Offroad mit dem Cargo-Bike? – Wäre, als würde man mit einem Lieferwagen über den Feldweg heizen! Bestimmt lustig, aber sinnlos. Das soll aber mit dem R&M Packster2 70 Touring-Lastenrad möglich sein. Zumindest vollgefedertes Fahrwerk, ABS-Bremssystem und Offroad-Bereifung lassen das vermuten. Ist das Packster2 also der perfekte Allrounder?

Riese & Müller Packster2 70 Touring | Bosch Cargo Line/750 Wh | 80/80 mm (v/h)
56 kg in Größe One Size | 9.848 € | Hersteller-Website

Der deutsche Lastenrad-Experte und Gigant Riese & Müller hat sich ganz dem pulsierenden Stadtleben verschrieben und schickt nicht nur eins, sondern gleich zwei Bikes in den Lastenrad Test. Das Riese & Müller Packster2 70 Touring kommt als Long John, sprich, das Gewicht sitzt frontlastig und vor dem Fahrer platziert auf dem Bike. Das Packster2 ist eine Mischung aus den im Portfolio bestehenden Lastenrädern Load, das schon 2020 den Cargo-Bike-Vergleichstest gewonnen hat, und dem Vorgängermodell Riese & Müller Packster 70. Das Packster2 70 Touring hat vom Load-Modell das vollgefederte Fahrwerk und vom Packster-Modell die praktische Transportkiste an der Front bekommen und somit das beste aus zwei Welten kombiniert. Der Hersteller bietet zusätzlich einen umfangreichen Konfigurator an, der das Bike an die verschiedenen Fahrertypen anpassen lässt und über das normale Zubehör hinausgeht. So viele Konfigurationsmöglichkeiten kann sonst nur Ultima im Testfeld anbieten. Durch das vollgefederte Fahrwerk in unserer Ausstattung, also eine Federgabel an der Front und ein Federelement am Heck, stellt es den Offroader in unserem Cargo-Bike-Vergleichstest dar. Denn kein anderes Bike kommt mit Federgabel und einem Dämpfer. Alternativ gibt es das Bike auch als Hardtail-Modellversion mit lediglich einer Federgabel an der Front. In unserer Ausstattung mit Control Technology Package und weiteren Zusätzen kostet das Packster2 70 Touring 9.848,20 € und kann je nach Einsatzgebiet noch teurer werden. Der Basispreis startet ab 7.699 € und stellt zu unserem Bike eine Preisdifferenz von 2.149,20 € dar. Mit dem Differenzbetrag könnte man fast schon das billigste Cargo Bike in unserem Lastenrad Test, das BTWIN Cargo, kaufen.
Insgesamt liegt das Packster damit deutlich über dem Durchschnittspreis von 6.536 € der Cargo-Bikes im Lastenrad Test und ist mit Abstand das teuerste Bike im Testfeld.
Für den Preis eines gebrauchten Kleintransporters geht das Packster2 also über die Ladentheke. Durch das Lebendgewicht von 56 kg könnt ihr den dann auch gleich zur Abholung des Cargo-Bikes nutzen. Doch ist es genauso gut oder vielleicht sogar noch besser als ein Kleintransporter?

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Cargo-Bike – Die 12 heißesten Bikes im großen Vergleichstest.

Was darfs sein? – Was macht das Riese & Müller Packster2 70 Touring im Lastenrad Test besonders?

Nur einen halben Meter kürzer als der Radstand eines VW T5/T6 Multivans – nicht schlecht!

Das Packster2 versucht sein auffälliges Aussehen durch die dezente schwarze Lackierung zu verstecken, denn auf den ersten Blick wirkt das Lastenrad bullig und ist mit einer Länge von 2,54 m eines der größten Bikes im Test. Doch der wuchtige Look ist trotz der dezenten Farbe klar erkennbar und auch im Vergleich zum Specialized Porto wirkt es einfacher. Hier wird deutlich, dass der Fokus mehr auf Robustheit und Funktionalität als auf organischem Design gelegt wurde. Dadurch wirkt es etwas altmodisch. Auffällig ist auch die Lenkerstange, die wie ein Kapitänsmast auf einem Schiff aus der Transportbox und Silhouette des Bikes herausragt.

