1, 2, 3, 4, 5 – Weltrekordhalter falten ein Brompton in knapp 5 Sekunden. Aber geht das auch beim neuen Brompton G-Line? Die britische Kultmarke bringt nach ihrem ersten E-Faltrad nun die nächste Revolution: ein Gravel-Klapprad. Wir haben das grobstollig bereifte Bike, das sich auf die Größe von vier Schuhkartons zusammenfalten lässt, getestet.
Brompton ist zwar nicht der Erfinder des Klapprades, aber die Briten sind wohl die bekanntesten Vertreter. Ob im Bus, in der Bahn oder sogar am Flughafen – das Kult-Rad sieht man in jeder Großstadt und an stark frequentierten Knotenpunkten. Mit über einer Million verkaufter Bikes wächst die Brompton-Community unaufhaltsam weiter. Kein Wunder, dass die Fans den Nutzen des Brompton längst erweitert haben: von verrückten Reisen bis hin zu täglichen Abenteuern – die Brompton-Jünger haben ihr Faltrad überall dabei.
Jetzt hat Brompton selbst das Konzept so weit gedehnt wie nur möglich: Mit der G-Line – dem offroad-tauglichsten Serien-Brompton überhaupt. Ab 2.849 € erhältlich, bringt es rund 14,5 kg auf die Waage und ist im Brompton Junction Store, bei ausgewählten Händlern oder online zu bekommen.
Was macht das neue Brompton G-Line 2024 Faltrad so besonders?
Das neue Brompton G-Line sticht sofort ins Auge: Robust steht es auf 20”-Laufrädern mit breiten Reifen. Zur Erinnerung: „Normale“ Brompton-Klappräder kommen mit 16”-Rädern und deutlich schmaleren Reifen. Das kleinere Brompton ist zwar perfekt für die Stadt: wendig, spritzig und ultra-kompakt, wenn’s gefaltet wird … Aber was, wenn der direkte Weg mal nicht asphaltiert ist? Genau dafür gibt’s jetzt die G-Line!
Eigentlich sind die Brompton-Modellnamen mit A-, C- oder P-Line eher kryptisch, doch bei der G-Line ist alles klar: G steht für Gravel. Das Design ist im Kern kaum verändert, sieht aber aus wie ein Brompton auf Steroiden. Das geschwungene Oberrohr sticht ins Auge, doch wie immer bei einem Faltrad bestimmt der Klappmechanismus einen Großteil des Designs. Das merkt man beispielsweise an den langen Kabeln, die wie eine Seilbahn herunterhängen. Und der Klappmechanismus? Seit 1979 unverändert. „Never change a running system“ – auch wenn es etwas oldschool aussieht, funktioniert es hervorragend. Mit etwas Übung schafft man es, das Bike in 20 Sekunden zu falten. Einmal zusammengeklappt, passt es problemlos hinter eine Schranktür, und dank der Rollen am Hinterrad muss man es nicht tragen, sondern kann es bequem wie einen Trolley schieben. Top – denn mit 14,5 kg ist das Mini-Gravel mit Stahlrahmen alles andere als ein Leichtgewicht.
Die kleinen Helden der G-Line sind die 2,1” breiten 20”-Schwalbe-Reifen – speziell für Brompton entwickelt. Der G-One Allround-Reifen mit Tan-Wall passt nicht nur zum Design, sondern hat auch ausreichend Grip für leichte Schotterstrecken. Außerdem ist er breit genug, um nicht in Straßenbahnschienen zu rutschen. Mehr Grip erlaubt auch bessere Bremsen: Zum ersten Mal bei Brompton gibt es Scheibenbremsen – ideal für feuchte Bedingungen und zum feinen Dosieren. Mit 140-mm-Bremsscheiben reicht die Bremsleistung gut aus und sie erfordern kaum Pflege oder Wartung. Der 65 cm breite Lenker sorgt für Fahrstabilität, und wenn’s an der Zeit ist, das Bike zu verstauen, klappt es immer noch auf die Größe, die in den Bus, die volle Bahn oder einen Smart-Kofferraum passt, zusammen. Geht es mal steil bergauf, sorgt eine Shimano ALFINE-Nabenschaltung mit 8 Gängen und einer Bandbreite von 308 % für die richtige Übersetzung. Vorne sitzt dazu ein Kettenblatt mit 54 Zähnen, das sogar Jan Ullrich neidisch rüberschauen lässt. Natürlich muss man am Brompton nicht so viel Watt drücken wie ein Tour-de-France-Profi, aber das kleine Hinterrad macht die große Übersetzung notwendig, damit man auch in der Ebene zügig fahren kann. Cool: Die Nabenschaltung lässt sich auch im Stand reibungslos mit den gewohnten Hebeln am Lenker schalten.
