Von wegen nur Berge, Käse und Schokolade: Dass die Schweiz viel mehr zu bieten hat, zeigt die Manufaktur von Thömus. Hier werden seit über 30 Jahren Bikes gefertigt, ganz individuell auf die Kundenwünsche abgestimmt. Wir haben das Thömus Longrider E2 unter die Lupe genommen, ein sportliches E-Bike für die City, das dem Schweizer Premium-Anspruch durchaus gerecht wird!

Thömus Longrider E2 | 23,18 kg | 7.000 CHF | Hersteller-Website

Schöne Aussichten: Das Thömus Longrider E2 macht was her! Grund dafür ist neben einer hochwertigen Ausstattung auch das gelungene Design des Longrider E2. Der Carbon-Rahmen überzeugt mit einer klaren Linienführung, bei der das Oberrohr bis zu den Sitzstreben durchgeht, und auch die Front ist auf die ebenfalls aus Carbon gefertigte Starrgabel abgestimmt. Der Shimano EP8-Mittelmotor wird mit einer passend lackierten Blende verkleidet, der Akku mit satten 726 Wh Kapazität ist sauber im Unterrohr integriert. Zwar funktioniert der Mechanismus zum Entnehmen des Akkus okay, er könnte für eine noch leichtere Handhabung aber etwas präziser sein.

Die klare Linienführung und der schön integrierter Motor sorgen für ein gelungenes Design.

Am Cockpit werden alle Kabel und Leitungen in den Vorbau geführt, was zusätzlich zum aufgeräumten Look beiträgt. Dazu gehört auch das unauffällige Shimano STEPS SC-E8000-Display des E-Antriebs, das sich am Lenker perfekt zu den Schaltungs-Komponenten eingliedert. In Kauf nehmen muss man jedoch, dass dieses recht kleine Farbdisplay nur Basisinformationen zur Fahrt anzeigt, Features wie eine Navigation sind nicht verfügbar. Hier bieten andere Systeme inzwischen deutlich mehr für Tech-Freaks.

Das Cockpit mit hellem Supernova M99-Scheinwerfer, alle Kabel und Leitungen verschwinden hier direkt im Vorbau.
Shimanos XT-Gruppe überzeugt mit großer Bandbreite.
Große 203-mm-Bremsscheiben verringern bei langen Abfahrten die Überhitzungsgefahr.

Die Schaltung selbst stammt aus Shimanos XT-Gruppe und bietet 12 Gänge. Sie kommt aus dem MTB-Bereich und bietet dank der riesigen 51er-Kassette eine hohe Bandbreite – damit seid ihr von der schnellen Fahrt in der Ebene bis zum steilsten Pass-Anstieg bestens gerüstet! Für die Abfahrt könnt ihr dann Shimanos ICE-TECH-Bremsscheiben vom Format 203 mm vorne und 180 mm hinten vertrauen, die eine gute Standfestigkeit besitzen.

Wir konnten das Thömus Longrider E2 übrigens auch in einer weiteren Ausstattungsvariante mit Nabenschaltung und Zahnriemen testen. Aufgrund der weitgehenden Wartungsfreiheit eigentlich eine interessante Option für Pendler, von der wir in diesem Fall aber trotzdem abraten würden. Denn durch den langen Nachlauf des Motors verzögern sich die Schaltvorgang störend lange. Hier präferieren wir die flinke Kettenschaltung, die im Vergleich auch eine deutlich größere Bandbreite bietet und für bergige Topografien bzw. steile Straßen, wie man sie in San Francisco oder Stuttgart findet, besser geeignet ist!

Thömus Longrider E2: Vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser dank Konfigurator

Eine hohe Alltagstauglichkeit erreicht der Longrider E2 durch die hochwertige Lichtanlage, Gepäckträger, Seitenständer und stabile Alu-Schutzbleche. Der Supernova M99-Scheinwerfer an der Front gefällt mit einer zusätzlichen Fernlichtfunktion, die über einen eigenen (und beleuchteten) Taster am Lenker gesteuert wird. Leider ist die grundsätzliche Aktivierung der Lichtanlage nur über das Display-Menü mit mehreren Klicks möglich und damit etwas umständlich gelöst. Andere Systemanbieter wie Bosch bieten einen Lichtschalter direkt an der Remote. Das Rücklicht ist am Gepäckträger montiert und stammt ebenso von Supernova. Beides solide und funktionale Komponenten, die aber mit keinen modernen Features, wie eine Bremslichtfunktion oder eine Vorbereitung für Befestigungssysteme, aufwarten. Zudem könnte der Seitenständer ein wenig stabiler sein. Bei den Details wären hier noch Pluspunkte zu holen gewesen.

Das kompakte Display des E-Antriebs ist unauffällig, allerdings auch mit wenig Funktionen.
Eher praktisch als hübsch ist die weit oben montierte Ladebuchse mit solidem Klappverschluss.
Der Gepäckträger mit Supernova-Rücklicht – solide Komponenten, aber ohne dem gewissen Etwas.

