Mit S-Pedelecs befasst man sich bei Stromer schon lange, doch mit dem ST3 schalten die Schweizer einen Gang höher: Das erstmals verbaute Tretlagergetriebe von Pinion in Kombination mit einem Zahnriemen soll für eine aufgeräumte Optik sowie ein dynamisches und wartungsfreies Fahrerlebnis sorgen – was mal mehr, mal weniger gut gelingt.

Stromer ST3 | 33,02 kg | 8.158,00 € | Hersteller-Website

Energieträger – Das Stromer ST3 punktet mit riesigem Akku

Schon auf den ersten Blick sieht das Stromer ST3 Pinion keinesfalls wie ein gewöhnliches E-Bike aus: Hier wirkt alles etwas voluminöser, massiver und stärker. Der SYNO Drive II-Heckmotor zum Beispiel ist geradezu riesig im Vergleich zu den kompakten Nabenmotoren in regulären Pedelecs. Zwar ist das Drehmoment des Motors mit 44 Nm überschaubar, dafür bietet er aber die Möglichkeit zur Rekuperation (ähnlich einer Motorbremse, bei der Energie zurückgewonnen wird) und klotzt bei der Leistung mit starken 820 Watt. Entsprechend stark ist auch der herausnehmbare Akku mit seiner Kapazität von 983 Wh dimensioniert, dessen große Abmessungen die Form des Unterrohrs maßgeblich bestimmen.

Die übrigen Rahmenrohre sind passend dazu ebenso voluminös geformt, was aber zusammen mit der fetten Bereifung von 2,35″-Breite zu einem durchaus stimmigen Gesamtbild führt: Das ST3 wirkt keineswegs wie ein träges Dickschiff, vielmehr wie ein sportlicher Hybrid aus Motorrad und Fahrrad, gepaart mit einer Prise Futurismus. Sichtbar wird dies insbesondere am hohen Integrationsgrad: Das vordere Positionslicht im Rahmen, innen verlaufende Leitungen und ein bündig integriertes Display im Oberrohr verdeutlichen, dass Stromer hier ein möglichst modernes Bike mit einem aufgeräumten Design schaffen wollte.

Das „Gehirn” des ST3: Mit dem OMNI C-Display im Oberrohr lassen sich zahlreiche Funktionen steuern, zudem bietet es eine App-Konnektivität zum Smartphone.
Zum futuristischen Look des Bikes trägt neben dem OMNI C-Display auch das Positionslicht an der Front bei.
Das Cockpit des ST3 überzeugt mit intuitiver Bedienung von elektrischem Antrieb (links) und Schaltung (rechts). Ein Blick aufs Display ist daher während der Fahrt nur selten nötig.
Trotz voluminöser Rahmenrohre gefällt das Stromer ST3 Pinion mit einem stimmigen und sportlichen Look.

Dieses Bestreben zeigt sich auch beim Antrieb: Pinions Tretlagergetriebe aus der C-Line mit neun Gängen wird hier mit dem GATES Carbon Drive-Zahnriemen kombiniert, was nicht nur einen sauberen Look, sondern auch einen sauberen Betrieb ermöglicht – schließlich muss der Zahnriemen weder gefettet noch geölt werden.

Licht und Schatten liegen hier nah beieinander: Das Getriebe von Pinion gefällt mit seiner großen Bandbreite, der Seitenständer ist mit dem hohen Gewicht des Bikes hingegen überfordert.
Ein weitgehend wartungsfreies Team: das Tretlagergetriebe von Pinion in Kombination mit dem Zahnriemen von GATES.
Im Vergleich zu anderen Nabenmotoren ist der SYNO Drive II im Stromer geradezu riesig, bietet dafür aber auch die Möglichkeit der Energierückgewinnung durch Rekuperation.

