Harley-Davidson genießt weltweiten Kultstatus. Die wuchtigen Motorräder sind für viele die Verkörperung von Freiheit und des American Dreams, auch außerhalb der USA. Wie passt ein E-Bike in dieses Bild? Wir verraten es euch in unserem Test des E-Bikes Serial 1 RUSH/CTY STEP THRU powered by Harley-Davidson.

Serial 1 RUSH/CTY STEP-THRU | Brose Drive S Mag/ 529 Wh | 26,6 kg | 4.599 € | Hersteller-Website

„Wir verkaufen einen Lebensstil – das Motorrad gibt es gratis dazu.“ Eine bessere Beschreibung des Erfolgsrezepts von Harley-Davidson können wir uns nicht vorstellen. Der amerikanischen Kultmarke aus Milwaukee gelingt es wie keiner zweiten, das Lebensgefühl von Freiheit und Grenzenlosigkeit mit einem Produkt zu verknüpfen. Entsprechend gespannt waren wir darauf, das neue RUSH/CTY STEP-THRU E-Bike von Serial 1, einem E-Bike Start-up powered by Harley-Davidson, für euch Probe zu fahren. Gelingt es dem 4.599 € teuren Tiefeinsteiger mit Brose Drive-S Mag-Elektromotor, das gleiche Gefühl von Freiheit zu transportieren, wie es die großen Viertakter aus Milwaukee tun?

„Wir verkaufen einen Lebensstil – das Motorrad gibt es gratis dazu.“
Kupferdraht und Spule statt 107 Kubikzoll und zwei Zylinder: Kann das E-Bike den gleichen Lebensstil bieten wie die großen Harley-Bikes?

Das Serial 1 RUSH/CTY STEP-THRU powered by Harley-Davidson im Detail

Um die Verwandtschaft des RUSH/CTY STEP-THRU mit einer Harley-Davidson herzustellen, muss man weit in die Firmengeschichte der US-Amerikaner zurückreisen. Das erste bekannte Harley-Davidson-Motorrad aus dem Jahre 1905, das liebevoll als „Serial Number One“ bezeichnet wird und noch über Fahrradpedale gestartet wurde, ähnelt heute mehr einem E-Bike als der aktuellen Produktpalette von Harley-Davidson. Von diesem Modell bezieht auch das Start-up Serial 1 seinen Firmennamen.

Entfernte Verwandte: Optisch lässt sich die Beziehung zwischen einer Harley und dem Serial 1-Bike nicht sofort herstellen, es ist eher ein Cousin dritten Grades als ein direkter Nachkomme.
Die frühesten Harley-Davidson-Modelle dienten Serial 1 als Inspiration.
Hier klären sich die Verwandtschaftsverhältnisse auf, selbst nach über 100 Jahren besteht immer noch eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Ur-Harley und den Serial 1-Bikes.

Das RUSH/CTY STEP-THRU besitzt einen Aluminium-Rahmen mit tiefem Einstieg. Die komplette Modellreihe ist auch mit Diamantrahmen verfügbar. In den USA wird darüber hinaus noch eine S-Pedelec-Variante mit einer Unterstützung bis zur 45-km/h-Grenze von Serial 1 angeboten. Angetrieben wird unser Test-Bike von einem Brose Drive S Mag-Motor, der zentral und tief sitzt. Er sorgt mit einem maximalen Drehmoment von 90 Nm für einen kraftvollen Vortrieb und ist zumindest auf dem Papier nicht allzu weit entfernt von den 139 Nm Drehmoment einer Harley Sport Glide 2021. Der integrierte 529-Wh-Akku sitzt im Unterrohr auf dem Motor auf. Er kann zum Laden entnommen werden oder direkt über die gut geschützte Ladebuchse neben der Kurbel im E-Bike geladen werden. Durch seine quadratischen Abmessungen bleibt der obere Teil des Unterrohrs hohl, was es den Serial 1-Designern ermöglicht, ein abschließbares Staufach in den Rahmen zu integrieren. Und das hat durchaus seinen Sinn: So findet sich Platz für ein 100 ml Kännchen 2-Takt-Öl, ein Paar Lederhandschuhe und eine Packung Kautabak. Eine 0,33 l Cola-Dose passt leider nicht in das handliche Staufach.

Der Brose Drive S Mag ist mit 90 Nm ein wahres Kraftpaket und einem Harley E-Bike würdig.
Auf dem Steuerrohr befindet sich das Serial 1-Emblem. Läuft der Motor, ist es sogar beleuchtet.
Da haben wir wohl ein Versteck des Osterhasen übersehen. Das abschließbare Staufach bietet genug Platz für das Allernötigste.