Die Brompton-Community zeigt seit Jahren, was mit diesen Bikes möglich ist – sei es eine Tour von Nord- nach Südamerika oder ein mobiler Friseur, der mit dem Brompton seine Kunden in New York besucht. Mit der G-Line hievt sich Brompton jetzt selbst auf’s Bike-Packing-Level: Mit Anschraubpunkten an der rechten Gabel-Seite (dem Klappmechanismus geschuldet nur einseitig) und am Steuerrohr, etwa für Flaschenhalter und Taschen. Außerdem gibt es den nach vorn gerichteten Carrier Block, an dem proprietäre Brompton-Taschen eingeklickt werden können – darunter auch der 325 Wh große Akku-Pack in praktischer Tragetasche. Ja richtig: Die G-Line gibt’s auch als E-Bike – wie die C- und P-Line. Der Akku sitzt dann vorne am Steuerrohr, und der 450-W-Nabenmotor – entgegen der anderen E-Bromptons – im Hinterrad. So kann man auch steile Anstiege locker meistern.
Die Brompton Electric G-Line kostet übrigens 3.999 € und ist nur mit einer 4-Gang-Kettenschaltung erhältlich. Mit Gepäckträgern und Schutzblechen werden für die G-Line 2.969 € fällig, und wer dazu noch die Lampen, wie an unserem Testbike, bevorzugt, bekommt die „Vollausstattung“ für 3.079 €.
Tuning-Tipp: Schutzbleche ordern, wenn man viel im britischen Regen unterwegs ist.
Das neue Brompton G-Line Klapprad im Test
Das Brompton G-Line lässt sich im zusammengefalteten Zustand problemlos in einer kleinen City-Wohnung unter dem Bett oder hinter der Tür verstauen – denn es ist so kompakt wie ein Handgepäck-Trolley, den man auf Reisen mitnimmt. Beim Tragen aus dem ersten Stock zeigt sich sofort die gute Handhabung des Bikes. Trotz seiner gut 14 kg ist es überraschend leicht zu tragen, wenn man bedenkt, dass es aus einem robusten Stahlrahmen gebaut ist. Das Oberrohr schmiegt sich angenehm an den Oberschenkel an, ohne zu stören. Dank der Möglichkeit, das Pedal auf der freien Seite abzunehmen, ist nichts störend im Weg und das Bike kann nah am Körper getragen werden. Insgesamt ist es zwar kein Fliegengewicht, aber durch das kompakte Design leicht zu heben.
Unten angekommen, entfaltet sich das G-Line in Sekundenschnelle. Hat man den Mechanismus erst einmal verinnerlicht, wird das Auf- und Zuklappen zur Routine: Wie das Aufklappen eines Regenschirms, der in der Hektik der Stadt sofort einsatzbereit ist. Ein Tipp: Eure Sattelhöhe solltet ihr euch markieren, da sie nach jedem Faltvorgang neu eingestellt werden muss. Durch das niedrige Oberrohr, das fast schon an ein Tiefeinsteiger-Bike erinnert, kann man bequem aufsteigen, ohne dabei das Bein über den Sattel schwingen zu müssen.
Sobald man losfährt, fällt das direkte Handling auf. Die Lenkimpulse kommen durch die kleinen Reifen unmittelbar an – so präzise wie die Steuerung eines Go-Karts, was besonders im dichten Stadtverkehr von Vorteil ist. Im Vergleich zu den klassischen Brompton-Modellen mit 16”-Rädern bietet die G-Line jedoch mehr Laufruhe und Sicherheit, besonders bei Unebenheiten oder beim Überfahren von Gleisen und Bordsteinkanten. Die breiten Reifen sorgen durch ihre Dämpfungseigenschaften außerdem für zusätzlichen Komfort und haben auch auf Asphalt guten Grip.
