Die Premium- und Fair-Fashion-Marke ISTO aus Lissabon verkörpert Nachhaltigkeit und Transparenz wie keine andere und ist dabei noch bezahlbar. Wir haben uns mit einem der Gründer in Portugal getroffen und viel erfahren über die Philosophie und den Weg der Marke, die Herausforderung, transparent zu sein, und was Bio-Konzepte auf sich haben.
Hey Pedro! Erklär uns doch einmal kurz die Idee hinter eurer Marke ISTO und gib uns einen Einblick in eure Entstehungsgeschichte.
Hey! Ich bin Pedro Palha, einer der drei Gründer von ISTO. 2017 haben wir die Marke in unserem Wohnzimmer in Lissabon mit einem recht kleinen Budget gegründet. Für uns war es – und ist es auch heute noch – sehr wichtig, frei und unabhängig von den Zwängen der Industrie und Investorenschaft zu arbeiten, aber vor allem frei von den verrückten Anforderungen und Trends, die von der Fast-Fashion-Industrie und der High-Fashion-Agenda vorgegeben werden. So können wir entscheiden, wie wir arbeiten, mit wem wir arbeiten und wie wir produzieren.
Was hat euch motiviert, ISTO zu gründen?
Die Idee entstand, weil wir auf hochwertig hergestellte Kleidung stehen, sie uns aber nie wirklich leisten konnten. Unsere billig produzierte Kleidung, die wir trugen, hielten dann nur 1–2 Saisons, sodass man immer wieder neue kaufen musste. Uns fehlte etwas, das hohe Qualität und einen zeitlosen Stil hatte, erschwinglich war und gleichzeitig fair in unserer Heimat Portugal produziert wurde. Deshalb beschlossen wir, auf eigene Faust Kleidung nach unseren Vorstellungen zu entwickeln und herzustellen. Unser Lieblingshemd stand dabei Pate – es markierte den Startpunkt. Wir wollten dieses so produzieren, wie wir es für richtig hielten. Also passten wir den Schnitt an, entfernten die Logos, die eh keiner braucht, und voilà, unser Lieblingshemd sowie ISTO waren geboren. Seit dem ersten Tag steht ISTO – Akronym für independent, superb, transparent, organic – für eine unabhängige, hochwertige, transparente, nachhaltige Produktion und vereint das alles mit einer Slow-Fashion-Mentalität.
Was sind die Herausforderungen bei dieser Entwicklungsarbeit? Was habt ihr auf diesem Weg gelernt?
Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist, transparent zu sein. Dabei ist es nicht immer einfach, alle Informationen unmissverständlich offenzulegen. Entscheidend ist die Interpretation. Wenn du dir zum Beispiel unsere Website ansiehst, findest du dort eine Preisaufschlüsselung für jedes Kleidungsstück. Nehmen wir mal das Work Jacket. Die Produktionskosten belaufen sich auf ca. 60 €, einschließlich Stoff, Arbeitsaufwand, Logistik, Transport usw. Das haben wir auf unserer Website pro Produkt einzeln aufgelistet. Wenn wir die Gehälter unserer Mitarbeiter, Marketing, Mieten, laufende Kosten usw. dazu addieren, kommen wir auf einen Gesamtbetrag von 137 € für jede Work Jacket, die wir dann für 179 € verkaufen. Vereinzelt jedoch bekommen Leute ein falsches Bild durch die Aufschlüsselung der Produktionskosten und denken dann, dass wir eine große Gewinnspanne haben – dennoch ziehen wir es vor, transparent zu sein und zu bleiben.
Außerdem verfolgen wir mehr und mehr den Ansatz einer Kreislaufwirtschaft für unsere Produkte. Wir halten Accessoires und Materialien wie zum Beispiel Knöpfe im Umlauf, anstatt neue zu entwerfen oder zu produzieren. Denn selbst wenn Kleidung biologisch hergestellt wird, verbrauchen all die Prozesse immer noch eine Menge Wasser und Energie.
Was ist deine Definition von nachhaltiger Mode?
Meine Interpretation ist Qualität vor Quantität, Klassiker vor Trends, Langlebigkeit und faire Produktionsbedingungen. Außerdem sollten die Kleidungsstücke mindestens aus recycelbaren oder biologisch abbaubaren Materialien bestehen.
Wie viel Greenwashing gibt es heutzutage und wie schützt ihr euch davor?
Puh, da gibt es eine ganze Menge. Wir schützen uns davor, indem wir fast 100 % unserer Artikel in Portugal produzieren und möglichst alle Rohstoffe in Europa einkaufen. So haben wir die gesamte Lieferkette und Prozesse einfacher im Blickfeld. Wenn uns dies nicht gelingt und es hier keine Stoffe gibt, greifen wir immer auf Textilien zurück, die zumindest ein GOTS-Zertifikat haben. Der Global Organic Textile Standard wurde von einer weltweit führenden Organisation entwickelt, die die Lieferkette reguliert.