Dass ein solcher Antrieb zudem kaum Wartung benötigt, dürfte insbesondere Pendler ebenso erfreuen wie die komplette Ausstattung mit obligatorischer Lichtanlage samt Fernlicht, Schutzblechen, Gepäckträger und Seitenständer. Während alle anderen Komponenten einen sehr hochwertigen und robusten Eindruck hinterlassen, wirkt der Seitenständer allerdings wenig verlässlich, um das hohe Gewicht des Bikes stabil zu halten. Denn das ST3 bringt satte 33,02 kg auf die Waage, was sich auch an anderer Stelle bemerkbar macht: Das Bike mal eben die Kellertreppe hoch- und runtertragen, ist damit fast schon ausgeschlossen!

Von 0 auf 45 und zurück – Wir haben das Stromer ST3 Pinion ausgefahren

Der Eindruck eines schwergewichtigen Bikes ist auf den ersten Metern mit dem ST3 hingegen schnell verflogen: Geradezu vehement schiebt der Motor das Bike auf der Gerade an und man erreicht fast schon mühelos die Grenze von 45 km/h, bei der die Motorunterstützung laut Gesetzgeber enden muss. Dabei klingt sich der Motor zwar sanft aus, allerdings hat man seine Mühe, oberhalb dieser Grenze das Tempo nur mit eigener Trittkraft zu halten – hier bremst einen der Luftwiderstand zu stark ein.

Große 203-mm-Bremsscheiben auch hinten, die dank der Motor-Rekuperation aber nur bei abrupten Bremsmanövern gefordert werden.
Das Nummernschild ist Pflicht: Wie bei S-Pedelecs üblich, ist auch beim Stromer ST3 ein solches notwendig.

Beeindruckend ist dabei die leise Arbeitsweise des Antriebs, was nicht nur durch den Nabenmotor im Heck, sondern auch durch den Zahnriemen und das Pinion-Getriebe erreicht wird. Letzteres lässt sich mit dem Drehgriff am Lenker mühelos schalten und bietet mit einer Bandbreite von 568 % eigentlich auch gute Voraussetzungen zur Bezwingung von steilen Anstiegen.

Auf unserer Testfahrt machte das ST3 bei Anstiegen von über 10 % Steigung aber trotzdem schlapp, was allerdings auf den Nabenmotor im Hinterrad zurückzuführen ist. Dessen Unterstützung setzte bei niedriger Kadenz zum Teil sogar komplett aus, womit es selbst im kleinsten Gang unmöglich war, den Berg zu bezwingen – hier machte sich das hohe Gewicht des ST3 zusätzlich bemerkbar. Immerhin: In Rücksprache mit Stromer wurde uns inzwischen bestätigt, dass das Problem behoben werden könne. Ob dabei dann auch gleich das Ansprechverhalten des Motors einem Update unterzogen wird, wissen wir hingegen nicht. Doch im Vergleich mit aktuellen Mittelmotoren fühlt sich der Motor des ST3 etwas träge an, setzt mit leichter Verzögerung ein und hat einen spürbaren Nachlauf. Und auch das Pinion-Getriebe war nicht ganz ohne Tadel, da es hin und wieder die Schaltvorgänge mit einem deutlich wahrnehmbaren Krachen begleitet hat.

Für Ausdauer sorgt der herausnehmbare Akku im ST3, der satte 983 Wh Kapazität bietet .
Über die Ladebuchse lässt sich der Akku natürlich auch komfortabel direkt im Bike laden.

Zu den positiven Eigenschaften des Antriebs zählt hingegen die Möglichkeit der Rekuperation. Diese lässt sich individuell anpassen und fungiert dann als Motorbremse, bei deren Einsatz Strom erzeugt wird. Zwar ist dieser Reichweitengewinn angesichts des riesigen Akkus eher zweitrangig, doch lernt man die bremsende Funktion des Motors bei vorausschauendem Fahren schnell zu schätzen – zumal dadurch auch die eigentliche Bremsanlage geschont wird. Diese stammt von TRP und bietet dank großer 203-mm-Scheiben an Vorder- und Hinterrad ausreichend Power, wenn man doch mal abrupt zum Stillstand kommen muss.