Das Packster2 70 Touring kommt mit vollgefedertem Fahrwerk und sorgt somit im Stadtverkehr für extrem hohen Fahrkomfort.
Gut versteckt!
Ein kleines Handschuhfach, das hinter der Lenkerstange sitzt, bietet Platz für Kleinigkeiten und kann per Schlüssel abgesperrt werden.
Wer mit dem Packster2 einen Ausflug über Wald- und Feldwege machen will, ist mit der grobstolligen Bereifung gut bedient.

Die große, fest installierte Transportbox an der Front trägt 70 kg Gewicht und auch ohne Probleme zwei Sprudelkisten. R&M gibt ein Ladevolumen von 240 l an (mit hohem Boxcover für 299 € sind laut R&M sogar 375 l Ladevolumen möglich). Die Box wurde aus stoßabsorbierendem Polypropylen-Schaum (EPP) gefertigt und beinhaltet außerdem ein absperrbares Handschuhfach, das Platz für zwei Taschenbücher bietet. Das teilt sich den Schlüssel mit der Akkuentnahme und dem ABUS-Ringschloss, das am Hinterrad sitzt und vor Langfingern schützen soll. Im Konfigurator lässt sich die Transportbox mit Doppel-Kindersitz (120 €), Cargo Carry System, einem cleveren Transportsystem mit Trennwänden und Ösen für die Transportbox (200 €) und sogar mit Dreifach-Kindersitz (290 €) ausstatten. Auch Zusätze wie ein Kinderverdeck (300 €) oder ein einfaches Verdeck (80 €) sind konfigurierbar, aber immer mit Zusatzkosten verbunden. Die Anschraubpunkte am Sitzrohr bieten die Möglichkeit, den Heckträger für 49,90 € dazu zu konfigurieren, der nochmals 15 kg Lasten tragen kann. Dadurch wird das Gepäck am Heck zusätzlich gefedert und selbst ein Kuchen überlebt so die Fahrt ohne Schäden bis zum Picknickplatz am See. Wer noch mehr Lasten mit dem Riese & Müller Packster2 transportieren will, kann sich auch noch einen Zweispuranhänger, wie den VEOLO Cargo-Lastenanhänger aus unserem Test, montieren. Dann empfiehlt es sich jedoch, einen LKW-Führerschein mit Anhänger zu machen, um das Lastentier noch steuern zu können.

Das Größenkonzept geht am Packster2 70 Touring gut auf, denn das Cargo-Bike lässt sich leicht verstellen. Lenkerhöhe und auch Sitzrohr lassen sich durch den Schnellspanner passend machen und auf viele Fahrertypen einstellen. Doch ganz so genial wie beim internen Konkurrenten und Primus in dieser Kategorie, dem Riese & Müller Multitinker, ist die Verstellbarkeit dann doch nicht. Denn als i-Tüpfelchen fehlt es dem Packster2-Lastenrad noch an einem winkelverstellbaren Vorbau.

Geht es steil bergab, verzögert das Packster2 sogar auf Schotterwegen zuverlässig und das ABS-Bremssystem verhindert das Blockieren des Vorderrads. Ein sinnvolles Feature, was wir uns bei mehr Cargo-Bikes im Test wünschen würden.
Wählt man das RX Connect-Paket im Konfigurator aus, kommt das Packster2 mit einem Ortungschip mit Bewegungsalarm, der vor Langfingern schützen soll.

Um das R&M Packster2 70 Touring nicht nur mit eigener Muskelkraft in Bewegung zu setzen, verbaut der Hersteller den Bosch Cargo Line-Motor, der mit 85 Nm den Fahrer unterstützt und speziell für Transportaufgaben konzipiert wurde. Gespeist wird der Motor vom Bosch PowerTube-Akku mit 750 Wh, der unter der Transportbox, links im Batterieschacht, Platz findet. Wer auch den rechten Batterieschacht füllen will, kann das entweder à la Paris-Style mit einem Baguette oder durch ein Upgrade für 1.299,90 € für eine zweite Batterie vornehmen. Dadurch erhöht sich dann die Akku-Kapazität auf ganze 1.500 Wh. Damit sollten auch längere Touren ohne Zwischenladestopps kein Problem sein. Wem das Bosch Intuvia 100-Display nicht gefällt, kann auch das übersichtlichere Kiox 300-Farbdisplay für 49,90 € Aufpreis wählen. Das kann direkt als digitaler Schlüssel mit Bosch eBike Lock verwendet werden und liefert sogar eine rudimentäre Navigationsfunktion. Zwar bietet das Bosch Smart System einen optionalen Diebstahlschutz mit Ortungsfunktion an, sofern man ein Connect-Modul nachrüstet, aber Riese & Müller hatte schon lange vor Bosch das RX Connect-Paket (149,90 € ) entwickelt. Im Paket enthalten ist ein Chip, durch den die Ortung des Lastenrads möglich ist und ein Bewegungsalarm aktiviert wird. Für weitere Dienstleistungen ist das RX Connect-Paket Grundvoraussetzung. Mehr Diebstahlschutz als das Riese & Müller Packster2 bietet kein anderes Bike.

