Welcher Kaffee schmeckt am besten? Wer kann guten Kaffee von schlechtem Kaffee unterscheiden? Und wer schmeckt heraus, ob der Espresso nach Muskatnuss oder eher nach Nelke schmeckt? Wir haben auf der Eurobike eine 5.000 € teure La Marzocco-Siebträgermaschine gegen eine Nespresso und eine Moccamaster antreten lassen. Die Erkenntnis unserer Blindverkostung: Geschmack entsteht im Kopf und mit allen Sinnen.

Welcher Kaffee schmeckt am besten? Auf der EUROBIKE 2024 haben wir eine Blindverkostung mit drei grundverschiedenen Kaffeemaschinen gemacht. Das Resultat? Überraschend!

Dieser Artikel ist Teil unseres Coffee Specials, in dem wir euch alle getesteten Produkte, spannenden Erkenntnisse und wertvollen Einblicke rund um das Thema Kaffee präsentieren. Neugierig? Dann klickt hier!

Nahezu alle namhaften Bike-Hersteller haben schon bei uns in der 41 Redaktion in Leonberg vorbeigeschaut, um die neuesten Bikes vorzustellen, um über die neuesten Komponenten zu nerden – und um richtig guten Kaffee zu trinken. Böse Zungen würden behaupten, viele kommen eigentlich nur, um unserer Faema E61-Espressomaschine einen Besuch abzustatten. Diese über 60 Jahre alte Ikone ist Empfangsdame und Gesprächsstoff zugleich und die richtig guten Gespräche finden in ihrem Beisein statt, während sie im Hintergrund beruhigend zischt, blubbert und heißen Espresso auswirft.

Doch was macht die Faszination dieser Barista-Siebträgermaschine aus? Ist es ihre zeitlose Eleganz, die von besseren Zeiten in einem kleinen Café erzählt? Ist es die legendäre Brühgruppe, die das Pulver gleichmäßig extrahiert und einen ausgewogenen Kaffee mit reicher Crema ausspuckt? Und warum sind unsere Besucher von dem Kaffee begeistert, egal, ob wir die Bohnen austauschen, ab und zu den Mahlgrad verändern und das Tampern je nach Tagesform mal mehr, mal weniger stark ausführen? Anders gefragt: Lassen wir uns blenden von der chromglänzenden Strahlkraft und der vermeintlichen Kompetenz der Faema E61?

Blindverkostung auf der Eurobike: Augen zu und rein damit

Um das herauszufinden, blieb uns nur die harte Nummer, und die heißt: Blindverkostung. Da wir für einen Produkttest gerade die La Marzocco Linea Mini R in der Redaktion hatten und die EUROBIKE anstand, entstand das perfekte Setting: Unser Messestand war Wohnzimmer, Kreativloft, Gallery, Camping-Ground, Classic Car-Garage und in diesem Fall auch Specialty-Kaffeehaus in einem. Zwischen E-Bike-Motoren und Lastenrädern entstand unser Kaffee-Mekka. Schnell wurde unser Stand zum beliebtesten Treffpunkt auf der Messe – einige Fachbesucher kamen gleich mehrmals pro Tag vorbei!

Neue und alte Freunde. Unser Stand entwickelte sich schnell zum Kaffee-Mekka.
Zwischen Camping-Ground, Classic Car-Carage und E-Bike-Motoren haben wir eine Blindverkostung mit Freunden und Lesern veranstaltet.

Im Vorfeld der EUROBIKE hatten wir unsere Leserschaft sowie Industrie eingeladen, an den Besuchertagen an unserer Kaffee-Blindverkostung teilzunehmen: Von Gelegenheitstrinkern über Koffeinjunkies bis hin zu Espresso-Connaisseuren mit hohen Ambitionen war alles dabei. Die einen trinken Kaffee nur, um wach zu bleiben, andere wollen ihr Wissen über die perfekte Crema erweitern. Der Ablauf unserer Verkostung war einfach, aber aufschlussreich: Es wurde gegurgelt und geschmatzt, geschwenkt und gerührt, gerochen und geschnüffelt – jeder Schritt brachte uns näher an die Geschmackserkenntnis.

