Schließt eure Augen und stellt euch ein typisches Lastenrad vor: Von all unseren Lastenrädern im Test entspricht das WINORA F.U.B. 2W bestimmt am ehesten dem Bild, das ihr gerade vor Augen hattet. Das 5.200 € teure Long-John-Lastenrad wirkt wie ein Klassiker und will mit einer großen Transportbox begeistern, wir machen den Test.

63,8 kg in Größe One Size | 5.199 € | Hersteller-Website
Das F.U.B 2W ist WINORAs Antwort auf das SUV. Statt im Sports Utility Vehicle nimmt die Familie jetzt im Family Utility Bike Platz, daher auch der Name F.U.B. Die deutsche Traditionsmarke WINORA bietet Lastenrad-Fahrern gleich zwei Varianten ihres F.U.B.-Cargobikes an: das 3W-Dreirad und das von uns getestete 2W-Long-John-Lastenfahrrad. Mit 5.200 € ist das WINORA Lastenrad das zweitgünstigste Lastenrad im Testfeld. Zieht man von dem maximal zulässigen Gesamtgewicht von 200 kg die 63,8 kg des Lastenrads ab (das zweitschwerste Lastenrad des Vergleichstests), bleiben noch rund 136 kg für die Zuladung übrig. Für Vortrieb sorgt ein Bosch Cargo Line-Motor samt 500-Wh-Akku aus dem nicht mehr ganz taufrischen Bosch eBike-System 2. Für Vielseitigkeit soll die variabel nutzbare Transportbox zwischen 20“-Vorderrad und Fahrer sorgen. Wir haben unsere Siebensachen gut in der Transportbox verstaut und sind in einer wenig bekannten Stadt namens Paris zu einem Lastenrad-Test losgezogen.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Cargo-Bike – Die 12 heißesten Bikes im großen Vergleichstest.
Der Cargobike-Klassiker des Lastenrad Tests – Was macht das WINORA Lastenrad so besonders?
Was hat das WINORA F.U.B. 2W mit den ersten WINORA-Bikes gemeinsam, die vor über 100 Jahren das Licht der Welt erblickt haben? Einen Stahlrahmen. Das WINORA-Lastenrad mag zwar auf den ersten Blick nicht ganz so wuchtig erscheinen wie das Riese & Müller Packster2-Longjohn, doch es stützt sich auf eine massive Stahlrohrrahmenkonstruktion samt klassischer Gelenkstangenlenkung ab. Die gebogenen Rundrohre verleihen dem Rahmen genug Steifigkeit, sodass auf ein Oberrohr verzichtet werden konnte. Das Ergebnis davon: Mit 40 cm Höhe hat das WINORA-Lastenrad den niedrigsten Durchstieg des Vergleichstests, was auch kleinen Menschen den Aufstieg erleichtert. Die eingesparten Zentimeter beim Durchstieg hängt WINORA vorne und hinten an das Lastenrad dran: Mit 265 cm Länge ist es fast so lang wie die Trilogie von Herr der Ringe und gleichzeitig das längste Lastenrad des Vergleichstests. Dadurch verlangt es nach einem großen Abstellplatz, entweder in der Garage oder in einem XXL-Luxus-Bikeport im Hof. Auf der Antriebsstrangseite ist der selbige komplett verkleidet, wodurch die Kette, die zur Enviolo HD-Nabenschaltung nach hinten läuft, gut vor der Witterung geschützt ist.



Die Plus-Size-Dimensionen des WINORA-Lastenrads kommen der großen Transportbox zugute. Ihre Öffnung beträgt an den breitesten Stellen ungefähr 95 x 60 cm und sie darf mit bis zu 80 kg Gepäck beladen werden. Durch ihre konische Wannenform ist die Grundfläche jedoch deutlich kleiner, sodass man gerade noch so eine Eurobox mit 40 x 60 cm Fläche in die Transportbox legen kann. Den Boden der Transportbox zieren zwei Schienen, auf denen man unterschiedliches Zubehör befestigen kann, wie z. B. die serienmäßig mitgelieferte Kindersitzbank mit zwei Plätzen. Vor oder auch statt der Sitzbank lassen sich zudem Körbe oder Befestigungssysteme für Kleinkindersitze oder sogar Babyschalen in der Box installieren, wie z. B. mit der Steco-Halterung für Maxi-Cosi-Sitze (140 €) – super! Passend dazu ist die Transportbox von innen mit recyceltem Hartschaum ausgekleidet, das einen gewissen Grad an Seitenaufprallschutz bietet. Für die Box bietet WINORA noch weiteres Zubehör, wie ein Regenverdeck (270 €) oder ein einfaches Cover (65 €), an, was die Allwettertauglichkeit des Lastenfahrrads erhöht.
Hinter dem Fahrer und über dem großen 26”-Hinterrad befindet sich noch ein solider Heckgepäckträger mit MIK HD-Schnittstelle, auf dem ein Kindersitz angebracht werden darf. So erhöht sich die Passagiertransportkapazität auf bis zu vier kleine Beifahrer plus Fahrer.
Angeschoben wird das WINORA Lastenrad von einem Bosch Cargo Line-Motor. Was die reinen Leistungsdaten betrifft, so bietet er mit 85 Nm und 400-%-Tretunterstützung die gleiche Kraft wie die anderen Cargo Line-Motoren beim Riese & Müller Packster2, Moustache Lundi und Cannondale Wonderwagen. Jedoch kommen beim Moustache und beim WINORA noch Motoren aus der alten Bosch eBike-System 2-Motorsystemgeneration zum Einsatz. Der Nachteil: Da der Motor am WINORA mit einem inzwischen sieben Jahre alten Purion-Bordcomputer kombiniert wird, fehlen ihm alle Connectivity-Funktionen, wie eine elektronische Wegfahrsperre oder abstimmbare Motorsupport-Modi.


