zu urteilen, hat genau das, die Personalentwicklung und -bindung, für Brompton hohe Priorität.

Dort, wo die Rahmen aus ihren Teilen gefertigt werden, bleibt David stehen: „Hier schlägt das Herz der Produktionslinie. Das hier ist das Rockstar-Element eines Brompton. Das Löten ist eine echte Kunstform, und alle werden speziell für diesen Schritt hier ausgebildet. Es ist verrückt, aber wir können am Endprodukt erkennen, welcher Hartlöter und welche Hartlöterin an welchem Rad gearbeitet hat.“ Fast so individuell wie eine Handschrift. Während er das sagt, klingt David fast wie ein stolzer Papa. Und verweist auch gleich noch auf eine weitere Besonderheit: Die 22 Lehrlinge im Rahmenbau – eine Mischung aus Leuten von örtlichen Hochschulen und internen Angestellten – werden derzeit von Rebecca angelernt, Bromptons erster weiblicher Hartlöterin und jetzt Chefausbilderin.

Die Kunst des Rahmenbaus – in dem Punkt unterscheidet sich Brompton seit Langem von anderen Herstellern. In vielerlei Hinsicht sind Brompton-Bikes optisch unverändert, seit die Produktion 1988 losging. Da sind nicht nur die gleichen Lötstellen, sondern auch der gleiche geniale Faltmechanismus, an dessen weiterer Verbesserung sich schon so einige Leute aus der Entwicklungsabteilung bei Brompton versucht haben – und letztlich gescheitert sind. Einige Änderungen gibt es aber doch: Das legendäre Fahrrad wurde so umgestaltet, dass es den heutigen Lebensgewohnheiten entspricht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Tragbarkeit und Fahrbarkeit in allen Städten der Welt. Der Fortschritt zeigt sich in immer besseren Teilen und immer leichteren Rahmenmaterialien: Die Highend-Modelle der P-Linie verfügen über einen Titan-Hinterbau sowie eine ganze Reihe gewichtsreduzierter Teile, die es zum bisher leichtesten, raffiniertesten und tragbarsten Brompton machen. Und zum Fortschrittsgedanke der Londoner Firma zählen auch ausgefallene Lackierungen, Kompatibilität und – nicht zuletzt – qualifiziertere Produktionsmethoden. „Genau das ist es“, erklärt David und deutet durch die Halle, in der alle wichtigen Produktionsschritte stattfinden. „Unsere Konstruktions- und Fertigungsteams haben in letzter Zeit entscheidend dazu beigetragen, dass wir hier und da 5 bis 6 Sekunden einsparen konnten, was zu 5 bis 6 zusätzlichen Fahrrädern pro Tag führt. Das Festziehen des Tretlagers dauerte früher 20 Sekunden, jetzt sind es nur noch eine Handvoll. Es hört sich vielleicht komisch an, aber es hat etwas zutiefst Faszinierendes, wie Brompton eine bereits hochentwickelte Produktionslinie verbessert hat – und dabei die Mitarbeitenden bei Laune hält.“

Aber ein Besuch bei Brompton ist nicht nur eine gelebte Lektion in Sachen Management und Produktion. Vielmehr taucht man tief ein in die Welt der Logistik. Dort, wo man in Echtzeit sieht, welchen Komplikationen und Herausforderungen man sich stellen muss, damit das richtige Teil zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle der Produktionslinie ist. Was traditionell von den meisten Fahrradmarken an ihre asiatischen Produktionsstätten ausgelagert wird, ist hier zu einem Qualitätsmerkmal geworden, das den Kultstatus von Brompton noch vergrößert: Alle Rahmen sind „Made in London“. Mit diesem Stempel britischer Ingenieurskunst reiht sich das Brompton-Faltrad in eine Linie ein mit Ikonen wie dem Mini oder sogar dem Land Rover.

Das alles ist Teil des großen Plans der Marke, zu dem auch die Wiedereinführung ihrer Kollektionslinien gehört: Um die Orientierung zu erleichtern, heißen sie jetzt A für erschwinglich, C für klassisch, P für leistungsstark – mit Elektro-Optionen. Zudem beinhaltet das neue Konzept die Eröffnung eines brandneuen Testzentrums, in dem derzeit eine Reihe von Elektromodellen einem Stresstest unterzogen wird. Ein komplexer Prozess, von dem wir uns zu unserer Schande vor allem gemerkt haben, dass das Fahrrad in einer Phase mechanisch wieder und wieder mit Schotter beworfen wird.

Ihr fragt euch jetzt, warum man einen Stresstest mit so vielen unterschiedlichen Phasen überhaupt braucht? Ging uns erst auch so, aber die Kombination aus Motor und Batterie übt natürlich eine zusätzliche Belastung auf das Brompton aus. Und das Bike muss schließlich immer noch leicht und flink genug sein, um durch die Stadt zu zirkeln und in der U-Bahn fast schon zum blinden Passagier zu werden. Klar, dass eine so traditionsreiche Marke wie Brompton da nicht einfach aus einer Laune heraus in eine neue Kategorie springt. Mit der Version 10 seines Custom-Motors hat das Team von Brompton nun auch eine praktische, intuitive App eingeführt und dafür gesorgt, dass die Schnittstellen zwischen Motor, Batterie und Bike noch zuverlässiger auf unebenen Untergründen arbeiten. Auch hier sind viele Details Aspekte, die man als Fachsimpelei abstempeln könnte, aber für Brompton-Fans sind sie wie Goldstaub.