Darüber hinaus verwenden wir gentechnikfreies Saatgut für unsere Baumwolle, und unsere Landwirte wenden umweltschonende Methoden wie Fruchtwechsel, Mischkulturen oder Direktsaat an, um durch die Feldwirtschaft Bodenerosion zu vermeiden und den Einsatz von Chemikalien und den Wasserverbrauch einzuschränken. Jeder Schritt in unserer Produktion wird von uns kontrolliert und doppelt geprüft.
Kaufst du selbst Mode aus nicht fairer Produktion? Und wenn ja, in welchen Fällen und warum?
Ich glaube, ich habe seit über 6 Jahren keine Kleidung mehr gekauft, abgesehen von ein paar Baumwoll-Sneaker der Marke Asahi aus Japan.
Heutzutage wollen viele Hersteller nachhaltige Kleidung in Portugal produzieren. Hat die Textilbranche in Portugal Tradition? Und ist Portugal in der Lage, diesen Wandel zu bewältigen? Gibt es genügend Kapazitäten für künftige Marken, die hier produzieren wollen?
Portugal war schon immer einer der besten Produzenten von Textilien. Natürlich ist es hier teurer als in Bangladesch oder China, doch die Qualität ist eine andere. Aber um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass wir noch viel mehr Kapazitäten haben. Ich kenne viele Lieferanten, die voll ausgelastet sind. Wir hoffen daher auf eine Trendwende, dass hierzulande mehr in diese Branche investiert wird.
Ist es möglich, in Ländern wie Bangladesch nachhaltig zu produzieren?
Möglicherweise ja, vielleicht aber auch nicht. Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht wirklich. Für uns jedoch ist klar, dass wir dort unsere Kleidung nie herstellen werden, da unser Wertversprechen auf der Produktion in Portugal beruht. Aber mal ehrlich, ein Kleidungsstück in Bangladesch oder China zu produzieren, um es dann durch die ganze Welt zu schicken? Das kann nicht nachhaltig sein. Doch auch in diesen Ländern muss sich bald etwas ändern. Ich spreche hier von der Produktionsweise, dem Müll und den Arbeitsbedingungen. Schon lange kann man nachlesen, dass sich Labels, wie zum Beispiel H&M mit ihrer „Conscious Exclusive Kollektion“, bemühen, organische und recycelte Materialien zu verwenden und den Mindestlohn für die Arbeiterinnen und Arbeiter zu sichern. Doch inwieweit stimmt das? Denn solange solche Modemarken jährlich mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke verkaufen, ist das nicht nachhaltig und trägt zur Zerstörung des Planeten bei. Die Verbraucherschaft muss – unabhängig davon, wo sie ihre Kleidung kauft – verstehen: Um einen wirklich nachhaltigen Weg einzuschlagen, muss man weniger, aber dafür qualitativ hochwertigere Artikel kaufen und diese länger tragen.
Wie soll sich euer Unternehmen in den nächsten Jahren entwickeln?
Wir bekommen sehr viel gutes Feedback von zufriedenen Kunden und würden gerne noch mehr Menschen erreichen. Denn wir möchten so das Bewusstsein für das Thema Produktion mit all den verbundenen Auswirkungen schärfen und eine echte Alternative zur Fast Fashion werden. Die Leute sollen dazu inspiriert werden, weniger zu kaufen. Im Endeffekt soll ISTO Vorbild für die Lösung sein. Da immer mehr Leute sensibilisiert sind und sich mehr fair produzierte Kleidung wünschen, versuchen wir, unser Geschäft in Ländern wie Deutschland zu erweitern. Am liebsten würden wir hier und in ein paar anderen europäischen Ländern in Einzelhandelsgeschäften erhältlich sein.
Wie wird die Modebranche in 10 Jahren deiner Meinung nach aussehen?
Wir bei ISTO glauben in der Modeindustrie fest an die Zukunft von Fasern aus Früchten, wie zum Beispiel Kokosnuss, Zuckerrohr, Banane oder Ananas. Mit diesen Fasern werden immer mehr Stoffe hergestellt, die umweltfreundlich und nachhaltig sind. Das Gleiche gilt für Zellulose aus nachhaltiger Forstwirtschaft, die im Vergleich zu vollsynthetisch hergestellten Polyester zudem einzigartige Eigenschaften in Bezug auf die Feuchtigkeitsaufnahme und Hemmung der Bakterienbildung haben. Außerdem müssen die Marken ihre Recycling-Programme und transparenten Lieferketten ausbauen, da sich immer mehr Menschen der Bedeutung dieser Faktoren bewusst werden.
Muito obrigado Pedro! Cool, dass du uns empfangen und einen Einblick in ISTO gegeben hast.
De nada! Es hat mir Spaß gemacht.
Mehr Informationen findet ihr auf: www.isto.pt
Words & Photos: Julian Lemme