In diesem Bike steckt geballtes Know-how: Für das Cyklaer E-Urban haben sich Storck, FAZUA und Porsche Digital zusammengetan. Herausgekommen ist ein E-Bike voll spannender Tech-Features, wie einem digitalen Rückspiegel. Ist es der große Wurf oder gilt hier das Sprichwort, viele Köche verderben den Brei? Unser Test zeigt es!

Cyklaer E-Urban mit Streetwear-Kit | 15,3 kg | 7.299 €

Schon auf den ersten Blick erkennt man, dass es sich beim E-Urban um kein gewöhnliches Bike handelt: Der Carbonrahmen mit seinem sportlichen Look samt eigenwilligen Knick im Oberrohr stammt aus der Feder von Storck Bikes und trägt wesentlich zum geringen Gesamtgewicht von nur 15,3 kg bei – trotz der alltagstauglichen Ausstattung mit Schutzblechen, Gepäckträger und Lichtanlage. Auch der Ride 50 Trail-Antrieb von FAZUA ist leicht, bietet mit 58 Nm aber auch eine ordentliche Leistung. Eine Besonderheit dieses Systems ist, dass sich die ganze Antriebseinheit mit Motor und dem Akku mit 250 Wh Kapazität aus dem Unterrohr herausnehmen lässt. So verwandelt man das E-Bike zum regulären Fahrrad, was weitere 3 kg an Gewicht einspart. Um es aber gleich zu sagen: Lasst den elektrischen Antrieb mit Akku unbedingt im Bike, denn nur dann stehen auch alle smarten Features zur Verfügung! Und genau die machen das Cyklaer E-Urban so einzigartig: Digitaler Rückspiegel, Dashcam, Navigation und GPS-Tracking mit Diebstahlschutz sind nur einige der Funktionen, die alle in der Cyklaer-App für Smartphones vereint sind. Verantwortlich dafür ist niemand Geringeres als Porsche Digital, die Digitaleinheit der Porsche AG.

Der Taster am Oberrohr ermöglicht auch die Nutzung des Bikes ganz ohne Smartphone.
Charakteristisch am sportlichen Carbon-Rahmen ist der Knick am Oberrohr.

Die Cyklaer-App macht das E-Urban zum Smart-Bike

Dass die Software konsequent aufs Smartphone ausgelagert wird, hat gute Gründe: In Bezug auf die Reaktionsschnelligkeit, Rechenpower, Konnektivität und das Display kann kaum ein anderes Gerät mithalten – zumal ohnehin fast jeder eines stets mit sich trägt. Platziert wird das Smartphone dann zentral am Vorbau, was einen optimalen Blick auf den Bildschirm erlaubt. Zudem wird es dort erfreulicherweise auch induktiv geladen. Gut so, denn das ständig eingeschaltete Display zehrt schneller am Smartphone-Akku, als einem lieb ist! Die Verbindung mit der Halterung erfolgt über das Befestigungssystem von SP Connect, welches zahlreiche passende Smartphone-Cases bietet. Zudem gibt es auch ein passendes Regenschutz-Cover, um das Smartphone vor Nässe zu schützen.

An der Funktion der Smartphone-Halterung kann man zwar wenig bemängeln, die Integration am Bike ist allerdings wenig elegant gelöst. Letztlich handelt es sich um ein aufgesetztes Zubehörteil, das optisch nicht zu einem solch stylishen Bike passen mag. Gleiches gilt auch für die Front- und Rückkameras, die ebenso den Eindruck erwecken, als seien sie im Nachhinein angeschraubt worden. Hier hätten wir uns einen deutlich höheren Grad an Integration gewünscht – zumal an anderer Stelle, wie bei den direkt in die Lenker-Vorbau-Einheit geleiteten Bremsleitungen, durchaus der Wille zu einem aufgeräumten Look erkennbar ist.