Der E-Antrieb wird über das Brose Display Allround gesteuert, das gleichzeitig eine Lenkerfernbedienung ist – praktisch! Die Tasten der Fernbedienung sind ergonomisch gut gestaltet und leicht mit dem Daumen zu bedienen. Auch das Farb-Display kann mit seiner hohen Auflösung, der gut gestalteten Aufteilung der Datenfelder und der starken Display-Helligkeit überzeugen. Bei der Zugverlegung im Cockpit wurde besonders sorgfältig gearbeitet, die Bremskabel verlaufen durch den Lenker und alle weiteren Züge verlaufen ebenfalls durch den Rahmen. Die Harley mag es aufgeräumt.

Das Cockpit ist gut aufgeräumt, keine Züge stören die Sicht der Bikers.
Das Brose Allround Display hat alle Infos parat und dient gleichzeitig als ergonomische Lenkerfernbedienung.

Die Starrgabel an der Front besteht, wie der Rahmen auch, aus Aluminium und verfügt über eine integrierte Aufnahme für das klapperfreie Schutzblech. Auf dem Steuerrohr haben die Designer von Serial 1 ihre Signatur in Form eines beleuchteten Logos hinterlassen. Der Hinterbau ist aus dünnen Alustreben geformt, die nicht so recht mit den massigen Proportionen an der Front und dem wuchtigen Motorgehäuse im Zentrum harmonieren wollen. Die Aussparung im Tretlagerbereich des Rahmens für den nach oben entnehmbaren Akku sorgt in Kombination mit dem fehlenden Oberrohr des Tiefeinsteigers für eine deutliche Verwindung des Rahmens bei Belastung, was sich aber nicht negativ auf das Fahrverhalten auswirkt.

Der quadratische Akku wird nach oben aus dem Tretlagerbereich entnommen. Das verlangt konstruktionsbedingt eine große Lücke um den Tretlagerbereich im Rahmen.

Ein augenscheinliches Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich der Tiefeinsteiger gegenüber der Konkurrenz auf dem Markt hervorheben kann, besitzt dass RUSH/CTY STEP-THRU nicht. Das ist für das junge Unternehmen, das aus dem Hintergrund heraus von einer der prestigeträchtigsten Motorradmarken der Welt unterstützt wird, auch nicht zwingend notwendig. Ein Harley-Davidson wird für ihre Zielgruppe nicht dadurch interessanter, weil sie die modernsten Technologie-Neuerscheinungen besitzt. Stattdessen dreht sich bei Harley-Davidson alles um den Lebensstil und den Ausdruck der eigenen Individualität. Und genau das könnte auch das Serial 1 E-Bike erreichen: ein Statement setzen, das von Mobilität, Freiheit und Unabhängigkeit zeugt.

Die Ausstattung des Harley-Davidson-Bikes

Das RUSH/CTY STEP-THRU bietet ein Rundum-Sorglos Paket mit einigen Ausstattungs-Highlights, die man nur von High-End E-Bikes kennt. Statt auf einer Kette basiert der Antriebsstrang auf einem GATES Carbon-Riemen. Er ist im Vergleich zum Kettenantrieb deutlich wartungsärmer, langlebiger und sorgt in Verbindung mit dem geräuscharmen Brose-Motor dafür, dass das RUSH/CTY eines der aktuell leisesten E-Bikes auf dem Markt ist. Wenn der Wind of Change mal wieder durch das Flanellhemd weht und kein Bike-Geräusch das Erlebnis stört, meint man genau zu wissen, was die US-Amerikaner mit dem Lebensstils meinen.

Statt Kette verlässt sich Serial 1 auf einen wartungsarmen GATES-Riemen und eliminiert jegliche Form von Kettenrasseln. In Kombination mit dem geräuscharmen Brose-Motor wird das Serial 1 dadurch zur leisesten Harley aller Zeiten.

Das Schalten übernimmt das E-Bike selbst. In der Hinterradnabe befindet sich dazu eine stufenlose Enviolo AUTOMATiQ-Schaltung. Sie passt die Übersetzung automatisch an, um eine möglichst konstante und anpassbare Trittfrequenz aufrechtzuerhalten. Für Schaltmuffel stellt sie eine echte Erleichterung dar, auch wenn sie nicht in allen Fahrsituationen den perfekten Gang trifft, so sorgt sie doch die überwiegende Zeit für stressfreies Cruisen. Rollt man auf Anstiege zu, erkennt die Schaltung den Geschwindigkeitsabfall und schaltet automatisch herunter, geht es mal flott bergab schaltet sie wieder hoch. Für sportliche Fahrerinnen und Fahrer, die je nach Fahrsituation ihre Trittfrequenz selbst bestimmen wollen, eignet sich die Schaltung aber nicht. Um die Ziel-Trittfrequenz zu ändern, muss die Schaltung zuerst mit dem Smartphone gekoppelt werden, dann kann sie in der Enviolo AUTOMATiQ-App konfiguriert werden. Im Canyon Precede:ON CF 9 wurde das besser gelöst: Bei dem Urban-E-Bike der Koblenzer lässt sich die gleiche enviolo AUTOMATiQ-Schaltung direkt über die Lenker-Remote und das Bosch-Kiox-Display einstellen.