Für mehr Sicherheit bei der Fahrt dient das ABS-Bremssystem an unserem Bike (499,90 € Aufpreis), das Teil des Bosch Smart Systems ist. Das verhindert effektiv ein blockierendes Vorderrad und bringt selbst bei schlechten Fahrbahnbedingungen das Maximum an Traktion auf die Fahrbahn. Für den nötigen Komfort sorgt schlussendlich das SR Suntour-Fahrwerk mit 80 mm Federweg vorne und hinten. Tritt man die Rückreise vom Grillplatz erst in den späten Abendstunden an, sorgt die erstklassige Supernova M99 MINI PRO-Frontlampe mit Fernlichtfunktion, die Teil des Control Technology Packages ist, für ausgezeichnete Sicht.

Riese & Müller Packster2 70 Touring

9.848 €

Ausstattung

Motor Bosch Cargo Line 85 Nm
Akku Bosch Powertube 750 750 Wh
Display Bosch Kiox 300
Fork Suntour Mobie 34 CGO Boost 80 mm
Dämpfer X-Fusion Glyde 80 mm
Sattelstütze Alu
Bremsen MAGURA MT C ABS 180/220 mm
Schaltung Shimano Deore XT 1x11
Lenker Satori Horizon 620 mm
Laufradsatz Mach1 Trucky30 20"/26"
Reifen Schwalbe 20" Smart Sam Plus 60-406 ECE-R75*; Schwalbe Smart Sam Plus 57-559 Reflex* 2,35"/2,25"

Technische Daten

Größe One Size
Gewicht 56 kg
Zul. Gesamtgewicht (zGG) 200 kg
Max. Zuladung (Fahrer) 144 kg
Anhänger-Freigabe ja
Ständeraufnahme ja

Besonderheiten

MAGURA MT C ABS
Supernova-Lichtanlage

Tuning-Tipp: Zubehör: Control Technology Package mit Hinterbau-Federung für mehr Komfort im Konfigurator wählen.

Das Riese & Müller Packster2 70 Touring im Lastenrad Test – Eine Bergziege im Großstadtdschungel?

Wenn man sich für das Packster2 entscheidet, sollte man gleichzeitig einen großen Abstellplatz in der Garage haben, denn in den Keller heruntertragen oder das Lastenrad aufstellen, ist aufgrund des Gewichtes und der Bauform nicht möglich. Das Aufbocken des Packster2 funktioniert hingegen ohne Probleme, denn der Ständer hat einen Fußhebel, sodass das Bike trotz hoher Beladung noch recht einfach auf den Ständer zu bekommen ist. Das Aufsteigen gestaltet sich für den Fahrer jedoch etwas schwieriger. Denn bei dem knapp 60 cm hohen Durchstieg im aufgebockten Zustand muss hier der Fuß relativ hoch gehoben werden. Durch die Schnellspanner an Lenkerstange und Sattelrohr lässt sich das Packster2 schnell an verschiedene Fahrer anpassen. Beim Aufsitzen macht sich die leicht gestreckte Sitzposition auf dem Lastenrad bemerkbar.

Der Konfigurator am Riese & Müller Packster2 70 Touring strotzt mit umfangreichen Auswahlmöglichkeiten.

Die Seilzuglenkung ermöglicht dem großen Packster2 einen kleinen Wendekreis und lässt sich so leicht aus der Hofeinfahrt rangieren.
Geht es mit dem Packster2 bergauf, überzeugt die Bandbreite der Kettenschaltung und ihr schafft es mit dem Lastenrad auch ohne große Anstrengungen zu eurem Versteck den Montmartre hinauf.