Die Elektromodelle wiegen 17,4 kg, wobei der Akku an der Front komplett entnommen und in einer eigenen Tasche verstaut werden kann, die man sich über die Schulter hängen kann. Tasche und Akku kommen dann zusammen auf 2,9 kg. Ohne den Akku wiegt der Rahmen zwar noch immer etwas mehr als ein normales Brompton, aber dank der praktischen Rollenräder muss man es nur anheben, um Treppen hinauf- und hinunterzukommen. Selbst, wenn man es mal anheben oder ein kleines Stück tragen muss, fällt das Mehrgewicht kaum auf.

Der Motor läuft gleichmäßig und gibt dabei ein sehr leises Surren von sich. Er schaltet sich mit viel Feingefühl und – je nach Support-Modus – kaum spürbar ein und aus. Da es sich um einen Vorderradmotor handelt, aktivieren und deaktivieren Drehmomentmesser im Antriebsstrang den Motor je nachdem, wie ihr in die Pedale tretet. Dabei gibt es eine gewisse Verzögerung, weshalb man etwas früher aufhören muss zu treten als bei einem motorisierten Bike mit Tretlager. Aber abgesehen davon können wir an der Fahrt nichts aussetzen. Und die Tasche über der Schulter, wenn wir wieder die Treppe zum Büro hinaufsteigen? Okay, man fühlt sich ein klein wenig nerdig, aber unser 1,90-Meter-Testfahrer hat auf dem Brompton ohnehin ein interessantes Bild abgegeben. Da fällt das kaum ins Gewicht. Und ist diese leichte Nerdigkeit nicht auch ein Teil des Charmes? Wir würden sagen: ja.

Wer bei Brompton arbeitet, feiert diesen Charme auf jeden Fall – zusammen mit der Tatsache, dass man das Rad einfach wirklich überall mit hinnehmen kann. „Es klingt kitschig“, sagt David mit einem Lachen, „aber man hört immer wieder, dass ein Brompton das Leben verändert, und ich kann dem nur zustimmen.“ Dass das „Bike mitnehmen“ bare Münze ist, erfahren wir dann auch gleich von David. „Wenn man in einer Stadt wie London lebt, kann man sich nie sicher sein, dass das Fahrrad nicht gestohlen wird, egal wie viele Schlösser man benutzt.“ Er grinst verschmitzt: „Letzte Woche habe ich es sogar mit ins Kino genommen. Und Ross, unser Kreativdirektor, liefert uns immer so viele Storys, wie er sein Fahrrad bei Konzerten und in Clubs in die Garderobe stellt.“ Im Laufe des Tages hören wir noch viele coole persönliche Brompton-Geschichten – man könnte eigentlich einen Sammelband veröffentlichen. Und wenn es ein solches Buch gäbe, würden wir am liebsten die Tourbus-Episoden von Brompton-Bikes lesen, die mit Radiohead, LCD Soundsystem, Phoebe Bridgers und den Foo Fighters unterwegs waren.

Früher war es seltsam, über Fahrräder und Bands in einem Atemzug zu sprechen, aber Brompton hat diese außergewöhnliche Fähigkeit, Subkulturen anzuzapfen, die auf den ersten Blick überhaupt nicht zu Klapprädern passen wollen. Aber je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr Sinn ergibt es. Skateboarding, Popkultur, Mode, Luxusgüter, die Olympischen Spiele in Tokio – die Liste der Brompton-Szenetauchgänge ist lang. Seit 2006 veranstaltet die Marke auch die Brompton World Championships, das wohl stilvollste und fotogenste Bike-Event der Welt. Nach einem Start im Le-Mans-Stil mit den Rädern im noch gefalteten Zustand wird es zu einem regelrechten Radrennen, das zeigt, dass auch in den kleinen Brompton-Bikes Leistung steckt.

Obwohl das Brompton traditionell als ultimatives Rad zum Pendeln gilt, wird es auch immer mehr für die Freizeit genutzt. Die Einführung des elektrischen Modells, die kontinuierliche Verbesserung der 6-Gang-Modelle und die Investition in Brompton-spezifische Fahrradtaschen durch ausgewählte Partnerschaften, z. B. mit Freitag, waren dann nur logische Schritte. In ganz Großbritannien gibt es 50 Brompton-Verleihstationen, die rund um die Uhr den Zugang zu Fahrrädern ermöglichen, und es besteht sogar eine Partnerschaft mit der Autovermietung Enterprise. Die Idee, ein flottes, leichtes Brompton für Wochenendausflüge im Kofferraum eines Mietwagens zu verstauen, gefällt uns bei DOWNTOWN natürlich besonders gut …

Jede Stadt und jedes Land hat eine einzigartige Fahrradlandschaft: ein eigenes Verkehrssystem mit weitläufigen oder unzureichenden Netzen, große Hügel oder kurvenreiche Straßen, gut ausgebaute Radwege oder waghalsige siebenspurige Autobahnen. Aber egal, in welcher Stadt, es gibt wahrscheinlich ein Brompton für jeden Zweck. Und mit der Erweiterung der C Line Electric ist es vielleicht an der Zeit, ihren Platz in unserem Lebensstil zu überdenken.

Wir finden, dass das Brompton ein großartiges Fahrrad ist. Aber diese Einschätzung – die vom Rest der Branche geteilt zu werden scheint – stimmt wohl nicht mit der von Bronton überein: „Oh“, hören wir auf unserem Rundgang immer wieder, „es gibt definitiv noch Raum für Verbesserungen. Wir sind noch lange nicht am Ziel.“ Die Marke ist offensichtlich ihr eigener härtester Kritiker. Und das macht uns neugierig auf das, was Brompton in Zukunft noch hervorbringt.

Ihr habt Interesse an einem der Brompton-Klassiker aus Titan? Dann solltet ihr euch unbedingt unseren Artikel zum Brompton T-Line durchlesen! Falls euch das noch nicht reicht, klickt euch einfach durch die Hersteller-Website.

Words: Phil Gale Photos: Emmie Collinge