Die Enviolo AUTOMATiQ-Schaltung wandert stufenlos und selbstständig durch die Gänge. Für entspanntes Cruisen ist sie genau richtig.
Die Trittfrequenz der Enviolo AUTOMATiQ-Schaltung wird per Smartphone-App konfiguriert. Eine Einstellung über das Brose Allround-Display ist nicht möglich.

Das Serial 1 RUSH/CTY STEP-THRU rollt auf voluminösen Schwalbe Super Moto-X Reifen in 27,5 x 2,4” Abmessung, die auf 35 mm breiten Aluminium-Felgen sitzen. In puncto Abmessungen kommen sie zwar nicht in die Nähe der brachialen 7” breiten Reifen, wie sie z. B. vorne an einer Harley LiveWire sitzen, dem ersten rein elektrischen E-Motorrad von Harley-Davidson. Dennoch verleihen die breiten Schwalbe-Pneus dem Serial 1 etwas Motorrad-Flair. Sie tragen auch deutlich zum stabilen Fahrverhalten bei und sind für den überwiegenden Teil des Fahrkomforts des ungefederten E-Bikes verantwortlich.

Rock ‘n’ Roll: Die breiten Schwalbe Super Moto-X Reifen verleihen dem RUSH/CTY das passende Bike-Feeling.
Die TRP C2.3-Vierkolbenbremse wird mit einer großen und extra dicken 203 x 2,3 mm Bremsscheibe gepaart.

Gebremst wird mit TRP C2.3-Vierkolbenbremsen auf 203 mm großen und 2,3 mm breiten Bremsscheiben. Dadurch soll auch bei langen Abfahrten mit voller Beladung genug Bremskraftreserven zur Verfügung stehen. Mit seinen alltagstauglichen Ausstattungs-Features soll das RUSH/CTY nicht nur freiheitsliebende Bike-Fans, sondern auch Alltags- und Berufspendler glücklich machen. Dafür besitzt es serienmäßig eine Lichtanlage mit im Ausfallende integrierten Rücklichtern mit Bremslichtfunktion. Gepäck findet auf dem Front- und Heckgepäckträger Platz, beide erlauben eine Beladung mit jeweils bis zu 10 kg. Für Großeinkäufe könnte damit hinten schnell die zulässige Belastungsgrenze erreicht sein, vorne sind 10 kg in den meisten Fällen ausreichend, hier könnte die geringe Länge des Gepäckträgers von nur 15 cm aber mit manchen Transporttaschen zu Kompatibilitätsproblemen führen. Schutzbleche und ein Seitenständer runden das Gesamtpaket für den Alltagseinsatz ab. Der Seitenständer lässt sich schnell in der Höhe verstellen und sorgt dafür, dass das RUSH/CTY auch in topographisch ungünstigem Gelände (am Hang :D) sicher abgestellt werden kann.

Ein Frontlicht …
… und ein Rücklicht sind Teil der Serienausstattung.
Damit die Harley nicht vor der nächsten Rocker-Bar umfällt, sorgt der höhenverstellbare Seitenständer vor.
Der Heckgepäckträger lässt sich mit 10 kg beladen, damit einem für Touren entlang der Route 66 nicht der Stauraum ausgeht.
Der Frontgepäckträger fällt etwas klein aus, er hat eine Beladungsgrenze von 10 kg.

Serial 1 RUSH/CTY STEP-THRU

4.599 €

Ausstattung

Motor Brose Drive S Mag 90 Nm
Akku Serial 1 529 Wh
Display Brose Allround
Bremsen TRP C2.3 203/203 mm
Schaltung Enviolo AUTOMATiQ mit GATES-Riemen stufenlos
Reifen Schwalbe Super Moto-X 27,5 x 2,4”

Technische Daten

Größe S M L
Gewicht 26,60 kg
Zul. Gesamtgewicht (zGG) 128 kg
Max. Zuladung (Fahrer) 101,4 kg
Ständeraufnahme ja

