Mit der R Cinquantotto will der italienische Siebträgermaschinen-Hersteller Rocket Barista-Träume wahr werden lassen: Dualboiler, Faema E61-Brühgruppe und ein auf Hochglanz poliertes Edelstahlgehäuse bringen ordentlich Italo-Flair in die heimische Küche. Doch überzeugt die Nachfolgerin der Rocket R58 im Test auch durch ihren Espresso oder ist sie nur eine glänzende Dampfmaschine?

Rocket Espresso R Cinquantotto | Preis: 2.690 € | Farbe: Edelstahl, Hochglanz | Gewicht: 31 kg | Hersteller-Website

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Wer morgens genervt seinem Vollautomaten beim Rattern, Röcheln und Gurgeln zuhört, weiß: Der Traum vom perfekten Espresso endet viel zu oft in einem verbrannten Kompromiss. Wer keine halben Sachen mehr will, landet zwangsläufig bei einer Siebträgermaschine. Edelstahl, Handarbeit, volle Kontrolle – klingt gut, oder? Doch wie viel Geld und Liebe braucht es wirklich für die perfekte Specialty Coffee-Kreation?

Genau hier rückt der Hersteller Rocket Espresso aus Mailand ins Rampenlicht und präsentiert mit der 2.690 € teuren R Cinquantotto den Nachfolger der beliebten R58 Siebträgermaschine. Ist sie wirklich besser als andere Maschinen in dieser Preisklasse? Oder kommt es am Ende doch mehr auf die Bohnen und die Barista-Skills an?

Unser Test zeigt, ob die Rocket R Cinquantotto wirklich der Ferrari unter den Siebträgermaschinen ist – oder doch eher eine Diva, die einem mehr Probleme als Espresso einflößt. Wir haben die Maschine im Office auf Herz und Bohnen getestet, dutzende Kilo Kaffee durchgejagt und dabei herausgefunden, ob sie den italienischen Espresso-Traum wirklich wahr macht. So viel vorab: Die Maschine ist definitiv heiß!

Im Test: Was kann die Rocket R Cinquantotto?

Das 2007 in Mailand gegründete Unternehmen Rocket Espresso ist längst eine Marke mit Kultstatus. Mitgegründet von einem passionierten Rennradfahrer steht Rocket seit jeher für Espressogenuss Made in Italy. Doch bei der ersten Handhabung fallen direkt die Bedienelemente und Siebträgergriffe aus Plastik ins Auge. Diese wirken bei einem Preis von rund 2.700 Euro fehl am Platz. Hierfür hätten wir uns – wie auch schon bei unserem Test der La Marzocco Linea Mini R – Holzgriffe zum Beispiel von Tunern wie RB.Crafts gewünscht, die den Genuss optisch als auch haptisch abrunden. Das Auge trinkt schließlich mit!

So shiny, dass du dich darin spiegelst — nur die Plastikgriffe wirken fehl am Platz.

Wie viele andere High-End-Modelle braucht auch diese Espressomaschine Zeit zum Aufheizen. Nach dem Einschalten ist sie nach rund 15 Minuten bereit für den ersten Espressobezug, um auf die richtige Temperatur aufzuheizen. Die Rocket R Cinquantotto setzt hierfür auf ein Dualboiler-System, das durch zwei getrennte Kessel für erstklassige Temperaturstabilität sorgt. Dank der automatischen PID-Steuerung, die die Temperatur elektronisch präzise reguliert, könnt ihr Brüh- und Dampftemperatur unabhängig voneinander in 1-Grad-Schritten anpassen: Die Brühwassertemperatur ist zwischen 90 und 100 °C einstellbar – und lässt sich damit optimal an jede Bohne und Röstung anpassen. Der Dampfkessel liefert mit 117 bis 126 °C immer genug Power für feinporigen Milchschaum aus Kuh- und Hafermilch.

Das Dualboiler-System kann vor allem dann glänzen, wenn es eigentlich stressig wird: Espresso brühen und Milch gleichzeitig aufschäumen? Kein Problem. Selbst nach mehreren Espresso-Bezügen hintereinander fällt die Temperatur nicht ab – vorausgesetzt, es ist genug Wasser im Tank. Das seitlich platzierte Touchscreen-Modul ist serienmäßig enthalten und macht die Temperatursteuerung angenehm einfach. Einfach am Gehäuse eingesteckt bietet es schnellen Zugriff auf alle relevanten Einstellungen.