Doch wie verkostet man Kaffee? Sogenannte Kaffee-Sommeliers finden mithilfe des Kaffee-Aromarads über 36 verschiedene Nuancen heraus – von fruchtig über nussig bis hin zu würzig und erdig. Insgesamt kann Kaffee bis zu 1.200 verschiedene Aromakomponenten enthalten. Aber mal ganz ehrlich: Uns fällt es schon schwer, allein die Bitterkeit des Kaffees richtig einzuschätzen. Bei unserer nicht-wissenschaftlichen Verkostung konzentrierten wir uns daher auf das Mundgefühl und die übergeordneten Geschmacksrichtungen wie sauer, süß, blumig, schokoladig usw. Ein Testbogen mit 15 verschiedenen Kriterien bot echten Sommeliers die Möglichkeit, ihr Können zu testen, während sich alle anderen daran versuchen konnten, ihren Horizont zu erweitern.

Die Kontrahenten: David gegen Goliath

Unsere 3 Kaffeemaschinen in der Blindverkostung konnten unterschiedlicher nicht sein: Die Moccamaster KBG Select, die DeLonghi Nespresso Maschine und die La Marzocco Linea Mini R. Siebträger- versus Filter- versus Kapselkaffee. Ja, wir wissen: Barista-Experts würden sich hier mit Grauen abwenden, und wissenschaftlich angelegt war dieser Test bei Weitem nicht. Aber wir machen das ja nicht für die Ultra-Spezialisten, sondern für ganz normale Kaffee-Liebhaber, wie wir es auch sind.

Unser Highlight? Die Bohnen der Bäckerei Schmidt.
David gegen Goliath. Wer kommt schon auf die Idee, eine 5.000 € teure Siebträgermaschine mit einer 50-€-Kapselmaschine zu vergleichen?

Bleibt noch die Frage nach Wasser und Bohnen: Mit im Gepäck hatten wir 50 Liter Volvic und 20 Kilogramm Kaffeebohnen aus unserer Redaktion. Alle 3 Maschinen wurden mit Volvic versorgt und die Bohne unserer Wahl war natürlich die, mit der auch die gehypte Faema E61 aus unserem Office gefüttert wird: Die Eltern unseres Redakteurs Benedikt Schmidt haben eine eigene Rösterei, und der Crema-Kaffee der Bäckerei Schmidt sorgte für angeregte und durchweg positive Diskussionen.

La Marzocco Linea Mini R – Der italienische Traum

Eine handgefertigte, italienische Siebträgermaschine mit Dualboiler – der Traum eines jeden Barista. Auch wenn wir ein paar Abstriche machen mussten, hat die 5.000 € teure La Marzocco Linea Mini R in unserem Hot-or-not-Test bereits gezeigt, dass sie richtig viel kann. Bei unserer Blindverkostung hat sie dann aber das Testfeld regelrecht gespalten.

Macht optisch mächtig was her: die handgefertigte La Marzocco Linea Mini R aus Florenz.
Nicht idiotensicher: Je nach Barista und dessen Fähigkeiten unterschieden sich die Espressi-Ergebnisse enorm.

Einige Tester waren begeistert vom Espresso, den die La Marzocco Linea Mini R zauberte, während viele den Kaffee der Konkurrenzmaschinen als besser empfanden. Der Espresso zeichnete sich durch einen gerösteten, intensiven Geschmack aus, mit einer sehr dunklen, trüben braunen Farbe und stark ausgeprägten Noten von Säure, Bitterkeit und Süße. Während einige Tester das Potenzial der La Marzocco-Maschine erkannten, bemängelten andere unsere Barista-Fähigkeiten – für manche war der Kaffee einfach zu intensiv, die sauren und bitteren Geschmacksaromen zu dominant respektive ungewohnt. Was wir daraus gelernt haben? Die beste Maschine kann mangelndes Grundwissen nicht ausgleichen: Sie ist eben nicht idiotensicher, und unsere eher durchschnittliche Siebträgererfahrung tat ihr Übriges. Asche auf unser Haupt.

Moccamaster KBG Select – Skandinavische Schlichtheit

Die Moccamaster KBG Select ist eine stylische Filterkaffeemaschine aus den Niederlanden, deren Bedienung so simpel wie intuitiv ist: Kaffeepulver oben rein, Wassertank auffüllen und Kanne drunterstellen – den Rest übernimmt die Maschine automatisch. Doch so unkompliziert das Setup auch ist, genauso basic bewerteten unsere Tester den Geschmack des Kaffees.

Simpel aber stylisch: Die Moccamaster KBG Select aus den Niederlanden zaubert mit einem Knopfdruck eine ganze Kanne Filterkaffee.
Die Größenunterschiede der Maschinen sind direkt ersichtlich. Doch welche Maschine zaubert den besten Kaffee?