Der größte Nachteil ist jedoch das Anfahren, denn das Bike fährt sich anfangs und mit wenig Übung etwas wackelig. Die Balance zu finden, benötigt Eingewöhnungszeit und man sollte vorab auf dem Parkplatz mit hoher Beladung ein paar Übungsstunden absolvieren, um sich an das Lenkverhalten zu gewöhnen. Auch die fehlende Teleskopsattelstütze erschwert das Halten und Anfahren an Ampeln. Hat man aber erstmal den Dreh raus und ist unterwegs, vermittelt das Packster2 viel Fahrstabilität und Sicherheit im Straßenverkehr. Dazu trägt auch das ABS bei, durch das sich kurze Bremswege erreichen lassen und selbst auf Schotterwegen das Blockieren des Vorderrades zuverlässig verhindert. Die Lenkung per Seilzug ermöglicht superkleine Wendekreise für solch ein großes Bike, wodurch es aber etwas an Feedback vom Vorderrad fehlt. Hier ist die Konkurrenz mit Lenkerstange, wie beispielsweise das i:SY Cargo, präziser. Treibt man das zulässige Gesamtgewicht von 200 kg auf die Spitze, fährt sich das Bike etwas schwerfällig, aber durch die Seilzuglenkung dennoch wendig und geht einfach um Kurven.

Durch das Fahrwerk ist das Packster2 gut gefedert und auch beim Überfahren von Bordsteinen oder Schlaglöchern im Asphalt vermittelt es zum einen Fahrstabilität und zum anderen extrem hohen Komfort. Die Stollenreifen und das ABS machen das Packster2 auch offroadtauglich. Feld- oder unbefestigte Waldwege bis zum Grillplatz sind so bequem und sicher befahrbar. Kein Bike im Vergleichstest hatte mehr Fahrkomfort zu bieten als das Packster2 70 Touring.

Aber Vorsicht an alle Big Foots: Bei großen Fahrern können schnell die Füße am Ständer oder an der Box hängenbleiben. Geht die Straße steil bergauf, klettert das Packster2 zuverlässig wie eine Bergziege und schafft es durch die große Bandbreite der Shimano DEORE XT-Schaltung und dank des starken Motors jeden Berg hinauf.

Der MIK-Gepäckträger vorne sowie die große Ladefläche am Heck mit MIK-System ermöglichen es, schnell und unkompliziert Zubehör am Lundi zu montieren.

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Für wen ist das Riese & Müller Packster2 70 Touring? Und für wen nicht?

Durch den umfangreichen Konfigurator kann man sich das Packster2 perfekt auf das bevorzugte Einsatzgebiet und die persönlichen Vorlieben zuschneiden. Dadurch ist es nicht nur attraktiv für Eltern mit Kindern, sondern auch für Pendler, die auf dem Weg zur Arbeit auch neben dem Asphalt unterwegs sind. Auch Transport-Helden wie Post, Pizza und Co. finden mit dem Packster2 einen zuverlässigen Partner. Mit Dual-Battery-Option und hohem Fahrkomfort durch das vollgefederte Fahrwerk ist es auch für den Langstrecken-Fahrer attraktiv. Wer jedoch keinen geeigneten Stellplatz zu Hause hat, wird hier nicht glücklich. Wer sich dennoch ein Lastenrad in der Long-John-Bauweise zulegen will, wird eher bei kompakteren Bikes, wie dem i:SY Cargo, fündig. Sparfüchse sollten sich aufgrund des hohen Preises beim Kauftipp umsehen.

Fazit zum Riese & Müller Packster2 70 Touring

Das Riese & Müller Packster2 ist zwar das teuerste Bike im Testfeld, bringt aber auch die höchste Performance. Von den anfänglichen Übungsstunden sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn das Packster2 überzeugt als guter Allrounder, der vielseitig, komfortabel und schon ab Werk gut ausgestattet mit vielen cleveren Features und hochwertigen Komponenten kommt. Dadurch gewinnt das Packster2 70 Touring verdient den Titel des TESTSIEGERS im Lastenrad-Test.

Tops

  • breites Einsatzgebiet
  • umfangreicher Konfigurator
  • höchster Komfort
  • stärkstes Connectivity-Paket
  • enorme Akkureichweite

Flops

  • hoher Platzbedarf
  • Big Foots stoßen gegen den Ständer
  • Fahrverhalten benötigt etwas mehr Eingewöhnungszeit

Mehr Informationen findet ihr unter r-m.de


Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Cargo-Bike – Die 12 heißesten Bikes im großen Vergleichstest

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Words: Benedikt Schmidt Photos: Antonia Feder, Robin Schmitt