GPS, Alarmanlage und App – Smarte Features im Stromer OMNI C-Display

Die Bedienung des Motors erfolgt über das große OMNI C-Display, das nicht nur aktuelle Fahrtinfos darstellt, sondern auch smarte Funktionen wie Alarmanlage und GPS-Ortung bietet. Auch lassen sich die drei Unterstützungsstufen des Motors anpassen, ebenso wie die Stärke der Rekuperation. Zu guter Letzt bietet das Display dann auch noch die Möglichkeit zur Verbindung von Stromers OMNI-App für Smartphones, auf der sich der Standort des Bikes einsehen lässt.

Zwar ist man durch die Position des Displays am Oberrohr gezwungen, den Blick kurz von der Straße abzuwenden – was insbesondere bei den hohen Geschwindigkeiten eines S-Pedelecs durchaus ein relevanter Punkt ist. Dank eines kompakten Tasters am Lenker lässt sich aber der Antrieb ebenso intuitiv bedienen wie das Pinion-Getriebe mit seinem Drehgriff. Ein Blick auf das Display ist während der Fahrt somit kaum nötig.

Dass Stromer beim ST3 die Zielgruppe der urbanen Pendler im Auge hat, zeigt sich auch beim Fahrkomfort: Durch den Verzicht auf jegliche aktive Federungselemente bleiben einzig die Reifen, um Unebenheiten der Fahrbahn zu dämpfen. Bis zu einem gewissen Grad gelingt dies den Pirelli cycle-e ST zwar ganz gut, bei richtig schlechten Straßen mit vielen Schlaglöchern kommen die Reifen aber an ihre Grenzen. Insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten werden Stöße dann weitgehend unvermindert weitergeleitet, was direkt in die Rückenmuskulatur geht. Kein Wunder also, dass Stromer auch eine aufpreispflichtige Option für eine gefederte Sattelstütze und eine Federgabel anbietet. Auch wenn das cleane Design des Bikes darunter etwas leidet, empfehlen wir diese Option für komfortorientierte Fahrerinnen und Fahrer unbedingt!

Für den Fahrkomfort sind einzig die 2,35” breiten Pirelli-Reifen zuständig – auf wirklich schlechten Straßen wünscht man sich daher noch eine zusätzliche Federung.

Unser Fazit zum Stromer ST3 Pinion

Mit seinem gelungenen Design ist das ST3 Pinion von Stromer definitiv ein Hingucker unter den S-Pedelecs, der durch den riesigen Akku echte Langstrecken-Qualitäten bietet. Die Defizite des Motors bergauf kann Stromer hoffentlich bald beseitigen, bergab überzeugt der Antrieb mit seiner Energierückgewinnung schon jetzt. Gleiches gilt für das OMNI C-Display, das mit smarten Features punktet. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal von Stromer, das den futuristischen Look des Bikes unterstreicht.

Tops

  • futuristisches Design
  • wartungsarmer Antrieb mit Rekuperation
  • smarte Tech-Features

Flops

  • Motoraussetzer an steilen Steigungen
  • geringer Komfort bei schlechten Straßenverhältnissen
  • hohes Gesamtgewicht

Für wen ist das Bike und für wen nicht?

  • Design steht bei euch ganz oben auf der Liste? Dann ist das ST3 euer Ding!
  • Pendelnde werden den wartungsarmen Antrieb zu schätzen wissen
  • hohen Komfort findet hier nur, wer die optionale Federung wählt
  • ständig steile Anstiege bewältigt ihr mit einem anderen Motorkonzept besser

Tuning-Tipp: Federung an Sattelstütze und Gabel

Words: Oliver Gibler Photos: Peter Walker