Auch was die Akkukapazität betrifft, ist das WINORA Lastenrad nicht auf dem Stand der Technik. Es wird ab Serie nur mit einem kleinen 500-Wh-Akkupack ausgeliefert, der kleinsten Akkukapazität im Lastenrad Test. Für kurze Erledigungsfahrten mit moderater Beladung reicht das noch aus. Plant man einen längeren Ausflug, sollte man jedoch von der vorinstallierten Halterung für ein zweites PowerPack Gebrauch machen, damit man die Akkus unterwegs schnell tauschen kann. Damit verdoppelt man schlagartig die Reichweite und kann auch lange Trips ohne Reichweitenangst in Angriff nehmen. Einen PowerPack 500-Akku gibt es im Onlinehandel für knapp unter 600 €.
Der Akku wird mit einem Schlüssel gesichert und kann sowohl extern als auch am Bike geladen werden, der Ladeport befindet sich dafür direkt seitlich unter dem Akkupack. Der Schlüssel zur Akkuentnahme dient auch als Schlüssel für das ABUS-Ringschloss am Hinterrad.
Was das one-size-fits-all-Größenkonzept betrifft, beschränkt man sich bei WINORA auf nur die nötigsten verstellbaren Komponenten. Die Sattelhöhe wird mit einer Schnellspanner-Sattelklemme reguliert. Der Winkel des Vorbaus kann per 5er Inbus angepasst werden, für alles Weitere sollte man lieber eine Werkstatt aufsuchen. Laut WINORA-Größenkalkulator finden Fahrer von 165 bis 190 cm auf dem F.U.B. 2W- Lastenrad problemlos Platz.

WINORA F.U.B. 2W
5.199 €
Ausstattung
Motor Bosch Cargo Line 85 Nm
Akku Bosch PowerPack 500 Wh
Display Bosch Purion
Fork Alu-Starrgabel
Sattelstütze Alu
Bremsen MAGURA CT 160/160 mm
Schaltung Enviolo Heavy Duty 380 %
Lenker Humpert 610 mm
Laufradsatz RYDE Andra 40 Disc 20"/26"
Reifen Schwalbe Pick-Up 2,15"
Technische Daten
Größe One Size
Gewicht 63,8 kg
Zul. Gesamtgewicht (zGG) 200 kg
Max. Zuladung (Fahrer) 136 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme ja
Besonderheiten
ABUS-Rahmenschloss
Lichtanlage
Tuning-Tipp: Regenverdeck für den Fahrkomfort der Kleinen, eine gefederte Sattelstütze für den eigenen Fahrkomfort
Das WINORA Lastenrad – Wie schlägt sich der Klassiker in der Praxis?
Will man mit dem großen WINORA Lastenrad Schiff ablegen oder vor Anker gehen, lässt es sich stabil und relativ einfach auf den soliden Zweibeinständer Auf- und Abbocken, wenn man den kleinen Fußhebel auf der linken Seite des Ständers richtig zu nutzen vermag. Ist es schwer beladen, kann man noch die linke Hand an der Reling der Transportbox zu Hilfe nehmen, dann gelingt das Aufbocken auch kleineren Personen mit nicht allzu viel Kraftaufwand. Auf der Unterseite der Transportbox befinden sich kleine Fußrasten, mit etwas Geschick klettern Kinder so von alleine in die Transportbox und man muss sich zumindest darum nicht selbst kümmern.
Ist die Sitzbank verbaut, bleiben noch knapp 40 x 42 cm Grundfläche in der Transportbox übrig, Platz genug für die eigene Tasche und die Rucksäcke der Kleinen, aber nicht mehr für den Wocheneinkauf. Man selbst nimmt in einer angenehm aufrechten Sitzposition an Bord des WINORA Lastenrads Platz.
Old School: Das WINORA F.U.B. 2W wirkt wie der Klassiker im Lastenrad Test. Das Long-John-Lastenrad rollt als einziges Cargo-Bike noch auf einem Stahlrahmen.