Das geht besser: Mit einer besseren Integration von Frontkamera und Smartphone-Halterung würde das Cockpit deutlich aufgeräumter wirken.
Funktional, aber nicht sehr schön anzuschauen: die aufgesetzte Smartphone-Halterung mit induktiver Lademöglichkeit.
Die Vorteile des Smartphones als Interface werden mit der Cyklaer-App deutlich: reaktionsschnelle Steuerung, gutes Display und flüssige Grafik.
Das Interface der App ist übersichtlich gestaltet und dank großer Buttons auch während der Fahrt leicht zu bedienen.

Immerhin: Sitzt man auf dem Bike, sieht man von den eben genannten Kritikpunkten nichts und man kann sich voll und ganz auf die App konzentrieren. Deren User Interface ist übersichtlich gestaltet und lässt dank großer Buttons eine einfache Bedienung zu – so reaktionsschnell und flüssig, wie man es vom Smartphone gewohnt ist. Ständig im Blick hat man im linken Bereich Infos zu Geschwindigkeit, Reichweite und Akkustand. Im Hauptbereich hingegen sind auf drei Reitern Navigation, Music-Player und Kameras untergebracht. Eben diese Kameras stellen dabei das Highlight des Cyklaer dar, gewähren sie doch eine Echtzeit-Ansicht von dem, was vor und vor allem hinter dem Bike passiert. Während die Funktion der Frontkamera dabei einer Dashcam gleicht und Aufnahmen der Fahrt zulässt, fungiert die rückwärtige Kamera tatsächlich als digitaler Rückspiegel. Man sieht damit einen sehr weitwinkligen Bildbereich von allem, was hinter einem passiert. Beachtlich ist hier die hohe Bildqualität – nicht nur bei hellem Sonnenschein, sondern auch bei schlechten Lichtverhältnissen und sogar in der Nacht. Den Schulterblick beim Abbiegen ersetzt dies zwar nicht ganz, vermittelt aber ein deutlich höheres Gefühl an Sicherheit!

Das herausragende Feature ist sicherlich der digitale Rückspiegel …
… das Bild wird hierbei von einer Kamera unterhalb des Sattels eingefangen.

Einige der genannten Features, wie das Tracking per GPS, stehen nur mit der Pro-Variante der App zur Verfügung, was nach einem Jahr mit monatlichen Kosten von monatlich 7,99 Euro verbunden ist. Damit ist die Steuerung von Musikdiensten wie Apple Music möglich, zudem lässt sich dann auch Apples Health-App einbinden. In diesem Zusammenhang muss man darauf hinweisen, dass die Cyklaer-App aktuell nur für Apples iPhone, nicht aber für Android-basierte Geräte verfügbar ist!

Auch die Ortung des Bikes per GPS ist in der Cyklaer-App integriert.

High-Tech auch bei der Hardware – Dank Carbon und elektronischer Schaltung

Kann bei einem solchen Software-Feuerwerk auch die Hardware des Bikes mithalten? Allerdings! Am E-Urban ist fast alles verbaut, was gut (und teuer) ist: So kommt die elektronische AXS Etap-Schaltung von SRAM zum Einsatz, welche kabellos mit dem Cockpit verbunden ist und Schaltvorgänge präzise und blitzschnell erledigt. Die Bandbreite der 12-fach-Kettenschaltung mit einer 10–36er-Kassette ist dabei eher auf eine hohe Geschwindigkeit in der Ebene als auf eine leichte Bewältigung von Anstiegen ausgelegt. Hier unterstützt dann vielmehr FAZUAS kraftvoller E-Antrieb, der sowohl leise als auch feinfühlig und ohne langen Nachlauf unterstützt. Dabei stehen drei Fahrmodi zur Auswahl, die zudem mit FAZUAS eigener App individuell an die eigenen Wünsche angepasst werden können.

Sogar die SRAM AXS eTap-Schaltung arbeitet elektrisch, ist dank eigener Stromversorgung auch unabhängig vom Akku des elektrischen Antriebs.