Optisch ist es gewöhnungsbedürftig und kombiniert analoges Italo-Flair mit Panasonic-Gerät-Feeling – das erinnert an den Moment, als das Tamagotchi plötzlich ein Farbdisplay bekam. Immerhin: Es verschwindet bei Bedarf einfach in der Schublade, damit die Maschine in voller Edelstahl-Pracht glänzen kann. Am edlen Gehäuse bleibt dann nur noch der Shottimer, der aber unauffällig integriert ist und automatisch startet, sobald der Hebel für die Extraktion umgelegt wird.

Das Touch-Display zur Steuerung von Dampf- und Brühtemperatur wird seitlich eingesteckt und mit USB-A verbunden. Bei Bedarf kann es für eine cleanere Optik abgenommen werden.
I want YOU… to drink more Espresso!

Im Herzen der Cinquantotto arbeitet die ikonische Faema E61-Brühgruppe, die seit 1961 ein fester Bestandteil der Espresso-Welt ist. Sie soll durch ihren internen Wasserkreislauf inklusive Rotationspumpe für eine konstante Temperatur sorgen. Zusammen mit der mechanischen Preinfusion, bei der der Kaffeepuck vor der Extraktion leicht angefeuchtet wird, verspricht der Hersteller so ein gleichmäßiges Espresso-Ergebnis. Der Nachteil? Die E61-Brühgruppe benötigt rund 20 Minuten zum Aufheizen und erfordert regelmäßige Wartung, da sie rückgespült werden muss, um Kaffeereste und Öle aus dem System zu entfernen. Dank verbesserter Isolierung und effizienter Boilersteuerung schafft es Rocket aber, die Aufheizzeit ihres Systems auf 15 Minuten zu reduzieren. Und das Ergebnis? Egal, ob erfahrener Barista oder Siebträger-Neuling – die Rocket R Cinquantotto liefert durchweg konstante Shots. Unsere Tester erzielten – dank perfekt eingestellter Mühle – eine dichte, goldbraune Crema und einen geschmacklich ausbalancierten Espresso, der auf Anhieb überzeugt.

Die Cinquantotto lässt sich entweder über den integrierten Wassertank oder einen Festwasseranschluss betreiben. Unsere klare Empfehlung: Festwasseranschluss – natürlich mit Wasserfilter. Warum? Der Tank ist nicht entnehmbar, nur von oben befüllbar und wird bei längerer Nutzung spürbar warm – ein perfekter Nährboden für Bakterien. Das macht die Reinigung mühsam und das Nachfüllen besonders in Küchen mit Hängeschränken zur echten Herausforderung. Im Vergleich zur La Marzocco Linea Mini, bei der uns schon die umständliche Entnahme des Tanks missfiel, fällt Rocket diesbezüglich richtig aus dem Raster – denn hier gibt es gar keine Möglichkeit zur Entnahme. Es sei denn, man entfernt zuerst umständlich die innen liegenden Schrauben, mit denen der Tank am Gehäuse befestigt ist. Wer auf Hygiene und Komfort Wert legt, sollte daher unbedingt den Festwasseranschluss in Betracht ziehen.

In Sachen Brühgruppe setzt Rocket bei der R Cinquantotto auf die bewährte Faema E61-Brühgruppe, die wir selbst seit Jahren verwenden.
Die mitgelieferten Siebträger haben einen fest verbauten Ausflusseinsatz, der sich weder wechseln noch entfernen lässt. Dadurch lässt sich der faszinierende Moment der Exktration durch das Sieb nicht direkt verfolgen.

Auch die kraftvolle Schaumlanze der Rocket R Cinquantotto kann sich in unserem Test sehen lassen: Mit mehreren Aufsätzen, die unterschiedliche Lochgrößen und -anzahlen haben, ermöglicht sie maximale Flexibilität. Besonders der 1,2-mm-Doppelloch-Aufsatz zaubert feinporigen Milchschaum – perfekt für Latte Art. Während des Schäumens wird die Lanze nur langsam warm und erhitzt so die Milch besonders schonend. Im Vergleich zu Cool-Touch Dampflanzen bleibt sie allerdings etwas länger warm, was dazu führt, dass die Milch schneller erhitzt wird und dadurch weniger Zeit für eine feinporige, cremige Schaumtextur bleibt.