Auf flachen Strecken rollt das Bike angenehm, während bei kleinen Anstiegen die Schaltung mit ihren 8 Gängen eine gute Übersetzung bietet. Auch sehr steile Anstiege sind kein Problem, besonders wenn man die Front etwas belastet oder Taschen an der Gabel hat, um das Vorderrad am Boden zu halten – andernfalls neigt die G-Line durch die leicht zurückgesetzte Sitzposition etwas zum Steigen. Um das Bike exakt an seine Körpergröße anpassen zu können, ist das Brompton in drei Größen von S–L erhältlich und somit für Körpergrößen von etwa 152–198 cm passend. Die breiten Reifen glänzen in sehr leichtem Gelände oder auf Schotter mit ihren Offroad-Eigenschaften. Auf leichtem Schotter graben sich die Stollen in den Untergrund und bieten genügend Traktion in Kurven und beim Bremsen. Auch bei Nässe muss man sich mit den Schwalbe G-One keine Sorgen machen – in Verbindung mit den TRP-Bremsen lässt sich stets zuverlässig verzögern. Zudem sind die Bremsen wartungsärmer als die sonst verbauten Felgenbremsen, da sie zentral an der Nabe sitzen und dort besser vor Witterungseinflüssen geschützt sind.
Bei Dunkelheit zeigt sich ein kleiner Schwachpunkt: Der serienmäßige Reflektor sitzt relativ tief und wird teils vom Reifen verdeckt. Im Gegenzug bietet das aufpreispflichtige Lezyne-Frontlicht eine gute Ausleuchtung nach vorn, und das abnehmbare Rücklicht am Sattel sorgt für zusätzliche Sicherheit durch die unterschiedlichen Blink-Modi. Dafür werden 110 € extra fällig, und ihr kommt bei einem Preis von 2.959 € wie für unser Testbike raus.
Für wen ist das Brompton G-Line das richtige Bike?
In erster Linie ist die neue G-Line natürlich für Hardcore-Brompton-Fans, die mit dem Faltrad-Kult verwachsen sind. Ganz nach dem Motto: „Das beste Bike ist eines, das man immer dabei hat“ sind sie ohnehin nie ohne ihr Brompton unterwegs. Für all jene, die das Rad fest in ihren Alltag integriert haben, bietet die G-Line die Möglichkeit, die Grenzen der Stadt zu erweitern – auch abseits asphaltierter Straßen.
Aber auch diejenigen, die schon immer mit dem Gedanken gespielt haben, ein Faltrad zu kaufen, jedoch nicht nur auf glattem Asphalt unterwegs sind, kommen mit der G-Line auf ihre Kosten. Das Bike schlägt eine Brücke zwischen dem rein urbanen Faltrad und einem ausgewachsenen Gravel-Bike. Es erweitert den Nutzerkreis deutlich, ohne dabei ernsthafte Nachteile wie spürbar höheren Rollwiderstand oder deutlich größere Abmessungen mit sich zu bringen. So wird die G-Line zur richtigen Wahl für alle, die ein kompaktes, faltbares Bike suchen, das nicht nur in der Stadt, sondern auch auf Schotterpisten überzeugt.
Das Fazit zum neuen Gravel-Klapprad Brompton G-Line
Die G-Line ist eine sinnvolle Verstärkung im Brompton Klapprad-Portfolio, denn sie erweitert das Einsatzgebiet von Falträdern deutlich. Mit mehr Laufruhe und Offroad-Eigenschaften öffnet die G-Line ab fairen 2.849 € neue Wege für Pendler und Abenteurer. Dabei ist das Mini-Gravel fast so kompakt wie das Original und gehört weiterhin zu den kleinsten Falträdern auf dem Markt. Sicher steigt damit auch die Zahl der legendären Brompton-Ultracycling-Stories weiter, denn mit dieser
robusten Variante steht neuen Abenteuern nichts mehr im Weg.
Tops
- gute Offroad-Eigenschaften
- kompakte Größe
- durchdachter Faltmechanismus
Flops
- hohes Gewicht
Mehr Infos unter brompton.com
Words: Julian Schwede Photos: Jan Richter