Mit der FAZUA-App ist auch die Steuerung des Motors selbst möglich, nicht aber mit der Cyklaers App – diese kann nur die aktuellen Fahrdaten abbilden. Zwar ist für den Nutzer nicht nachvollziehbar, dass das eigentliche digitale Cyklaer-Cockpit solche Basisfunktionen nicht erfüllt! In der Praxis ist dieser Makel aber halb so schlimm, denn das Bike verfügt am Oberrohr über einen einfach zu bedienenden Hardware-Taster, der neben der Steuerung des Antriebs auch den Akkustand anzeigt. Großer Vorteil: Wenn ihr das Smartphone also mal vergessen habt, steht einer Fahrt mit dem Cyklaer trotzdem nichts im Weg! Wer hingegen völlig analog unterwegs sein will, nimmt Akku samt Motor ganz aus dem Bike heraus – dann gibt es aber auch keine Stromversorgung für die Kameras oder die Lichtanlage.

Ohne den E-Antrieb ist das Bike nochmals 3 kg leichter. Die klaffende Lücke am Rahmen kann dann mit einem optionalen Cover geschlossen werden.
Die Option zum Herausnehmen von Akku und Motor macht das Cyklaer fast schon zum ganz normalen Fahrrad.
Wesentliche Bestandteile des E-Urban: FAZUA-Antrieb und Smartphone mit der Cyklaer-App. Die Kommunikation zwischen beiden könnte aber noch etwas besser sein

Diese Lichtanlage ist allerdings, verglichen mit anderen Komponenten, nur Durchschnitt: Der IQ-XS-Scheinwerfer von Busch & Müller leuchtet zwar ausreichend hell, ebenso das kompakte Busch & Müller µ-Rücklicht. Letzteres ist aber am Bremssattel montiert und somit nur von einer Seite gut sichtbar. Zudem hätte man bei so viel High-Tech durchaus auch moderne Funktionen wie Fernlicht oder ein Bremslicht erwarten können – beides ist aber leider nicht vorhanden.

Etwas ungewöhnlich ist das hintere Schutzblech gestaltet, was erst auf Höhe des Gepäckträgers beginnt und damit den Bereich zum Sattelrohr hin ungeschützt lässt. Ob man damit bei Nässe trotzdem trocken bleibt, konnten wir aufgrund des guten Wetters leider (oder zum Glück?) nicht testen.

Auch bei der Kassette zeigt sich die sportliche Ausrichtung des Cyklaer: Diese ist eher auf hohe Geschwindigkeiten in der Ebene als für steile Anstiege am Berg ausgelegt
Gepäckträger und Schutzbleche verleihen dem E-Urban mehr Alltagstauglichkeit.
Besonders kompakt ist das Rücklicht. Durch seine seitliche Position ist es aber nur von einer Seite gut sichtbar.

Cyklaer E-Urban

7.299 €

Ausstattung

Motor FAZUA Ride 50 58 Nm
Akku 250 Wh
Display Smartphone via SP Connect-Adapter
Bremsen SRAM Force HDR mit SRAM Level TLM Hebeln 160/160 mm
Schaltung SRAM Force eTap AXS 1 x 12
Lenker Syncros Hixon 2.0 800 mm
Reifen Schwalbe G-ONE Allround 700 x 38C

Technische Daten

Größe S - XL
Gewicht 15.3 kg
Zul. Gesamtgewicht (zGG) 109,7 kg (Fahrende)
Max. Zuladung (Fahrer) 109.7 kg

Besonderheiten

Front- und Heckkameras
umfangreiche App-Features
Einteiliges Cockpit
Herausnehmbare Akku- und Motoreinheit

Helm Bern Watts | Brille ALBA OPTICS ANVMA | Jacke Houdini The Shelter | Hose Quicksilver Corduroy Elastic | Socken Rapha Pro Team Long | Schuhe Reebok Cluc C 85 Vegan