Ihr setzt bei euren täglichen Espressi auf Profi-Features wie Pressure-Profiling, um den Brühdruck auf die Bohnen während der Extraktion flexibel anzupassen? Dann solltet ihr lieber noch etwas mehr Geld in die Hand nehmen. Denn im Vergleich zur teureren Rocket R Nine One arbeitet die R Cinquantotto mit konstanten neun bar Druck – für die meisten Heimanwender ist das aber völlig ausreichend. Im Test hat uns die Rocket R Cinquantotto durch ihre hochwertige Verarbeitung und ein exzellentes Espresso-Erlebnis insgesamt überzeugt.

Braucht man diese High-End Espressomaschine?

Die Rocket Cinquantotto ist perfekt für alle, die Espresso lieben und keine Kompromisse eingehen wollen. Gerade wenn ihr Wert auf Langlebigkeit, Temperaturstabilität und die Möglichkeit legt, mehrere Cappuccini hintereinander in gleichbleibender Qualität zuzubereiten. Besonders die bewährte Faema E61-Brühgruppe überzeugt seit Jahrzehnten durch ihre Robustheit und hohe Qualität. Der optionale Festwasseranschluss ist ein Segen für Vieltrinker, Büroküchen und auch hygienebewusste Genießer, und wer gerne Latte-Art zaubert, wird die kraftvolle Schaumlanze lieben.

Nicht geeignet ist sie für Experimentierfreudige, die mit Pressure-Profiling spielen wollen, oder für Gelegenheits-Trinker, denen ein günstiges Einsteigergerät mit ein- bzw. zweikreisigem Wasserlauf genügt. Für die Rocket Cinquantotto braucht ihr außerdem Platz – sowohl in der Küche als auch im Budget. Wenn ihr aber bereit seid, diese Investition einzugehen, erhaltet ihr eine Espresso-Perfektion, die euch jeden Morgen mit italienischem Flair verwöhnen wird.

Würden wir die Rocket Espresso R Cinquantotto kaufen?

Ja – aber nur, wenn wir gleichzeitig auch bereit sind, in eine hochwertige Mühle zu investieren. Denn so gut die R Cinquantotto auch ist: Ohne eine präzise Mühle bleibt der Traum vom perfekten Espresso genau das – ein Traum. Mahlgrad, Konsistenz und Bohnenherkunft spielen eine viel größere Rolle für die Qualität als die Maschine selbst. Wer hier spart, wird selbst mit der besten Siebträgermaschine nur mittelmäßigen Kaffee brühen.

Für rund 2.700 € bekommt man mit der Rocket R Cinquantotto eine High-End-Espressomaschine, die anspruchsvolle Baristas und Koffeinjunkies begeistern kann. Ihr Dualboiler-System, die robuste Faema E61-Brühgruppe und der optionale Festwasseranschluss machen sie zu einer echten Bereicherung für Liebhaber von Specialty Coffee.

Aber: Die Plastikgriffe an Siebträger und Drehelementen wirken in dieser Preisklasse fehl am Platz. Hier hätten wir uns mehr Liebe fürs Detail gewünscht. Im Vergleich zur La Marzocco Linea Micra ist die Cinquantotto etwa 500 € günstiger, bietet aber auch weniger „Wow-Faktor“, da Rocket auf klassisches Edelstahl-Design statt knallige Farben setzt. Auch die bessere Performance der Cool-Touch-Schaumlanze der Konkurrenz fehlt hier ein wenig, da die Lanze der Cinquantotto beim Schäumen wärmer wird, schneller Milch überhitzen kann und nicht sofort wieder angefasst werden kann. Dennoch beeindruckt sie im Test mit feinporigem Milchschaum – vorausgesetzt, der Barista versteht sein Handwerk.

Kurzum: Für anspruchsvolle Heim-Baristas, die Wert auf Tradition im edlen Gewand, Langlebigkeit und italienischen Kaffeegenuss legen, ist die R Cinquantotto eine lohnende Investition – solange ihr auch im Besitz einer erstklassigen Mühle seid. Wer aber eher ausgefallenes Design oder besondere Features wie Cool-Touch-Lanzen und edlere Details im Sinn hat, sollte sich auch die Alternativen anschauen.

Tops

  • hochwertig polierte Edelstahl-Optik
  • Dualboiler mit präziser PID-Steuerung über abnehmbares Touch-Display
  • Möglichkeit zum Festwasseranschluss
  • langlebige Faema E61-Brühgruppe

Flops

  • schlecht erreichbarer und nicht entnehmbarer Wassertank
  • Plastik-Armaturen stören die ansonsten hochwertige Optik
  • optisch misslungene Integration des Touch-Displays
Mamma mia, che buono!

Words: Jan Fock Photos: Jan Fock, Robin Schmitt