Ist das WINORA Lastenrad erstmal voll beladen, gestaltet sich das Anfahren als kippelige Angelegenheit und selbst geübte Lastenrad-Fahrer sollten sich erst mal an das Lenkverhalten des WINORA Lastenrad gewöhnen. Die Transportbox, die deutlich höher sitzt als beim Cannondale Wonderwagen oder dem Riese & Müller Packster2, erzeugt einen hohen Schwerpunkt. Zusammen mit dem langen Radstand führt das zu einem schwerfälligen Handling. Über den schmalen 610-mm-Lenker und die Gelenkstange lässt sich das Vorderrad nur recht unpräzise steuern und das Handling erfordert höchste Konzentration. Wer mit dem Gleichgewichtssinn eines Seiltänzers zur Welt gekommen ist, wird sich jedoch an den engen Wendekreisen erfreuen, die mit dem WINORA Lastenrad möglich sind. Während es beim Rangieren im Hof allein durch die Länge eher sperrig ist, ermöglicht die Gelenkstangenlenkung dennoch enge Lenkwinkel.
Als kleine Starthilfe beim Ampelstopp dient die stufenlose Enviolo HD-Nabenschaltung, mit der man im Stand einen leichten Anfahrtsgang einlegen kann. Leider bietet die Nabenschaltung nur eine kleine Bandbreite, so fehlt es dem WINORA Lastenrad an der passenden Untersetzung für steile Anstiege. Ein Trekking-Ausflug durch malerische Weinberge wird so zur Kraftprobe. Bergab fallen die MAGURA CT-Zweikolbenbremsen mit kleinen 160-mm-Bremsscheiben auf, die für ein Lastenrad klar unterdimensioniert sind. Das ungefederte Fahrwerk und die glatte Schwalbe Pick-Up-Bereifung, die mit 2,15” nochmals eine Nummer schmaler ausfällt als am Cannondale Wonderwagen, sorgen weder für Fahrkomfort noch für solide Traktion auf Feld- und Waldwegen. Das grenzt die Komfortzone des WINORA Lastenrads auf den Stadt- und Radwegeverkehr von ebenen Hafenstädten ein. Dort punktet es jedoch mit der serienmäßigen Lichtanlage und dem ABUS-Ringschloss am Hinterrad, für den schnellen Stopp an der Kita, dem Kiosk und dem Kaufland.
F.U.B. statt SUV: Das Family Utility Bike von WINORA will die Stadt von unpraktischen Geländewagen befreien und einen alternativen Familientransport anbieten.

Für wen ist das WINORA Lastenrad?
Geübte Lastenrad-Biker, die unbedingt ein günstiges Stahlbike wollen, um mit dem Schweißgerät eigenes Zubehör am Rahmen anzuschweißen und auf den Transportboxschienen eigene Transportkonzepte zu realisieren, finden mit dem WINORA Lastenrad vielleicht den richtigen Transportesel für die Stadt. Sie sollten sich jedoch nicht vom anspruchsvollen Handling des WINORA Lastenrads aus der Ruhe bringen lassen. Die breite Masse an Cargobikern ist an Bord unseres Testsiegers des Lastenrad Tests, dem Riese & Müller Packster2, besser aufgehoben.


Fazit zum WINORA Lastenrad
Das WINORA Lastenrad ist ein altmodisches Long-John-Lastenrad, dem das Zeug zum Klassiker jedoch fehlt. Das Handling des Winora F.U.B. 2W ist anspruchsvoll und auch das Größen- und Motorkonzept sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die nützlichen Befestigungsschienen in der Transportbox stechen im Lastenrad Test hervor und sind praktisch für Sitzbänke und Kindersitze. Das restliche Transportkonzept ist hingegen weniger vielseitig. Dadurch liegt das WINORA Lastenrad im Schlussfeld des Lastenrad Tests.

Tops
- angenehm tiefer Durchstieg
- Befestigung für Ersatzakku
- Platz für bis zu vier Kinder in der Transportbox und auf dem Heckgepäckträger

Flops
- anspruchsvolles Handling
- wenig Sitzkomfort
- veraltetes Bosch-Motorsystem
- zu geringe Schaltungsbandbreite
Mehr Informationen findet ihr unter winora.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Cargo-Bike – Die 12 heißesten Bikes im großen Vergleichstest
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Words: Rudolf Fischer Photos: Antonia Feder, Robin Schmitt