Der Kaffee der Moccamaster KBG Select konnte von unseren Test-Fans aufgrund der nicht vorhandenen Crema und der wässrigen Konsistenz mühelos identifiziert werden. Zwar beschrieben viele den Geschmack als eher süßlich und insgesamt angenehm, jedoch blieb er nicht nachhaltig im Gedächtnis. Klar, der Unterschied wird deutlich, wenn man – so wie wir – auf die Idee kommt, Espresso mit Filterkaffee zu vergleichen. Dennoch waren wir durchaus zufrieden – von der einfachen Bedienung bis hin zu einem insgesamt angenehmen Geschmackserlebnis.

Ein kleiner Tipp für jeden Filterkaffee-Fan: Frisch gemahlenes Kaffeepulver bewahrt die Aromen und kann den Geschmack spürbar verbessern.

Nespresso DeLonghi Kapselmaschine – Schweizer Präzision

Unsere größte Überraschung der Blindverkostung? Unsere alte, seit Jahren ausgemusterte DeLonghi-Kapselmaschine, die wir mit Nespresso-Kapseln gefüttert hatten. Doch wie gut ist der bis ins letzte Aroma abgestimmte Nestlé-Kaffee im Vergleich zu echtem Specialty Coffee? Die Kapselmaschine zeigt eindrucksvoll, wie einfach es sein kann, Kaffee zuzubereiten – der nächste Koffein-Kick ist nur einen Tastendruck entfernt. Das erschreckende Ergebnis in unserer Blindverkostung: Der Kapselkaffee von Nespresso erhielt die höchste Zustimmung unserer testenden Community. Warum? Bitte weiterlesen!

Die Welt der Geschmacksrichtungen bei Nespresso ist enorm. In unserer Blindverkostung griffen wir auf Peru Organic zurück – eine eher milde und fruchtige Sorte.
Der nächste Koffein-Kick ist mit den bis ins letzte Aroma abgestimmten Nespresso-Kapseln nur einen Tastendruck entfernt.

Die Stunde der Wahrheit

Über 100 ausgefüllte Testbögen, hitzige Diskussionen, fragende und verwirrte Gesichter – und mittendrin einige echte Kaffee-Connaisseure. Was haben wir aus der Blindverkostung gelernt? Hier ist unsere zentrale Erkenntnis: Geschmack ist nicht nur Geschmackssache.

70 % der Testenden bevorzugten Kaffee aus unserer alten Nespresso DeLonghi Maschine. No way! Oder vielleicht doch?

Warum schmeckt der Wein, den wir zu handgemachter Pasta in einem kleinen, charmanten Restaurant in der Toskana genießen, so viel besser als derselbe Wein, den wir mit nach Hause genommen haben? Oder warum bevorzugen Vino-Neulinge oft leichtere, süßere Weine, während man – je tiefer man in die Welt eines Sommeliers eintaucht – zunehmend komplexe Aromen und trockene Tropfen schätzt?

Kaffee ist wie Wein: eine Wissenschaft für sich. Und je tiefer man sich damit beschäftigt und lernt, Geschmacksnoten zu erkennen und zu benennen, desto klarer entstehen Geschmacksbilder. Uns geht es dabei genauso wie den meisten Blindverkostern und sicherlich vielen von euch – zumindest, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind: Wir haben wenig bis gar nicht entwickelte Kaffee-Geschmackssinne und tun uns schwer, einzuordnen, was wir da eigentlich genau schmecken. Im besten Fall können wir sagen: Es schmeckt uns oder es schmeckt uns nicht – und können das ein bisschen begründen. Aber ob wir wirklich die fruchtigen Nuancen von Beeren oder Zitrusfrüchten, die floralen Töne von Jasmin, oder die süßen Anklänge von Karamell und Honig herausschmecken, ist oft unklar. Die schokoladigen und nussigen Noten, die manchen Kaffee so verführerisch machen, oder die subtilen würzigen Anklänge von Zimt und Muskatnuss, die wiederum andere Tassen besonders machen, bleiben oft vage. Und während wir vielleicht die erdigen oder holzigen Nuancen wahrnehmen, die an Tabak oder Zedernholz erinnern, fehlt uns oft das Vokabular und die Erfahrung, um sie wirklich zu identifizieren und zu schätzen.

In der Blindverkostung wurde gegurgelt und geschmatzt, geschwenkt und gerührt, gerochen und geschnüffelt …
… um am Ende unseren Testbogen mit 15 verschiedenen Kriterien bestmöglich ausfüllen zu können.