Besonderheiten

Lichtanlage

Die Geometrie des Serial 1 RUSH/CTY STEP-THRU

Das RUSH/CTY STEP-THRU ist in den Größen S, M und L verfügbar und eignet sich laut Hersteller für Bikerinnen und Biker von 1,58 m bis 1,80 m Körpergröße. Alle, die 1,80 m Körpergröße oder 84 cm Schrittlänge überschreiten, sollten sich die Diamantrahmen-Modelle des RUSH/CTY genauer ansehen: Diese gibt es auch in Größe XL und sind laut Hersteller auch für Biker bis zu einer Größe von 1,98 m bestens geeignet. Wir haben mit 1,85 m Körpergröße auf unserem RUSH/CTY STEP-THRU Test-Bike in Größe L genügend Platz gefunden. Die Sitzposition ist entspannt und aufrecht und ermüdet weder die Hände noch den Rücken auf längeren Touren. Bei kleineren Bike-Fans um die 1,76 m fiel das laut Größenratgeber passende Bike in Größe L im Test als bereits zu groß aus. Darum empfehlen wir allen Interessierten, bei ihren örtlichen Harley-Davidson-Händler auch auf einem kleineren als dem laut Online-Größenratgeber empfohlenen Modell zur Probe Platz zu nehmen.

Rebellion in der Alltags-Routine – Unterwegs auf dem Serial 1-E-Bike

Das RUSH/CTY erfüllt alle Voraussetzungen, um ein gemütliches Pendel-Bike zur Arbeit und zum Shopping zu sein. Der Fahrkomfort ist gut, das E-Bike fährt sich stabil und gibt Bodenunebenheiten dank der dicken Reifen und der Eigendämpfung des Rahmens nicht ungefiltert an den Biker weiter. Wer jedoch überwiegend auf schlechten Straßen oder sogar abseits des Asphalts mit dem Serial 1 cruisen möchte, wird schnell das Komfort-Limit des Bikes erreichen. Lenkbefehle werden direkt umgesetzt, ohne dass sich das E-Bike nervös anfühlt. Das Handling ist intuitiv und beherrschbar, ist die Automatik-Schaltung erst mal passend eingestellt, muss man sich während der Fahrt um nicht mehr viel kümmern. Gas, Bremsen, Lenken – fertig.

Im Stau stehen passt nicht zu Harley-Davidson. Dasselbe gilt für das Serial 1 E-Bike, mit dem man einfach am stehenden Verkehr vorbeizieht.

Mit dem RUSH/CTY STEP-THRU liefert Serial 1 auf den ersten Blick nicht das E-Bike ab, das man von einer Marke wie Harley-Davidson erwartet, denn man erwartet überhaupt kein E-Bike von Harley-Davidson. Wo ist der Spirit, den die legendäre Motor-Company vermittelt, wo ist die Individualität, der Selbstausdruck oder die Rebellion? Sie liegt nicht im brachialen Design von verchromten Motorrädern, sondern auf einem übergeordneten Level. Sie liegt in der Freiheit, die man auf dem RUSH/CTY genießt. Denn das Serial 1 befreit einen von Zwängen, wie häufig wiederkehrende, routinemäßige Servicearbeiten, dank seiner wartungsfreien Komponenten. Es macht einen im Nahverkehr unabhängig von Bus, Bahn und Auto und verleiht durch den kraftvollen Motor und der automatischen Schaltung Fahr- und Lebensfreude, ohne dem Bikenden zu viel Input abzuverlangen. Das RUSH/CTY STEP-THRU rebelliert weder gegen gesellschaftliche Konventionen, noch passt es sich an irgendwelche Zwänge an. Es erfüllt keine Erwartungen, außer die Erwartung, mit Erwartungen zu brechen. Es ist weder „Born to Be Wild“, noch „Born to Be Mild“, sondern „Born to Be Alive“ und damit zu 100 % eine Harley Davidson.

Das Fazit zum Serial 1 RUSH/CTY STEP-THRU

Das RUSH/CTY STEP-THRU von Serial 1 hat nicht die rebellischen und wilden Gene von Harley Davidson geerbt, ist aber im gleichen Maße unkonventionell. Durch seine einfache Handhabung und seine unbeschwerte Fahrweise transportiert das E-Bike altbekannte Werte von Freiheit und Zwanglosigkeit ins 21. Jahrhundert. Wer schon immer mal eine Harley sein Eigen nennen wollte, bekommt hier die Chance dazu: Für 4.599 € erhält man ein gut ausgestattetes E-Bike mit cleveren Features und hohem Bedienkomfort, auf dem man im Alltag und beim entspannten Cruisen seine Freude hat und sich einfach vom Rest der Welt abkapseln kann.

Tops

  • flüsterleise
  • wartungsarmer Antrieb
  • Automatik-Schaltung zum Cruisen
  • kraftvoller E-Motor

Flops

  • keine Schaltungskonfiguration per Lenkerremote
  • unharmonische Motorintegration

Für mehr Infos besucht serial1.com.

Words: Rudolf Fischer Photos: Philipp Schwab