Dass der hier getestete Diamantrahmen von Thömus geschlechtsspezifisch als „Men“ bezeichnet wird, scheint etwas aus der Zeit gefallen. Die Option für einen Tiefeinsteiger-Rahmen hingegen kann man voll befürworten – passend mit der neutralen Bezeichnung „Comfort“. Besonders hervorzuheben sind die weiteren Möglichkeiten zur individuellen Konfiguration der Bikes, denn hier lässt sich fast alles anpassen! Angefangen vom Motortyp – neben dem EP8- gibt es auch den STEPS 6100-Motor – über die Schaltung und Laufräder bis zur Bereifung. Starrgabel oder Federgabel? Und welcher Lenker? Davon gibt es aktuell ganze 14 Modelle zur Auswahl! In der Zusammenstellung der Komponenten je nach persönlichen Wünschen zeigen sich die Vorteile einer kleinen Manufaktur wie von Thömus ganz deutlich.

Die lackierte Verkleidung sorgt für eine unauffällige Integration des Shimano EP8-Motors.

Unser Test: So fährt sich der Thömus Longrider E2

Der Name Longrider verrät es schon: Mit einem Radstand von 1.140 mm (gemessen in der Größe M) ist dieser für ein City-Bike tatsächlich recht lang, was zusammen mit den großen 29-Zoll-Rädern für eine hohe Laufruhe sorgt. Im engen Stadtverkehr schlängelt man sich damit also gar nicht so wieselflink durch. Und zwischen Passanten auf dem Fußgängerweg verbietet sich das ohnehin, aber das wisst ihr ja sicherlich selbst 😉

Dank des abfallenden Oberrohrs steht es sich auch beim Ampelstopp komfortabel.

Dass sich das Longrider E2 dennoch durchaus agil anfühlt, hat mehrere Gründe: Zum einen natürlich der kräftige Shimano EP8-Motor, der drei individuell anpassbare Modi und eine solide Performance bietet. Unser Favorit in der Standardeinstellung ist der progressive Trail-Modus in der Mitte, der die Motorpower abhängig von der Trittkraft am Pedal reguliert – dieser Modus fühlt sich am direktesten an. Auch der steife Rahmen trägt seinen Teil zur Agilität des Bikes bei: Trotz des relativ hohen Gewichts von 22,6 kg macht es Spaß, aus dem Stand einen schnellen Ampelsprint hinzulegen! Kein einziges Newton Kraft im Bike verpufft und man erreicht schnell die 25-km/h-Grenze, an der sich der Motor sanft abschaltet. Letztlich lässt es sich auch dank der am Testrad montierten Schwalbe Supermoto-Bereifung schnell fahren, da deren Rollwiderstand dank flachem Profil gering ist. Wer öfters mal eine Tour abseits des Asphalt-Highways plant, findet aber auch gröbere Reifen im Konfigurator.

Das Longrider E2 ist zwar kein Kurver-Künstler, aber trotzdem angenehm agil.

Die Sitzposition auf dem Longrider E2 ist bei 1,85 m Körpergröße und Rahmengröße M eher sportlich gestreckt, alternativ gibt es den Rahmen auch in den Größen S und L. Den Tiefeinsteiger-Rahmen Comfort gibt es nur in einer Einheitsgröße. Wer die Möglichkeit zur Probefahrt hat, sollte dies unbedingt nutzen – zumal sich auch noch feinere Anpassungen durch verschiedene Vorbauten und Lenker aus dem Konfigurator erreichen lassen. Unser Tipp: Ein Besuch auf dem Bauernhof in Oberried, dem Firmensitz mit Shop und Testcenter von Thömus lohnt sich! Wer Glück hat, trifft hier den Chef sogar persönlich, kann mit ihm eine Runde plaudern und sich beraten lassen!

Trotz seiner Starrgabel kommt der Komfort beim Longrider E2 nicht zu kurz. Dank der Carbon-Ausführung werden kleine Vibrationen gut abgedämpft, weitere Unterstützung leistet die gefederte Cane Creek Thudbuster-Sattelstütze. Leichte Unebenheiten wie Kopfsteinpflaster lassen sich damit deutlich angenehmer überrollen, Bordsteinkanten oder Schlaglöcher können damit allerdings nicht neutralisiert werden. Optional bietet Thömus auch eine Federgabel für den Longrider E2 an, was dem Komfort und der Fahrsicherheit deutlich zugutekommen würde, aber die cleane Optik des schicken City-Bikes hart gesagt zerstört! Das Longrider E2 ist nun mal ein Sportler für die City!

Unser Fazit zum Thömus Longrider E2

Wer auch beim Fahrrad ein Faible für das Besondere hat, dabei einen sportlichen Begleiter sucht, wird hier fündig: Das Longrider E2 von Thömus entpuppt sich im Test als vielseitiges Bike für befestigte Strecken mit hochwertigen Komponenten und tollem Design. Zudem lässt sich das Bike sehr umfangreich nach den persönlichen Wünschen konfigurieren, was sich aber auch im Preis niederschlägt: Diese beginnen zwar bei 3.790 CHF, mit einer Konfiguration ähnlich unserem Testrad landet man jedoch schnell bei einem Betrag um die 7.000 CHF. Aber hey, auch hier merkt man eben die Schweizer Herkunft an!

Tops

  • umfangreiche Möglichkeiten zur Individualisierung
  • kraftvoller Motor und große Akkukapazität
  • gelungenes Design

Flops

  • Rücklicht und Gepäckträger eher Standard als Premium
  • umständliche Bedienung der Lichtanlage
  • geringer Komfort und Reserven in kritischen Situationen wie Schlaglöchern, Kopfsteinpflaster, Bordsteinkanten

Tuning-Tipp: Große 203 mm-Bremsscheiben auch hinten

Words: Oliver Gibler Photos: Benjamin Topf