Was ist Kaffeegenuss dann, wenn es nicht nur Geschmackssache ist? Es ist ein Erlebnis – und so wie ihr in dem Firmenportrait von Siebträgermaschinen-Tuner rb.crafts lesen könnt, trinkt auch das Auge mit. Das merken wir tagtäglich bei uns im Office, wenn wir Gäste haben und diese den Kaffee aus unserer dreigruppigen Faema-Siebträgermaschine feiern. Und das gleiche Phänomen zeigte sich auch auf der EUROBIKE – alle Standbesucher schwärmten vom Kaffee unserer La Marzocco Siebträgermaschine. Sieht man, aus welch edler Siebträgermaschine der Kaffee kommt, ist unsere (vorschnelle) Schlussfolgerung: Wow – dieser Kaffee muss gut sein. Hätten wir den Kaffee aus unserer alten Nespresso-Maschine laufen lassen, hätte das keiner gesagt! Ironischerweise empfanden 70 % der Blindverkoster genau diesen Kaffee dann aber als leckerer!

Homework: Nespresso-Blindverkostung

Zurück im Office wollten wir der Sache weiter auf den Grund gehen: Wie gut ist der Nespresso-Kaffee wirklich? Das Interessante: Befasst man sich mit Nespresso-Kaffee und macht hier zwischen unterschiedlichen Kapseln und Nachfüllkapseln mit frisch gemahlenem Kaffee den Blindvergleich, eröffnen sich auf einmal neue Welten.

„Kaffee verliert in den ersten 20 Minuten 60 % des Aromas“ weiß rb.crafts-Gründer Robert. Die Lösung beim Kapselmaschinen-Kaffee? Dank nachfüllbarer Nespresso-Kapseln kann man auch frisch gemahlenes Kaffeepulver verwenden und neue Geschmackswelten erschließen – so wird aus Massenware quasi Specialty-Coffee. Und so ergibt sich selbst mit einer DeLonghi-Kapselmaschine eine riesige Spielwiese zum Ausprobieren, Verkosten und Tüfteln. Die Erkenntnis: Klassische Nespresso-Kapseln schmecken vertraut und damit erstmal gut. Aber verkostet man länger, ergeben sich im direkten Vergleich zu frisch gemahlenem Kaffeepulver auf einmal gewaltige Unterschiede: Während die Kapseln mit frisch gemahlenem Pulver neue Nuancen entfalten, schmeckt der Kaffee aus klassischen Kapseln ziemlich tot. Deshalb unser Tuning-Tipp: Kaffee frisch mahlen und selbst verkapseln.

Kaffee für alle! Vom High-End-Barista bis zum Filterkaffee-Fan – bei uns kommt jeder auf seine Kosten (und seinen Koffeinpegel)!
Wie viel lässt sich geschmacklich mit wiederverwendbaren Kapseln aus der Nespresso-Maschine rausholen?

Kaffeezubereitung ist eine genauso große Kunst wie die Verkostung, und je tiefer man eintaucht, desto schneller entdeckt man eine faszinierende Welt der Sinne, die man immer weiter und feiner entwickeln kann. Und mit der Erfahrung verändert sich auch der Geschmack. Die schöne Nachricht: Die DeLonghi-Kapselmaschine beweist, dass es nicht immer die teuerste und aufwendigste Methode sein muss, um einen Specialty-Coffee zu genießen. Die einfache Handhabung und die konstante Qualität machen sie zu einer attraktiven Option für alle, die schnell und unkompliziert ihren Kaffee zubereiten möchten.

Fazit

3 Dinge haben wir gelernt: Erstens: Geschmack ist nicht nur Geschmackssache, sondern auch von Storytelling und Erlebnissen geprägt – wie der Wein, der unter der Sonne der Toskana in Gesellschaft von Freunden einfach besser schmeckt als allein zu Hause. Zweitens: Bei unserer Blindverkostung schnitt Nespresso-Kaffee bei uns und vielen anderen Kaffeeliebhaber besser ab als der aus einer 5.000-€-Kaffeemaschine. Zum Glück genießen wir Kaffee aber nicht blind, sondern zelebrieren seine Zubereitung mit allen Sinnen – und siehe da: Plötzlich schmeckt auch der Kaffee besser. Drittens: Im Gegensatz zur Nespresso-Maschine ist eine Siebträgermaschine zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber nur die halbe Miete – man muss lernen, das Beste aus ihr herauszuholen. Und das ist ein nie endender und aufregender Prozess!

Words: Jan Fock, Robin Schmitt Photos: Antonia Feder, Robin Schmitt