Need for Speed: Das E-Urban ist nichts für Sonntagsfahrer

Einmal in Fahrt, erweist sich das E-Urban sogleich als ungemein sportliches Bike. Dank des leichten Gesamtgewichts ist es sehr agil und wendig, was auf den kurzen Radstand zurückzuführen ist. Dieser ist sogar so kurz, dass es bei starkem Lenkeinschlag in engen Kurven und waagerechter Pedalstellung zu einer Berührung zwischen Fuß und Vorderrad kommen kann – man spricht hierbei von einem „Toe-Overlap”. Dank dieser sportlichen Geometrie lässt sich das Bike ausgesprochen direkt und präzise bewegen. Im Umkehrschluss sorgt das aber auch für eine gewisse Nervosität, was insbesondere an einem Bike für den urbanen Einsatz eher ungewöhnlich ist. Die Ursache dafür liegt in der Plattform-Strategie von Cyklaer: So wird diese Rahmengeometrie auch für ein reinrassiges Gravel-Bike und einen daraus abgeleiteten Randonneur, jeweils mit Dropbar-Rennlenker, genutzt. Die Eigenschaften des Rahmens sind dementsprechend eher auf Sportlichkeit als auf Komfort ausgelegt. Oder spiegelt sich hier etwa der Einfluss des Sportwagenherstellers aus Zuffenhausen wider?

Need for Speed: Das Cyklaer verleitet dank sportlicher Geometrie zur schnellen Fahrt.

Die Geometrie des Cyklaer E-Urban

Größe S M L XL
Oberrohr 540 mm 550 mm 571 mm 593 mm
Sattelrohr 460 mm 490 mm 520 mm 550 mm
Steuerrohr 160 mm 160 mm 167 mm 175 mm
Lenkwinkel 72.5° 72.5° 72.5° 72.5°
Sitzwinkel 72.5° 72.5° 72.5° 72.5°
Kettenstrebe 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
Reach 355 mm 365 mm 384 mm 404 mm
Stack 585 mm 585 mm 591 mm 599 mm
Nachteil des kurzen Radstands ist dabei der Toe-Overlap: In engen Kurven berührt man bei waagerechtem Pedal das Vorderrad.

Dass der Fahrkomfort aber nicht ganz zu kurz kommt, wird durch den umfangreichen Einsatz von Carbon bei Rahmen, Gabel, Sattelstütze und der Vorbau-Lenker-Einheit erreicht. So bietet der leichte Werkstoff auch gute Eigenschaften in Bezug auf Nachgiebigkeit und Eigendämpfung. Zudem helfen die G-One Allround-Reifen von Schwalbe mit 40 mm Breite, kleinere Unebenheiten abzudämpfen.

DAS Bike für Digital Natives? Unser Fazit zum Cyklaer E-Urban

Das Cyklaer E-Urban zeigt, wie die Zukunft eines vernetzten Bikes aussehen kann: Durch das Smartphone als Schnittstelle zum Nutzer tun sich neue Möglichkeiten für moderne E-Bikes auf! Das Rad selbst überzeugt mit leichtem Gewicht, starkem Antrieb und coolem Look. Und obwohl die Vernetzung zwischen Bike und Software noch enger sein könnte, kann man Cyklaer zu einem geglückten Einstand gratulieren. Hier kommen nicht nur Tekkies auf ihre Kosten – auch wenn diese mit 7.299 Euro durchaus hoch sind!

Tops

  • smarte Features
  • leichtes Gesamtgewicht
  • cooler Look
  • dynamisches Fahrverhalten gepaart mit hohem Alltagsnutzen

Flops

  • zu sportliche Rahmengeometrie
  • durchschnittliche Lichtanlage
  • manche Komponenten sehen zu nachgerüstet aus
  • Toe-Overlap

Für wen ist das Bike und für wen nicht?

  • Early Adopter und Digital Natives kommen auf ihre Kosten
  • für sportliche FahrerInnen
  • Android-Nutzer werden nicht berücksichtigt
  • wer nicht ständig das Smartphone nutzen will, wird mit anderen Konzepten glücklicher

Words: Oliver Gibler Photos: Benjamin Topf